© A.R. Penck

Ohne Titel (Gruppe), 1961
Öl auf Leinwand, 100 x 130 cm
© A.R. Penck
Courtesy Galerie Michael Werner, Köln & New York


A.R. Penck
Retrospektive



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Die Schirn Kunsthalle Frankfurt präsentiert die erste grosse Retrospektive von A.R. Penck nach zwanzig Jahren.


Wie kaum ein anderer deutscher Künstler steht A.R. Penck für die Erneuerung der Malerei in Deutschland. Bereits in der DDR thematisiert Penck immer wieder die Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft. Nach seiner Ausbürgerung 1980 schafft er mit seinem unverwechselbaren Stil aus abstrahierten Figuren und Bildzeichen ein universales Vokabular, in dem die Erinnerung an den Beginn der Malerei mit der aktuellen Zeitgeschichte und der modernen Naturwissenschaft zu einer einprägsamen Bildwelt verschmilzt. Diese erste grosse Überblicksausstellung in Deutschland nach 20 Jahren zeigt Pencks Werk vor dem Hintergrund veränderter gesellschaftlicher und kunstimmanenter Kontexte und Rezeptionsweisen. Mit rund 130 grossformatigen Gemälden, Skulpturen und Objekten von 1961 bis heute präsentiert die Ausstellung den Künstler mit seinen wichtigsten Themen und Werkgruppen. Eine Besonderheit bildet zusätzlich eine Auswahl von etwa 70 Künstlerbüchern, die auch den Sprachkünstler und Zeichner Penck in umfassender Weise vorstellen.


Die Ausstellung "A.R. Penck Retrospektive" wird durch die Bank of America N. A. gefördert. Zusätzliche Unterstützung erfährt sie durch die Skoda Auto Deutschland GmbH.


Max Hollein, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt: "Viele Werke von A.R. Penck sind lange Jahre nicht mehr zu sehen gewesen, andere ständiger Bestandteil grosser öffentlicher Sammlungen. Es ist unser ausdrückliches Ziel, eine charakteristische Gesamtdarstellung dieses bereits fast 50 Jahre umfassenden Schaffens zu präsentieren. Dabei kommt gerade auch Pencks mediale Vielseitigkeit sowie der beeindruckende geistige Kosmos zum Ausdruck, der sich nicht nur in den Gemälden, sondern auch über seine zahlreichen Texte erschliessen lässt."


Ingrid Pfeiffer, Kuratorin der Ausstellung: "Pencks umfassendes Werk verdient es, von den Anfängen bis heute neu besichtigt zu werden: Die Allgemeingültigkeit, Zeitlosigkeit und Dauerhaftigkeit der darin ausgedrückten Fragen und Konflikte - Rolle des Individuums in der Gesellschaft, Wissenschaft und Kunst, Kommunikation mit dem Betrachter, Krieg, Gewalt, Ausgeliefertsein, aber auch Freundschaft, Solidarität, Kampf um die Zukunft - machen es reizvoll, den "Fall A.R. Penck" hier nochmals aufzurollen."


Dass Penck, 1939 als Ralf Winkler in Dresden geboren, Mitte der 1960er Jahre unter Zusatz von R. (Ralf) im Vornamen als erstes und bis heute gültiges Pseudonym den Geologen und Eiszeitforscher Albrecht Penck (1858-1945) gewählt hat, wurde oft auch als Kommentar zum Kalten Krieg gedeutet. Der zweite Bezugspunkt sind die Parallelen zwischen Pencks Zeichenwelt und den Bildfindungen der Höhlenmalerei der Eiszeit. Penck begründete seine Wahl - der später noch Pseudonyme wie "Mike Hammer", "Mitchel Hammer", "Tancred Mitchell", "Theodor Marx" sowie mathematische Zeichen wie Y (a.r. penck) folgten - damit, dass er eine gewisse Analogie zwischen "abgelagerter Information und Geologie" gesehen habe. Der archäologische Rückgriff habe seine Malerei wesentlich befruchtet und beeinflusst.


Nachdem Penck bereits Ende der 1950er Jahre eigene Wege jenseits von traditioneller Kunst und sozialistischem Realismus gesucht hatte, entstanden ab 1961 die sogenannten "Weltbilder", die bereits die zweidimensionalen reduzierten und anonymen "Strichmänner" zeigen. Es sind Versatzstücke seines Interesses an prähistorischer Malerei, eine Kombination aus Figuration und Abstraktion, die zu seinem Markenzeichen werden sollte. Auf seinem ersten "Weltbild", das Penck als modernes Historienbild beschreibt, ist eine Gruppe von Individuen dargestellt, Schilder mit mathematischen Formeln werden hochgehalten, es wird gekämpft, umarmt, marschiert, Waffen werden gezückt. Trotz der Deutlichkeit und Wiedererkennbarkeit mancher Szenen und Symbole ist die Lesart alles andere als eindeutig. Penck erzählt keine Bildergeschichten, sondern verknüpft in seinen komplexen Kompositionen stets Individuelles und Allgemeines zu zeitlosen Wahrheiten.


Der Informationsbegriff wie auch der Begriff der visuellen Information sowie die Theorie des abstrakten Automaten gewinnen ab den 1960er Jahren eine immer grössere Bedeutung für Penck. Ebenso wichtig wird die Sprache der Kybernetik mit ihrem hohen Abstraktionsgrad und dem Begriff des Systems. Penck schreibt heute dazu: "Das ist alles in meine Malerei eingeflossen und brachte mich dazu, über Bildlogik nachzudenken und praktisch zu experimentieren. Das hat mich zum Standart-Begriff geführt, zu zahlreichen Versuchen über Zeichen und Zeichenräume und den Signalcharakter von Zeichen und Symbolen. Der Systembegriff war etwas Wesentliches und Übergreifendes. Bild als System - System als Bild. Mit dieser für mich neuen Bildmethodik änderten sich meine Motive und Themen. Sie wurden allgemeiner und politischer. Der Kalte Krieg zwischen Ost und West war das Thema der ersten "Weltbilder" und "Systembilder"."


Pencks "Standart-Bilder" sind seine Form politischer Konzeptkunst, die als konstruktiver Beitrag zum Sozialismus gedacht war. Die Bilder sollten als für jedermann verständliche und benutzbare Bildzeichen funktionieren. Mit dem Programm einer Reduktion des Bildes auf Zeichen und Symbole, die Verhalten steuern und strukturieren, sollte eine herrschaftsfreie Kommunikation entstehen und die Diskussion über die Kunst beeinflusst werden. In der Realität seiner Bilder verwandelt Penck aber das Vokabular in eine weitaus vielschichtigere Welt. In dieser finden sogar scheinbar gegenläufige Tendenzen wie Magie und Geheimnis ihren Raum und tragen zur Faszination der Werke bei. Neben den "Standart-Bildern" hat Penck auch eine Reihe von "Standart-Modellen" geschaffen: bemalte und beschriftete Kartonplastiken, die in ihrer "armen" Ästhetik an Fluxus und an Beuys denken lassen.


Der Standart-Realismus scheitert 1968 an der Realität, die von den Repräsentanten der neuen Herrschaft im Osten bestimmt wird. Die Erfahrung der Demaskierung des real existierenden Sozialismus schlägt sich in Pencks Werk in der "Mike Hammer"- und "TM"-Serie nieder, deren Bilder deutlich aggressiver und expressiver sind und Titel wie "Mike Hammers Geburt - Die Wurzeln des Faschismus" tragen. In den 1970er Jahren arbeitet Penck in zahlreichen unterschiedlichen Medien, produziert Filme, Objekte, Holzskulpturen und seine bedeutenden Künstlerbücher und experimentiert sogar mit surrealen Kompositionen. Parallel zu dem zunehmenden Druck im Osten - Penck durfte bereits seit 1962 in der DDR nicht mehr öffentlich ausstellen - verzeichnet Penck aber grosse Erfolge im Westen und nimmt an der Biennale und der documenta teil.


Nach seiner Ausbürgerung aus der DDR und Übersiedlung in den Westen 1980 arbeitet der Künstler unablässig weiter. Er muss jedoch zugleich die grosse Veränderung in seinem Leben verarbeiten: Es entstehen zahlreiche Werke zum Thema Ost-West, mit denen ein stilistischer Wandel zu stärkerer Farbigkeit und Räumlichkeit einhergeht. Elemente der "Angst", "Unruhe", aber auch "Romantik", wie Penck es selber beschreibt, verschwinden. In grossformatigen Werken wie "Ich in New York" oder "Ich in Dublin" verarbeitet Penck seine Reisen und die neuen vielfältigen Eindrücke der westlichen Welt. Bereits 1982 zieht Penck weiter nach London, wird 1989 Professor in Düsseldorf und lebt seit seiner Emeritierung 2003 in Dublin.


Penck hat den Osten einmal als die Wüste und den Westen dagegen als Dschungel beschrieben. Die beiden sehr unterschiedlichen politischen Systeme, der Konflikt dieser Welten und seine sehr individuelle und bis heute ausgeprägte philosophisch-politische Grundhaltung bleiben Pencks grosses Thema.


Kuratorin: Dr. Ingrid Pfeiffer


Die Ausstellung wird im Anschluss an ihre Präsentation in der Schirn Kunsthalle Frankfurt in der Kunsthalle zu Kiel (29. September 2007 - 6. Januar 2008) sowie im "Musée d'Art moderne de la Ville de Paris" (14. Februar - 5. Mai 2008) gezeigt.


Katalog: "A.R. Penck Retrospektive". Hg. von Ingrid Pfeiffer und Max Hollein. Mit Texten von Isabelle Graw, Harald Kunde, Ingrid Pfeiffer, Kevin Power, Pirkko Rathgeber, Jürgen Schweinebraden Freiherr zu Wichmann-Eichhorn. Deutsch-englische Ausgabe, ca. 310 Seiten, mit etwa 400 farbigen Abbildungen, Richter Verlag GmbH Düsseldorf, ISBN 978-3-937572-68-0.



Ausstellungsdauer: 15.6. - 16.9.2007
Öffnungszeiten: Di, Fr-So 10 - 19 Uhr, Mi/Do 10 - 22 Uhr


Schirn Kunsthalle Frankfurt
Römberberg
D-60311 Frankfurt am Main
Telefon +49 69 29 98 82-0
Fax +49 69 29 98 82-240
Email welcome@schirn.de

www.schirn-kunsthalle.de





A.R. Penck
Retrospective



The Schirn Kunsthalle Frankfurt presents the first mayor A.R. Penck Retrospective in twenty years.


Hardly any German artist did as much as A.R. Penck to revive painting in Germany. Even while still in the German Democratic Republic, Penck repeatedly addressed the topic of the relationship between the individual and society. Since his expatriation in 1980, he has employed his unmistakable style to turn abstracted figures and pictorial signs into a universal vocabulary in which recollections of the beginnings of painting are fused with contemporary history and modern science to form a memorable visual world. The first large survey in Germany in twenty years presents Penck's work against the backdrop of changed social and art-immanent contexts and forms of reception. Approximately 130 large-format paintings, sculptures, and objects from 1961 to the present day reveal the artist and his most important themes and groups of works. A special feature of the show is a selection of about 70 artist books which also introduce Penck as a wordsmith and draftsman in a comprehensive manner.


The exhibition "A.R. Penck Retrospective" is sponsored by Bank of America N. A. Additional support has been granted by Skoda Auto Deutschland GmbH.


Max Hollein, director of the Schirn Kunsthalle Frankfurt: "A great number of works by A.R. Penck have not been shown for many years, while others have been a regular part of large public collections. It is our explicit aim to present a characteristic overall survey of the artist's œuvre which spans almost fifty years now. This will reveal both Penck's manifold range of media and his impressive intellectual universe which becomes accessible not only through his paintings but also in his numerous texts."


Ingrid Pfeiffer, curator of the exhibition: "Penck's extensive work is worth being reexamined: the general validity, timelessness, and permanence of the issues and conflicts expressed in it - the individual's role in society, science and art, communication with the viewer, war, violence, subjection, but also friendship, solidarity, and fight for the future - make it fascinating to reopen the "case A.R. Penck" here again."


That Penck, né Ralf Winkler in Dresden in 1939, chose the geologist and glaciation expert Albrecht Penck's (1858-1945) name as his first and still valid pseudonym in the 1960s, adding an R. for Ralf, has often been regarded as a commentary on the Cold War. The second reference is to be seen in the parallels between Penck's universe of signs and the pictorial solutions of ice age cave paintings. Penck explained his choice - which was followed by pseudonyms like "Mike Hammer," "Mitchel Hammer," "Tancred Mitchell," "Theodor Marx," as well as mathematical symbols like Y (a.r. penck) - with his discovery of a certain analogy between "deposited information and geology." He emphasized that the return to archaeology had essentially stimulated and influenced his painting.


After Penck had already set out on his quest for an independent path beyond traditional art and Socialist Realism in the late 1950s, he created his so-called "Weltbilder" (world pictures) from 1961 on which already feature his two-dimensional reduced and anonymous "matchstick men." These elements stemming from his interest in prehistoric painting that brought forth a combination of figuration and abstraction were to become his trademark. His first "Weltbild," which the artist describes as a modern historical painting, shows a group of individuals holding up signs with mathematical formulae, fighting, embracing each other, marching, drawing weapons. Regardless of the distinct and recognizable character of some scenes and symbols, the work presents itself as anything but unambiguous. Penck does not tell picture stories but always fuses the individual and the general to arrive at timeless truths in his complex compositions.


From the 1960s on, the concept of (visual) information and the theory of the abstract machine became increasingly important to Penck. The language of cybernetics with its high degree of abstraction and its system concept also began to play a crucial part. Penck recently wrote that "all this had an impact on my painting and made me think about and experiment with the logic of pictures. This approach led me to the concept of "Standart" and resulted in numerous experiments concerning signs, spaces of signs, and the signal character of signs and symbols.


The system concept was essential and comprehensive. Pictures as systems - systems as pictures. This pictorial method, which was new to me, changed my motifs and themes which assumed a more general and political character. The Cold War between the East and the West was the subject of my first "Weltbilder" and "Systembilder" (system pictures)."


Penck's "Standart-Bilder" (standart pictures) are a form of political concept art which was aimed at making a constructive contribution to socialism. The pictures were designed to work as visual signs to be understood and used by everybody. The artist's program of reducing pictures to signs and symbols that control and structure patterns of behavior was to establish a non-hierarchical discourse and influence the discussion on art. Yet, in the reality of his pictures, Penck transforms this vocabulary into a much more complex world. This world even has room for apparently contradictory tendencies such as magic and mystery which enhances the works' fascination. Apart from his "Standart-Bilder," Penck also created a number of "Standart-Modelle" (standart models): painted cardboard sculptures with inscriptions characterized by a "poor" aesthetics that makes us think of Fluxus and Beuys.


Penck's "Standart" realism was thwarted by the reality of 1968, which was determined by the representatives of the new order in the East. The experience of the unmasking of real-life socialism is reflected in Penck's "Mike Hammer" and "TM" series; the pictures, which have titles such as "Mike Hammers Geburt - Die Wurzeln des Faschismus" (Mike Hammer's Birth - The Roots of Fascism) are markedly more aggressive and expressive. In the 1970s, Penck worked in a variety of media, produced films, objects, wood sculptures, and his outstanding artist books, and even experimented with surreal compositions. While the pressure on him in the East increased (he was not allowed to show his works in public in the GDR from 1962 on), he received great acclaim in the West and participated in the Venice Biennial and the documenta.


After his expatriation from the GDR and his move to the West in 1980, the artist continued to work incessantly. Yet, he found himself confronted with the necessity to come to terms with this fundamental change in his life: the years in question saw the production of numerous works on the East-West issue accompanied by a stylistic shift towards more colorfulness and three-dimensionality. As Penck himself noted, elements of "anxiety," "restlessness," and even "romanticism" gradually disappeared. The artists digested his travels and new manifold impressions of the Western world in large-format works such as "Ich in New York" (I in New York) or "Ich in Dublin" (I in Dublin). In 1982, the artist already had moved on to London, was appointed to a professorship in Düsseldorf in 1989, and has been living in Dublin since his retirement from it in 2003.


Penck has once described the East as a desert and the West as a jungle. The two fundamentally different political systems, the conflict of these worlds, and his very individual
and still pronounced philosophical-political basic attitude have remained his work's major thematic pivot.


Curator: Dr. Ingrid Pfeiffer


After its presentation in the Schirn Kunsthalle Frankfurt, the exhibition will be shown in the Kunsthalle zu Kiel (29 September 2007 - 6 January 2008) and the Musée d'Art moderne de la Ville de Paris (14 February - 5 May 2008).


Catalogue: "A.R. Penck Retrospektive." Edited by Ingrid Pfeiffer and Max Hollein. With texts by Isabelle Graw, Harald Kunde, Ingrid Pfeiffer, Kevin Power, Pirkko Rathgeber, Jürgen Schweinebraden Freiherr zu Wichmann-Eichhorn. German and English edition, ca. 310 pages, ca. 400 color illustrations, Richter Verlag GmbH Düsseldorf, ISBN 978-3-937572-68-0.



Exhibition: 15 June - 16 September 2007
Opening hours: Tues, Fri-Sun 10 am - 7 pm,
Wed/Thu 10 am - 10 pm