© Albrecht Schnider
Malerei, o.T., 2002
237,5 x 168 cm
Acryllack auf Leinwand
Courtesy Galerie Bob van Orsouw, Zürich


Albrecht Schnider
Neue Bilder


Der in Berlin lebende Albrecht Schnider (*1958) wurde in den achtziger Jahren als eigensinniger Verfechter figurativer Malerei bekannt. Wer seine zu Ikonen stilisierten Porträts, die überlebensgrossen Figurenbilder oder die Landschaften verstehen wollte, wurde zum Nachdenken über das Spannungsverhältnis angehalten, das die Geschichte der Malerei seit ihrer Abkehr vom Gegenständlichen kennzeichnet. Am Beginn seines Schaffens erwies Schnider der Tradition mit kunsthistorischen Zitaten seine Reverenz. Gleichzeitig war er um eine unabhängige Bildsprache bestrebt, die die Verortung seiner Malerei in der Gegenwart erlaubte.

Auch wenn sich Schniders Arbeiten heute grob als ungegenständlich charakterisieren lassen, "projektiert" sich sein Werk, wie Peter Herbstreuth in seinem jüngsten Katalogessay (Kunstmuseum Luzern, 2002) behauptet, immer noch als Austausch mit der Geschichte der Malerei. Schniders stilistische Entwicklung ist weniger als Emanzipation vom Figürlichen zu sehen, vielmehr intendiert er eine Umwertung der Elemente im Bild. Während in früheren Perioden Ornamente und Arabesken als Bildhintergrund dienten, dominieren sie heute als eigenständige Formen das Bildgeschehen. Wie ein vegetabiles Flechtwerk breiten sie sich über die gesamte Leinwand aus, ohne dass ihre Gleichförmigkeit durch ein Bildzentrum in Frage gestellt würde.

Schnider abstrahiert Ornamente zu Linien, Streifen, Balken oder Röhren, die sich übereinanderlagern oder gegenseitig ausgrenzen. Bevor die Bildelemente zu präzisen Kompositionen auf der Leinwand arrangiert werden, durchlaufen sie verschiedene Stadien der Vorzeichnung. Schnider sieht die Zeichnung als Instrument, Vorstellungen zu sondieren und unmittelbar Gestalt werden zu lassen. Weisen die Zeichnungen und Skizzen noch eine Handschrift auf, ist das, was auf die Leinwand übertragen wird, frei von persönlichem Duktus oder Ausdruck. Dass die in Acryllack gemalten Bilder mit ihren hochglänzenden Oberflächen den Eindruck des industriell Verfertigten evozieren, entspricht Schniders Anspruch an nahezu technische Perfektion. Die in den neuesten Bildern meist dünn aufgetragenen Farben weisen auch keine Schattierungen oder Abstufungen mehr auf, sondern erinnern in ihrer Anonymität eher an Druckerfarben. Ebenso orientiert sich Schnider bei der Festlegung der Grösse seiner Leinwände an normierten DIN-Formaten.

Im neuesten Werkzyklus treten verstärkt in weisser Lackfarbe ausgesparte Streifen und Linien auf, die mehr an Schablonen oder typisierte Formen denken lassen als an subjektive Bilderfindung. Allerdings lässt sich bei der Betrachtung nicht erschliessen, ob es sich dabei um Übermalungen, Verdeckungen oder einfach nur um Leerstellen handelt, die das Bildgeschehen rhythmisieren. Die weissen Aussparungen können auch die Form von Spritzern oder Klecksen aufweisen. Dadurch wird der Anspruch an die bereits erwähnte und vom Künstler postulierte Perfektion brüchig, da die Setzung einzelner Bildelemente durch den Zufall unterwandert wird.

Schniders Abstraktion von Ornamenten und Arabesken resultiert in Bildern, die sowohl den Eindruck des Organischen als auch des Standardisierten erwecken. Die Streifen und Linien, die die Leinwände gewebsartig überziehen, lassen keinen Anfang und kein Ende erkennen. Vielmehr verdanken sie sich einer Art repetitiven Bewegung. In ihrem Wiederholungscharakter erinnern sie an die Urfunktion des Ornaments, Darstellung im eigentlichen Sinne zu vermeiden. Im Hinblick auf die am Anfang erwähnte Auseinandersetzung Schniders mit der Geschichte der Malerei könnte dies bedeuten, dass der Künstler die Darstellungsfunktion des Bildes nicht nur kritisch befragt, sondern auch negiert. Gleichzeitig scheint er zu wissen, dass gerade die Reflexion auf diese Funktion nicht nur jedem Malakt zugrunde liegt, sondern ihn überhaupt erst möglich macht.


(Text: Birgid Uccia)


Ausstellungsdauer: 25.1. - 15.3.2003
Öffnungszeiten: Di-Fr 12-18 Uhr, Sa 11-16 Uhr
und nach telefonischer Verabredung


Galerie Bob van Orsouw
Löwenbräum-Areal
Limmatstrasse 270
8005 Zürich
Telefon: 01 273 11 00
Fax: 01 273 11 02
E-Mail: mail@bobvanorsouw.ch


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