© Andreas Widmer

Ornament III, 2004
Kabel, Briden, Steckdose, Durchmesser 314 cm
Fotografie: Centrik Isler


Andreas Widmer
Im Himmel ist der Schnee dunkel



Andreas Widmer's (*1967, St. Gallen) Anbindungspunkte seines künstlerischen Schaffens belegen Punkte der Irritation, die zu einer Neuorganisation führen wollen. Künstlerische Produktion stellt den Begriff der Qualität unserer Lebenswelt immer wieder aufs Neue in Frage. Die Qualitätsfrage an sich ist vielleicht eine der schwierigsten Fragestellungen in der Kunst überhaupt, doch sie lässt sich mittels einer Strategie des mentalen, des Wahrnehmbaren durchaus kontinuierlich befragen.


Widmer's Ansatzpunkt zu seiner vertieften Arbeit dürfte sich hier nun ansiedeln. Stehen wir vor einem wandfüllenden, barocken Ornament, gefertigt einzig aus Kabeln vom Baumarkt, mit Briden minutiös an die Wand gehämmert, sind wir hingerissen. Die Eindimensionalität, mit welcher dieses Ornament die Umrisse eines einst plastisch gearbeiteten Statussymbols wiedergibt, "begegnet der nackten Wand der Moderne, die trotz Postmoderne immer noch vorherrscht". Im Zentrum des Ornaments dann die Überraschung: eine Steckdose, die das Dekor zu einem opulenten Gebrauchsinstrument inszeniert.


Wir tendieren dazu, unschön-wirre Kabel möglichst in mausgrauen Kabelschläuchen aus der IKEA oder in quietschfarbigen Kleinodien des Design wie der Kabelmaus aus Weichplastik zu versenken. Wir brauchen Kabel und Strom, aber bitte im Hintergrund, am Boden, in Ritzen und Spalten versteckt, um die moderne Wand in ihrer radikal von Schmuck befreiten Schroffheit, oder Eleganz zu belassen. Widmer unterwandert und befragt diese auch jetzt noch gebräuchliche Auffassung der Wand, indem unsere Wahrnehmung in dieser durchaus ironisch gemeinten Verschnörkelung letztlich schmerzhaft real auf dem Boden der Wirklichkeit landet - und auf den Zweck trifft.


"Im Himmel ist der Schnee dunkel" dürfte uns als plausible Parabel dünken, wenn wir ein und dieselbe Farbe, Weiss, aus unterschiedlicher chemischer Ingredienz, als Installation eines Schneehimmels zusammengeführt erfassen. Wir meinen vielleicht, ein Bild zu sehen, doch zur Konstitution eines Bildgehaltes, in diesem Fall der räumlichen Tiefe, benötigen wir eine eingespielte, geschulte Wahrnehmung. So wachsen sich einförmig wahrzunehmende Eigenschaften, "Weiss", plötzlich einerseits zu einer räumlichen Dimension aus, erfahren aber auf ihrer medialen Ebene als Gruppierung eine radikale Veränderung.


Die Skulptur und der White Cube durchliefen beide, teils parallel, teils jedes für sich, tiefgreifende kritische Phasen im Umfeld der Kunst. Das Umkreisen des Objekts - ob nun handwerklich gefertigt oder mental inszeniert - blieb wohl immer bestehen. Deshalb sind Widmer's fünf für diese Ausstellung entstandene Skulpturen als Fragen an die Begriffe "Repräsentation", "Verhandlung" oder "sicherer Wert" zu verstehen, die als solche den Raum der Kunst wie ein nicht reissen wollender Faden durchziehen.


Andreas Widmer bildete sich zunächst zum bildnerischen Gestalter in Zürich aus, um seit 2000 an der HGKZ Bildende Kunst zu studieren. Er schliesst sein Studium diesen Sommer ab.


(© Patrick Neithard, 2004-2005)


Ausstellungsdauer: 12. - 27.3.2004
Oeffnungszeiten: Do/Fr 14 - 19 Uhr, Sa 12 - 16 Uhr
und nach telefonischer Verabredung


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