© Albrecht Schnider

Albrecht Schnider: o.T., 2007
Acryllack auf Leinwand, 190 x 134,5 cm


Albrecht Schnider, Rebecca Morris, Sergej Jensen


Wie steht es heute eigentlich um die Abstraktion? In den letzten Jahren richtete sich das Augenmerk der Kunstwelt vor allem auf das Erzählerische, sei es nun in Malerei, Fotografie oder Installation, die Abstraktion trat vollends in den Hintergrund. Zu Unrecht, wie wir meinen.


Die gegenwärtige Ausstellung bei Grieder Contemporary stellt drei zeitgenössische Positionen der Abstraktion vor, die das Feld ihrer Möglichkeiten aufzeigen. Die Gegensätze und Korrespondenzen der drei Künstler umreissen einen Dialog über die Herausforderungen der Abstraktion heute.


Ebenso listig wie souverän bewegt sich der Schweizer Albrecht Schnider auf dem schmalen Grat zwischen Abstraktion und Figuration. Seine jüngsten Gemälde zeigen die Umrisse vom Köpfen, deren Gesicht jedoch weiss ausgespart bleibt. Radikal hinterfragt er in diesen provokativ künstlichen Bildern Sinn und Notwendigkeit der Darstellung menschlicher Einzigartigkeit, das Credo des humanistischen Kunstbegriffs. Die Anonymität der Figuren korrespondiert mit dem neutralen Malstil, der mit äusserster Präzision umrissene Flächen und Linien ohne erkennbaren Pinselstrich in ebenmässig aufgetragenem Acryllack wiedergibt. Dieselbe neutrale Anonymität, der Verzicht auf den malerischen Gestus, prägt auch Schnider's gegenstandslose Gemälde, deren spannungsreiche flächige Kompositionen auf den ersten Blick plakativ anmuten, bei näherer Betrachtung jedoch eine Vielzahl von Details entdecken lassen - feine Überschneidung von Farbfeldern, die Dramatik eines Linieverlaufes. Hinter der kühlen Klarheit der neutralen Oberflächen scheint spielerische Komplexität auf, eine zerebrale Sinnlichkeit, eine strenge Augenlust jenseits blosser Gefälligkeit.


Die Stilvielfalt der Amerikanerin Rebecca Morris lässt jene modernistische Selbstbezüglichkeit, die Abstraktion lange prägte, weit hinter sich. Ihre dichten, reichen Formengewebe eröffnen eine Vielzahl an Bezügen zu Hoch- und Popkultur, von Graffiti zu Kunstgeschichte. Auf einer silbernen Leinwand mit Oberflächenstrukturen, die an Yves Klein denken lassen, wird seitlich betrachtet unversehens die Struktur einer Backsteinmauer erkennbar. Eine dynamische geometrische Komposition, die die Formensprache der Delaunays und des Art Déco aufnimmt, offenbart von nahe betrachtet einen aquarellhaften zarten Farbauftrag, der die Felder in Nuancen zerschimmern lässt.


Die stilistische Breite und das malerische Können Morris entfalten einen opulente Sinnlichkeit, die in ihrem assoziativen Reichtum fast schon barock anmutet, eine Spielart der Abstraktion, welche die für die Moderne bestimmende Kluft zwischen High und Low überwindet.


Sergej Jensen verweigert sich der Malerei: Aus Stoffresten und Alltagsüberbleibseln entwickelt der in Berlin lebende Däne eine Bildsprache, die zugleich in einem Dialog mit der Moderne ebenso wie Arte Povera und Minimalismus steht. Jensen näht aus eingefärbten Nesselstoffen abstrakte Leinwände, deren einfache Formen an die klassische Moderne, an Flaggen ebenso wie Jasper Johns Bilder von Flaggen erinnern. Oder er bringt Kringel aus grauer Knete auf einer gräulichen Leinwand an: Was von weitem als Punkt erschien, entpuppt sich als dreidimensionales Gebilde mit frech alltäglicher Anmutung. Die bescheidenden Materialien und die bastlerische Arbeitsweise stehen in einem liebevoll ironischen Spannungsverhältnis zur Bezugnahme auf die klassische Moderne, Punk Chic trifft auf das Erhabene. Jensen bringt seine Kunst treffend einfach auf einen Punkt: "Meine Bilder sind persönlich vermufft. Viel Dreck, viel ist kaputt, aber sie sind auch nett."


In der räumlichen Anordnung zeigt sich eine Vielzahl von Bezügen unter diesen drei Positionen, die augenscheinlich unterschiedlicher nicht sein könnten, jedoch die Ernsthaftigkeit teilen, mit der sie die Grundprobleme der Abstraktion umkreisen und neu definieren. Sie beweisen, dass Abstraktion sinnliche Reize und intellektuelle Herausforderung auf der Höhe der Zeit zu verbinden imstande ist.


Ausstellungsdauer 14.9. - 28.10.2007

Öffnungszeiten Fr/Sa 14 - 18 Uhr, und nach Vereinbarung


Grieder Contemporary
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