© Andreas Hagenbach


Andreas Hagenbach
Distant Places


Andreas Hagenbachs Kunstproduktion "Distant Places" zeigt sich als eigenwillig.


In einem nun schon mehrere Jahre sich festigenden politischen Umfeld, in dem sich gesellschaftliche Räume ausschliesslich durch einen expliziten Diskurs und einer angeregten Debatte eröffnen lassen, ist unsereiner immer wieder versucht, die Dinge so stehen lassen zu wollen, wie sie sind. Doch auch die erreichten Standpunkte stehen in Relationen, sie bedürfen dringend einer beständigen Anpassung. Wäre dem nicht so, bliebe es bei Entscheidungen zugunsten des einen oder des anderen innerhalb eines polarisierten Umfelds. Der Künstler, der seines Zeichens auch die Rolle als Mensch in der Gesellschaft durchspielt, muss seine Entwicklung beständig überprüfen.


Auch die Fotografie bedient sich bisweilen politischer Inhalte, ist sie doch keine historische Kunstgattung per se, sondern vielmehr gerade durch eher unpolitisch geartete Genres wie jenem der Modefotografie zum Kunststatus erhoben worden. Sehr historisch hingegen ist die Schrift. Die Gutenbergsche Galaxis nun ist es, die in Hagenbachs entstandenen Arbeiten an Fotografien das vollzieht, was man als Prozess der Eröffnung eines Raumes bezeichnen darf. So tauchen Fragestellungen in Hagenbachs Arbeiten auf, die uns ein Bild zunächst gewissermassen vorhält. Aber es ist nicht so, dass wir dieses Bild mit seinen Symbolen sehen und darin lesen. Wir werden gezwungen, eigentümliche, in den Bildraum gehaltene Schrifttafeln zu lesen. Diese wiederum verlangen von uns, rückwärts lesen zu können, denn die schwarzen, auf transparenten Tafeln angebrachten Lettern bekommen wir von hinten zu sehen.


Die Operation ist nun klar: Es liegt in unserer Verantwortung, diese als Zeichen, als Botschaften oder als Fragen zu lesen und sie in einen Bedeutungsraum zu übersetzen, und insbesondere ist nun klar, aus welchem Blickfeld dies geschieht. So zielen die Fragen nicht in den Raum der Kunst, um den White Cube zu thematisieren, sie befragen auch nicht die Rolle des Betrachters und seiner Repräsentation innerhalb des Kunstkontextes. Sie stellen vielmehr Fragen an die Identität des Einzelnen, ohne sie beantworten zu wollen,indem der Künstler uns einen Ausschnitt vorschlägt, durch den wir den Raum und unseren Blick in denselben erfahren sollen.


Die Fragen, die wir uns hier stellen, sind Fragen, die wir aus einem hermetischen Raum - nämlich aus uns selbst heraus -stellen: selbst unsere täglichen Sicherheiten stellen in so manchen Fällen ein Korsett dar, in dem wir uns starr fühlen. Und oft genug stellt sich uns die Frage nach unserem Standort. Wir werden aufgefordert, Farbe zu bekennen, sei dies politisch, sei diesindividuell. So wird aus einem vordergründig poetischen Fragespiel ein beliebig lange durchexerzierbares Fragespiel, das in harmlosester Weise beginnt, und mit welchem wir unseren Blick auf einen Raum vor uns richten, der noch nicht durch unsere Entscheidungen codiert wurde. Er ist offen angelegt, und gerade deshalb steckt in ihm das gesamte demokratische Potential, in ihm aber birgt sich auch der Zeitgeist, der höchstens erahnt, aber nicht erfasst werden kann, weil er uns keine Gewähr für dieRichtigkeit unserer Handlungen geben kann.


Text: Patrick Neithard


Ausstellungsdauer: 15. - 25.12.2004
Öffnungszeiten: Mi-Fr 18.30 - 21 Uhr, Sa 14 - 18 Uhr


White-Space
Raum für aktuelle Kunst
Militärstrasse 76
8004 Zürich
Telefon +41 (0)1 273 13 31
Email info@whitespace.ch

www.whitespace.ch