© Thomas Ganzenmüller

Thomas Ganzenmüller: SILWICK, SHETLAND (SSW) 2004
Eine Bucht in der im April 2004 siebenundsiebzig Schuhe lagen


Antje Schiffers, Thomas Ganzenmüller


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Mit Antje Schiffers (*1967) und Thomas Ganzenmüller (*1966) zeigt der Kunstverein Hannover die beiden Träger des Preis des Kunstvereins 2002 in einer Doppelausstellung, die die gesamten Räume des Kunstvereins umfasst. In ihrer jeweils ersten umfangreichen Einzelausstellung in einem überregional wahrgenommenen Ausstellungshaus zeigen die beiden Künstler im Wesentlichen die Ergebnisse ihres zweijährigen Aufenthaltes im Atelierhaus des Kunstvereins Hannover, Villa Minimo.


Die "Wandermalerin" Antje Schiffers, die Bilder für Kost und Logis in Zahlung gibt, und der hintersinnige Statistiker im Schafspelz der Kunst, Thomas Ganzenmüller, entwickeln einen komplexen Ausstellungsparcours, der unseren Kunstbegriff vielfältigen Erweiterungen unterzieht. Schiffers und Ganzenmüller bedienten sich in einem geschickten Akt der Camouflage unterschiedlichster wissenschaftlicher Disziplinen, um dem Alltag in seinen Überschneidungen und Verunreinigungen durch die Kunst auf die Spur zu kommen.


Antje Schiffers begibt sich auf Reisen, die mit der in unserer Gegenwart weit verbreiteten Sehnsucht nach Ferne und Erholung, nach schnell konsumierter Fremde und touristischer Verfügbarkeit wenig gemein haben. Auf ihren Reisen nach Mexiko, Italien oder wie in ihrem aktuellen Projekt, in den osteuropäischen Anrainerstaaten der EU wird das Bild zur Auftragsarbeit und künstlerische Tätigkeit zur merkantilen Tauschware. Die Dauer des jeweiligen Aufenthaltes richtet sich nach der Zeit, die nötig ist, um ein Bild der Kategorie "angemessen gut" abzuliefern - in der Regel vier oder fünf Tage.


Antje Schiffers soziologischer Forscherdrang ist dabei immer unterlegt mit romantischer Abenteuerlust, sodass die Grenzen unmerklich durchlässig werden und der Betrachter beständig Gefahr läuft, sich zwischen Biografie und Wissenschaft, zwischen Forschung und Abenteuer zu verirren.


Thomas Ganzenmüllers wissenschaftliches Forschungsfeld ist die Statistik und sein Ehrgeiz gilt dem Kampf gegen den Zufall. Die Welt in ihrer vielgestalten Chaotik wird in mühsamer Kleinarbeit mit einem Koordinatenraster versehen, das das einer Systematisierung sich scheinbar Entziehende nach und nach vernetzt und zusammenführt. Das graphische Gespinst der Flugreisen einer französischen Fussballmannschaft fügt sich so zum Logo ihres Sponsor oder die systematische Untersuchung der Todestage amerikanischer G.I.'s und deutscher Wehrmachtssoldaten zu formschönen Ellipsen, die erstaunliche Relationen zwischen deren Geburts- und Todestagen offenbaren.


Vor den Ergebnissen sind es dabei immer die Fragen Thomas Ganzenmüllers, die durch ihren überraschenden Blick und ihren Sinn für die Tragikomik des Alltäglichen überzeugen. Hinter der Fassade der wissenschaftlichen Nüchternheit und ihrer ästhetisch überzeugenden Umsetzungen geht es um bewusst inszenierte Abgründe, die Kontingenz des Daseins und den Versuch alles mit allem zu Erklären.


Ausstellungsdauer: 19.2. - 3.4.2004
Oeffnungszeiten: Di-So 11 - 17 Uhr, Mi 11 - 21 Uhr


Kunstverein Hannover
Sophienstrasse 2
D-30159 Hannover
Telefon +49 (0)511.32 45 94
Fax +49 (0)511.363 22 47
Email mail@kunstverein-hannover.de

www.kunstverein-hannover.de





Antje Schiffers, Thomas Ganzenmüller


With Antje Schiffers (*1967) and Thomas Ganzenmüller (*1966) the Kunstverein Hannover is presenting the two recipients of the 2002 Award of the Kunstverein in a double exhibition which includes all its available spaces. In what is for each of them the first comprehensive solo exhibition in an institution whose exhibits receive attention beyond the regional level, the two artists are essentially presenting the fruits of their two years' residence in the studio house of the Kunstverein Hannover, Villa Minimo.


The "peripatetic painter" Antje Schiffers, who offers pictures in return for food and lodging, and the ironical statistician in the sheep's clothing of art, Thomas Ganzenmüller, develop a complex dynamism which is ever on the move through the exhibition and which brings various expansions to our concept of art. In a dextrous act of camouflage, Schiffers und Ganzenmüller make use of highly diverse scientific disciplines in order to pursue the traces of daily life in its overlappings and sullyings through art.


Antje Schiffers embarks upon journeys which have little to do with the longing, so widespread in our time, for distant places and recreation, for an easily consumable foreign flair that is immediately available to the tourist. During Schiffers' trips to Mexico and Italy or in her current project in the Eastern European states adjacent to the EU, the picture becomes a work performed upon commission, and artistic activity is transformed into an item of commercial exchange. The duration of each individual stay depends upon the time that is necessary to deliver a picture in the category "appropriately good" - as a rule, four to five days. Antje Schiffers' impulse towards sociological investigation is always accompanied by a romantic delight in adventure, so that the defining limits imperceptibly become porous, and the viewer is constantly exposed to the danger of becoming lost between biography and science, between research and adventure.


Thomas Ganzenmüllers field of scientific investigation is statistics, and his striving is a struggle against the workings of chance. With painstaking attention to detail, the world in all its protean chaos is fitted out with a system of coordinates which gradually imposes a networked interconnection upon that which seems to retreat before just such a systemization. Thus the graphical tissue of the airplane flights of a French soccer team conjoins into the logo of its sponsor, or the systematic investigation into the dates of death of American G.I.'s and German Wehrmacht soldiers generates beautifully formed ellipses which reveal astounding relationships between their dates of birth and death.


More than the specific outcomes, it is always the questions which in this context are so compelling by virtue of their surprising perspective and their awareness of the tragicomedy inherent to daily life. Behind the facade of scientific sobriety and of its aesthetically convincing realization, it is a matter of deliberately staged abysses, of the contingency at the heart of existence, and of the attempt to explain everything with everything.


February 19 - April 3, 2005