© Anish Kapoor

My Red Homeland, 2003 (Ausschnitt)
Vaseline
Modell für die ortsbezogene Rauminstallation
Foto: Dave Morgan, London
Courtesy: Anish Kapoor


Anish Kapoor
My Red Homeland



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Der 1954 in Bombay geborene Künstler Anish Kapoor zählt zu den prominentesten Vertretern der British Sculpture. Seit den frühen 70er-Jahren wurde sein vielfach prämiertes Werk weltweit ausgestellt. 1990 vertrat Anish Kapoor auf der Biennale von Venedig Grossbritannien und erhielt den begehrten Preis "Premio 2000" der internationalen Jury. 1991 wurde ihm der renommierte Turner-Preis verliehen. Einer der Höhepunkte der documenta IX war Kapoors Raum "Descent into Limbo" (1992): In der Mitte eines begehbaren Kubus' öffnete sich ein schwarzes Loch von scheinbar unendlicher Tiefe in den Erdboden.


Kapoors Werk vereint die spirituellen Traditionen seiner Heimat und die Idee des Sublimen westlicher Kunsttradition. Seit seinen ersten Skulpturen - einfache, auf dem Boden ausgebreitete Formen mit farbigen Pigmenten - hat Kapoor ein facettenreiches Werk aus verschiedenen Materialien wie Stein, Stahl oder Glas entwickelt. In seinen Objekten und Skulpturen verwischen sich die Grenzen zwischen Malerei und Bildhauerei. In der Schaffung dreidimensionaler Körper ist seine Arbeitsweise die eines Bildhauers, doch die Themen der Leere, Abwesenheit, Transformation und Immaterialität sind Themen der Malerei. Seine Intention ist es, Skulpturen zu gestalten, die sich nicht nur mit Formfragen auseinandersetzen, sondern auch Themen wie Glaube, Leidenschaft oder Erfahrungen jenseits materieller Belange behandeln. 1979 entstehen jene Objekte, mit denen Kapoor erstmals internationale Aufmerksamkeit erreicht. "1000 Names" (1979/80) ist eine mehrteilige Arbeit aus organischen und geometrischen Formen, die in Farbpigmente eingehüllt sind. Die faszinierende Qualität von Anish Kapoors Werk beruht zu einem guten Teil auf der spezifischen Verwendung der Farbe, die er vor allem in den frühen Arbeiten als reines, pulverförmiges Pigment einsetzt. Seiner Ansicht nach hat Farbe die Fähigkeit, Dinge zu verwandeln, ihre Metaphorik ist breit gefächert.


Anfang der 80er-Jahre öffnet Kapoor die Oberfläche der Skulptur und aus dem geschlossenen Volumen wird ein Hohlkörper. "Void Field" von 1989 zeigt einen Raum, der mit grossen Würfeln aus Sandstein gefüllt ist. Kapoor bohrt in die Steine ein Loch und bedeckt die Innenseite der Öffnung mit schwarzem Pigment. In den folgenden Arbeiten werden die Öffnungen zu riesigen Löchern und die Leere gewinnt immer mehr an Bedeutung. Neben dem skulpturalen Werk hat Anish Kapoor eine Reihe spektakulärer Grossprojekte realisiert. Es sind raumbildende Architekturskulpturen aus elastischen Werkstoffen. Fast gigantisch ist sein vor kurzem fertig gestelltes Werk "Marsyas" (2003) in der Tate Modern (London), das die gesamte Dimension der Ausstellungshalle mit 155 Metern Länge und 35 Metern Höhe ausfüllt. Zwei trichterförmige, mit rotem PVC bespannte Arme wachsen aus einem offenen Korpus heraus, der die Brücke zwischen den beiden Teilen der Ausstellungshalle überspannt.


Die umfassende Werkschau mit exklusiv für das Kunsthaus Bregenz konzipierten Neuproduktionen und überwiegend ganz neu entstandenen Arbeiten ist überhaupt die erste und bedeutende Ausstellung von Anish Kapoor in Österreich. Für das Erdgeschoss hat Kapoor im Rahmen der KUBArena eine farbige Lichtarbeit entworfen: Diagonal durch den Raum zieht sich eine vom Boden bis zur Decke reichende Lichtwand. Die Mitte der leuchtenden Farbtafel nimmt eine schwarze Fläche ein. Das Nebeneinander von Licht und Dunkelheit lässt ein Wechselspiel zwischen Farbe und Raum entstehen, was beim Betrachter ein Gefühl der Desorientierung erzeugt.


Im ersten Stock zeigt Kapoor neue Objekte vorwiegend aus Edelstahl und Lack. Grossformatige, konkave Rundbilder von intensiver Farbigkeit erfüllen den Raum mit ihrer Ausstrahlung. Sie absorbieren und spiegeln zugleich das Licht und schaffen subtile Übergänge vom Materiellen zum Immateriellen.


Bei den im zweiten Stock ausgestellten Skulpturen aus Holz und Fiberglas mit Öffnungen und Hohlräumen ist Weiss die bestimmende Farbe. Gemeinsames Thema ist die Leere, die Immaterialität. Geringe Lichtreflexionen und Verschattungen lösen die Masse und die Schwere der Skulpturen auf. Es entsteht ein spannungsvolles Wechselspiel zwischen Innen und Aussen, Volumen und Leere.


Höhepunkt der Ausstellung ist im dritten Stock eine monumentale Arbeit aus Vaseline (My Red Homeland), die Kapoor speziell für das Kunsthaus entworfen hat. Aus über 20 Tonnen dunkelrot eingefärbter Vaseline formt Anish Kapoor eine zylinderförmige Bodenskulptur von 12 Meter Durchmesser. Ein grosser metallener Arm, der sich sehr langsam um die eigene Achse dreht, wühlt die fettige Masse auf und transformiert sie auf einer äusseren Kreisbahn zu einer glatten Wand. Chaos und Ordnung, Stillstand und Bewegung, Farbe und Materialität verdichten sich in diesem Werk für den Betrachter zu einem beeindruckenden Erlebnis.


Projekt in der Johanniterkirche Feldkirch:
Ein weiterer Höhepunkt ist die Realisierung einer ortsbezogenen Arbeit für die Johanniterkirche Feldkirch im Rahmen einer erstmaligen Kooperation zwischen dem Kunsthaus Bregenz und der Johanniterkirche. Bemerkenswert an dem Kirchenraum sind die frei gelegten Mauerkronen des ursprünglichen Hospiz aus dem 13. Jahrhundert. Auf Grund der besonderen Ausstrahlung hat Kapoor sich dazu entschieden, hier eine Rauminstallation umzusetzen. Der Kirchenraum dient seit sieben Jahren unter der engagierten, kuratorischen Leitung von Eva Jakob der Präsentation nationaler und internationaler Künstler.


Neben weltweit realisierten Projekten enthält die ausstellungsbegleitende Publikation erstmalig bisher nicht umgesetzte Konzepte und Arbeiten von Anish Kapoor. Die zweisprachige Veröffentlichung stellt rund vierzig ausgewählte Arbeiten aus dem Gesamtwerk des Künstlers vor. Diese detailliert präsentierten Projekte spiegeln Kapoors Auseinandersetzung mit dem Verhältnis Raum - Architektur - Landschaft wider. Zudem beinhaltet das Buch neben den Bregenzer Exponaten eine Dokumentation der in der Johanniterkirche ausgestellten Arbeiten anhand von Fotos, Entwürfen und Skizzen. Texte von Yehuda Safran, Thomas Zaunschirm und Eckhard Schneider. Deutsch/englisch. Ca. 200 Seiten, ca. 150 Abbildungen, Hardcover mit Schutzumschlag, 30 x 25 cm. Preis: Ca. 54,- Euro. Die Publikation erscheint im Oktober 2003.


Kurator: Dr. Rudolf Sagmeister


Ausstellungsdauer: 27.9. - 16.11.2003
Oeffnungszeiten: Di-So 10 - 18 Uhr, Do 10 - 21 Uhr
Mo geschlossen


Kunsthaus Bregenz
Karl Tizian Platz
A-6900 Bregenz
Telefon +43 5574 48594-0
Fax +43 5574 48594-8
E-Mail: kub@kunsthaus-bregenz.at

www.kunsthaus-bregenz.at




Anish Kapoor
My Red Homeland



Born in 1954 in Bombay, Anish Kapoor is among the most prominent figures in British Sculpture. His award-winning work has been exhibited around the world since the early seventies. In 1990 Anish Kapoor represented Great Britain at the Venice Biennial and was awarded the coveted "Premio 2000" by the international jury. In 1991 he won the renowned "Turner Prize". A highlight of the documenta IX was Kapoor's building "Descent into Limbo" (1992).


Anish Kapoor has lived and worked in London for over thirty years. His work combines the spiritual traditions of his native country and the notion of the sublime from the Western art tradition. Since his first sculptures - simple forms covered with coloured pigments and arranged on the floor - Kapoor has developed a multi-faceted body of works using such diverse materials as stone, steel or glass. In his objects and forms the border between painting and sculpture becomes blurred. In the creation of three-dimensional bodies his way of working is typical of the sculptor, but his themes - emptiness, absence, transformation and immateriality - derive from painting. Kapoor's intention is to create sculptures that don't just deal with questions of form but also address the themes of belief, passion or experiences beyond material concerns.


The current comprehensive exhibition, which includes new works conceived especially for the Kunsthaus Bregenz and which primarily features his most recent works, is the first major exhibition of Anish Kapoor's art in Austria. On the ground floor Kapoor has conceived a work for the KUBArena using coloured light. Running diagonally through the space is a floor-to-ceiling illuminated wall. In the middle of the bright, coloured panel is a black field. The juxtaposition of light and darkness reveal a relationship between colour and space which gives the viewer a sense of disorientation


On the first floor Kapoor shows new objects made mainly of stainless steel and lacquer. Large-format concave circular paintings in vibrant colours radiate throughout the space. Simultaneously they seem to absorb and mirror light, creating subtle transitions from the material to the immaterial.


On the second floor white is the dominant colour in these wood and fiberglass sculptures with their holes and hollow spaces. The common theme is the void and immateriality. The meager reflection of light and occurrence of shadows renounces the mass and weight of the sculptures. What arises is a fascinating interplay between inside and outside, volume and void.


The climax of the exhibition comes on the third floor in the form of a monumental work in Vaseline (My Red Homeland), which Kapoor has created especially for the Kunsthaus. Out of more than 20 tons of dark-red coloured Vaseline Anish Kapoor forms a cylindrical sculpture with a diameter of 12 meters. Rotating around a central axis a large metal arm moves slowly along an orbit at the perimeter of the work, churning up the fatty material and transforming it into a smooth wall. Chaos and order, motionlessness and movement, colour and materiality, converge in this work to give the observer a truly impressive experience.

Project in the Johanniterkirche Feldkirch:
A further highlight is a site-specific work for the Johanniterkirche Feldkirch, realised in a first-time collaboration between the Kunsthaus Bregenz and the Johanniterkirche. One striking aspect of this ecclesiastical space are the exposed capstones of the original hospice, which date from the 13th century. Because of this special atmosphere Kapoor has chosen to do a spatial installation. Under the ambitious curatorial direction of Eva Jakob this church space has been an open forum for the past seven years, dedicating itself to showing the work of national and international artists.


Besides projects which have been realized around the world, the publication accompanying the exhibition presents for the first time concepts and works by Anish Kapoor which have not been realized. The bilingual publication presents around forty selected works out of the artist's entire oeuvre. These projects, presented in detail, reflect Kapoor's examination of the relationship between spacearchitecture-landscape. In addition to the Bregenz works, the impressively
designed book also contains photos, designs, and sketches documenting the works exhibited in the Johanniterkirche. Contributions by Yehuda Safran, Thomas Zaunschirm and Eckhard Schneider. German/English. Circa 200 pages with about 150 illustrations, hardcover with jacket, 30 x 25 cm. Price: circa 54. Euro The catalog will be published in October, 2003.


September 27 - November 16, 2003