© Alex Herzog

Alex Herzog: Champ de communication, champ de bataille, champ du désir, 2005-2007


Alex Herzog und Andreas Hofer


Den Überblick bewahren

Im Herbst 2007 beendet Alex Herzog nach einem mehr als zweijährigen Arbeitsprozess eine Skulptur von beeindruckenden Dimensionen: Mit 3 x 3 x 3.2 Meter übertrifft die installative Arbeit "Champ de communication, champ de bataille, champ du désir" an Grösse, physischer Präsenz und an Gewicht (drei Tonnen), was Herzog bislang als Bildhauer geschaffen hat. Entwickelt hat er die Arbeit aus den bildnerischen Konstanten, die sein Schaffen der letzten Jahre geprägt haben: roh behauene Holzstelen und als Sockel oder als "Schlusssteine" gesetzte Steinquader. Vertraut ist auch die Strategie des Künstlers. Er lässt die Skulpturen, die geprägt sind durch organische oder anthropomorphe Konnotationen, in Gruppen auftreten. Wie in "Islands" können sie farbig gefasst sein. Die Stelen können auch als architektonische Zeichen gelesen werden, wie beispielsweise in "Settlement".


Herzogs Methode der additiven Reihung, der Repetition und Verdichtung findet in der Skulptur "Champ" eine Steigerung, und dies verleiht der Arbeit Monumentalität. "Champ" ist in seiner Konfiguration keineswegs dem Gleichmass der Minimal Art verpflichtet, vielmehr bringt der Künstler im Umgang mit den Materialien eine expressive Haltung zum Ausdruck. Holz und Stein zeigen die Spuren der Bearbeitung und es gibt keine identischen Teile. Den natürlichen Wuchs des Holzes, Astgabelungen und Krümmungen, lässt der Künstler sichtbar. Die Themen dieser Arbeit sind Bewegung und Rhythmik: die "gestikulierenden" Stelen, die in den Raum greifen, sowie die unregelmässigen, aus gespaltenen Granitblöcken aneinander gefügten Steinsockel. Die grünliche Färbung des Granits aus Andeer mag an eine vom Wind aufgeraute Wasserfläche erinnern.


Den Ausgleich zur physisch anstrengenden Arbeit an Stein und Holz, gegen den Widerstand der Materie, findet Alex Herzog in der Malerei. Seit den frühen neunziger Jahren arbeitet er als Bildhauer und als Maler und gibt den beiden Medien die gleiche Priorität. Allerdings beschränkt er sich in der Malerei auf kleine Formate, welche das Mass von 29 x 42 cm kaum übersteigen. Die kraftvolle und ausgreifende Gestik des Bildhauers ist hier zurückgenommen. Die Handhabung der zarten Bildträger aus Papier zeichnet sich durch Leichtigkeit aus. Die Bewegung ist auf Hand und Arm reduziert, Pinsel und Bleistift werden aus einer ruhigen Körperhaltung geführt.


In seinem Atelier, das an der Peripherie der Roten Fabrik in Zürich nur wenige Schritte vom Seeufer entfernt liegt, hat sich der Künstler für die beiden unterschiedlichen Tätigkeiten je einen Bereich geschaffen. Die 45 Quadratmeter grosse Bodenfläche ist der bildhauerischen Arbeit vorbehalten. Hier lagert noch unbearbeitetes Holz neben Skulpturen, die in Bearbeitung sind. Bei verschiedenen Arbeitsvorgängen, wie beim Zersägen grosser Holzstücke, wird auch der Aussenraum zum Atelier. Arbeitsspuren des Bildhauers sind überall sichtbar, Holzspäne und Staub bedecken den Boden. Das Studio des Malers Herzog hingegen ist in luftiger Höhe, eingerichtet auf einer Galerie, die im 4,5 Meter hohen Raum schwebt. Auf dieser Tribüne entstehen die malerischen "Miniaturen".


Die Aquarelle zeichnen sich im Gegensatz zu den Skulpturen, denen eine archaische Ausstrahlung eigen ist, durch Entmaterialisierung und Entgrenzung aus. Bevorzugt werden mineralische Pigmente. In der Serie der "Stadtblätter" sind die abstrakten Farbfelder durch schwebende zeichnerische Notationen rhythmisiert, die in ihrer All-over-Struktur über das Blattgeviert hinaus weisen. Doch gilt es, die angedeuteten Polaritäten im Werk von Alex Herzog, zu relativieren. So verleiht er der Leichtigkeit der Malerei Gewicht indem er jedes einzelne Papier auf einen Holzkubus aufzieht: Das Bild erhält Objektcharakter. Die linearen Spuren auf den Blättern wiederum finden eine Entsprechung bei den plastischen Arbeiten, wie in "Settlement". Hier hat Herzog die Holzrisse mit Silikon gefüllt und damit weisse zeichnerische Lineamente den einzelnen Skulpturen einbeschrieben. Vielleicht sind die filigranen Strukturen, die immer wieder zu beobachten sind, auch eine Reminiszenz an die Arbeit des Goldschmieds, des angestammten Berufs des Künstlers, den er nach abgeschlossener Ausbildung zugunsten der Kunst aufgegeben hat.


Das Prinzip der seriellen Reihung prägt das plastische und das malerische Schaffen von Alex Herzog gleichermassen. So bestehen die Arbeiten der Serie "Footage" aus je einer Abfolge von acht vorwiegend monochromen Blättern. Bleistiftnotationen strukturieren und verbinden über die Blattgrenzen hinaus. Durch das Prinzip des Aneinanderreihens ist die Einzelfigur oder das einzelne Blatt in ein übergeordnetes Ganzes eingebunden, die Rolle eines Solisten ist versagt. Beim Betrachten der Werke ist der Blick permanent in Bewegung, von einer Figur zur andern, oder einer mäandrierenden Bleistiftlinie folgend, über die einzelnen Blätter hinweg, unentwegt hin und her gleitend. Die kompositionelle Struktur des "All-over" verlangt nach dieser ruhelosen Bewegung des Auges. Das einzelne Bild beziehungsweise die Skulpturengruppe sind ohne formale oder inhaltliche Hierarchie. Aber es gilt auch die Arbeit in ihrer Gesamtheit zu erfassen, um so den Überblick zu erhalten und gleichzeitig zu bewahren. Wir erinnern uns, dass Jean-Paul Sartre in seinem berühmten Katalogtext zur Ausstellung Alberto Giacometti bei Pierre Matisse in New York 1948 die absolute Distanz des Betrachters zu den Skulpturen Giacomettis eingefordert hat. Nur so könne die Figur in der Gesamtheit ihrer Erscheinung erfasst werden. Distanz soll hier auch für die Wahrnehmung von Herzogs Arbeiten propagiert werden, insbesondere für die Bilder, die der Künstler in filmischer Breite vor unseren Augen entfaltet. Nur aus angemessener Distanz kann das Auge den grosszügig angelegten malerischen und zeichnerischen Strukturen entlang gleiten und das Bild in der Totale erfassen.


Die jüngste Arbeit, die Alex Herzog eben abgeschlossen hat, und die in dieser Ausstellung erstmals präsentiert wird, ist ein experimenteller Film: Der Maler Herzog hat einen 16 Millimeter Filmstreifen "bearbeitet", indem er Farbe darauf appliziert oder auch die Beschichtung des Filmstreifens weggekratzt hat. Entstanden ist Miniaturmalerei, und dieses faszinierende Objekt, der Filmstreifen, ist in der Ausstellung zu sehen. Aber auch das bewegte Bild wird in digitaler Umsetzung präsentiert: Vor unseren Augen rasen zittrige Lineamente, tanzen Farbkreise, ziehen sich rotierende Linienknäuel magnetisch an, verschmelzen und stossen sich wieder ab, Farbflächen fliessen.... Nicht das Auge, das Bild ist jetzt in Bewegung - Alex Herzog hat hier Bewegung und Rhythmus dem Medium überantwortet.


Gabriele Lutz, Februar 2008


© Andreas Hofer

© Andreas Hofer


Fra Angelico besucht Bergdietikon
Esotheriker würden den Platz, an dem Andreas Hofer arbeitet, als Kraftort bezeichnen. Seit 1989 ist er im Atelier des seinerzeit bekannten Bildhauers Ernst Kissling (1890-1973) in Bergdietikon AG eingemietet, einem Bau, der zu den Pionierleistungen des Neuen Bauens in der Schweiz gehört. Das Haus mit von unten bis oben verglaster Nordfront ist auf den Damm eines verwunschenen Mühleweihers gebaut, über dem Stollenrohr, das zur nahen ehemaligen Mühle führt, in der Kissling gelebt hat und in der heute Andreas Hofer und seine Familie wohnen. Der Innenraum hat die Grundrissform eines unregelmässigen Vierecks mit zwei rechten Winkeln. Die Südwand buchtet sich in einen verglasten Erker aus, der auf den Weiher hinausblicken lässt. Eine Architektur von magischer Einfachheit.


Andreas Hofer hat zu dieser Publikation einen prägnanten Text zu seiner Arbeit beigetragen, dem kaum etwas beizufügen ist. Die Verpflichtung zur Kürze liess ihn nicht erwähnen, dass die beiden grössten in der Oltner Ausstellung gezeigten Werke sehr viel mit den Bildern des florentinischen Malermönchs Fra Angelico (1387-1455) zu tun haben.


Besonders fasziniert ihn die um 1450 gemalte Verkündigung, die sich im Museo San Marco in Florenz befindet. Aber nicht die "milde Verklärung und zarte Schönheit", die laut Johannes Jahns "Wörterbuch der Kunst" für Fra Angelico kennzeichnend ist, sondern die Architektur, die ich ebenfalls als "magisch einfach" empfinde. In der schlichten Geometrie des Kissling-Ateliers sieht Andreas Hofer eine Entsprechung zum Raum Fra Angelicos. Sein eigener Arbeitsort hat zweifellos den Wunsch zur Auseinandersetzung mit der Verkündigungsszenerie verstärkt.


Der Renaissancemeister malte einen zentralperspektivischen Raum, dessen Harmonie den göttlichen Plan von Marias Empfängnis versinnbildlicht. Die schräg durchs Bild laufende Begrenzung zwischen Haus und Garten dynamisiert das Bild, ohne die Ruhe zu stören. Es entsteht eine Spannung, die das Unerwartete, Unfassbare der Begegnung mit dem Engel und seiner Botschaft noch deutlicher macht. Wer das Bild im Original gesehen hat, dem bleiben vermutlich die regenbogenfarbigen Flügel des Lichtwesens in Erinnerung.


Könnte es sein, dass Fra Angelico sich mit dem Zusammenhängen zwischen natürlichem Licht und Farbe beschäftigt hat, dass er ähnliche Untersuchungen über die Spektralfarben angestellt oder mitverfolgt hat, wie sie Andreas Hofer an einem selber gebauten Wasserprisma betreibt? (Hofers farbtheoretische Studien - z.B. verbildlicht an seiner "Drehscheibe mit den RGB-Farben", 2005 - führen den Laien in eine Welt des Staunens, basieren auf Erkenntnissen, von denen die Künstler der Renaissance noch weit entfernt waren.)


In "Raum für Fra Angelico I" und "Raum für Fra Angelico II" trifft sich Altes und Neustes. Mit Hilfe eines 3D-Computerprogramms begann er mit seinen bereits geschaffenen "abstrakten", aus abertausend Grundfarbenpinselstrichen bestehenden Kompositionen im digitalen Medium zu experimentieren und hat dabei auf dem Bildschirm neue Gestaltungslösungen gefunden, in denen das unwirklich Anmutende mit scheinbar realen Räumen zur Einheit wird. Was zuerst nur virtuell existierte, hat er im vergangenen Jahr in die sinnliche Wirklichkeit übertragen.


Peter Killer


Anlässlich der Ausstellung erscheinen Kataloge der Künstler.


Ausstellungsdauer 2. - 30.3.2008

Öffnungszeiten Di-Fr 14 - 17 Uhr, Sa/So 10 - 17 Uhr
Karfreitag, Ostern und Ostermontag geschlossen


Kunstverein Olten
im Stadthaus, 10. Stock
Dornacherstrasse 1
4600 Olten
Telefon +41 (0)62 206 11 11

www.kunstvereinolten.ch
www.likeyou.com/alexherzog
www.andreashofer.ch