© Annelise Coste

Explain T, 2004
Airbrush on paper, 175 x 125 cm


Annelise Coste
Loin Loin Loin


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Das Medium Zeichnung spielt in der Arbeit der französischen Künstlerin Annelise Coste (*1973 bei Marseille, lebt in Zürich) eine zentrale Rolle. Obwohl sie immer auch andere Medien in ihre künstlerische Arbeit einbezogen hat, ist das Blatt ihr bevorzugter Ort der Auseinandersetzung mit sich und der Welt. Ihre Zeichnungen entstehen meist schnell und haben auf den Betrachter die Wirkung einer sehr direkten und spontanen Ausdrucksweise, die zuweilen mit handwerklichem Dilettantismus oder grafischem Anarchismus kokettiert.


Vor ein paar Jahren war meist gewöhnliches Recyclingpapier im A4-Format Träger ihrer Zeichnungen, manchmal auch gefundene Papierresten oder kleinformatige Kartons. Diese bezeichnete und beschriftete sie mit aufmüpfigen, witzigen oder poetischen Botschaften und liess dabei die sich gegenseitig kommentierenden Text- und Bildelemente eine eigentümliche Verbindung eingehen. Mit der Verwendung von anderen Techniken wie z.B. Spray oder Airbrush wurden in der letzten Zeit auch die Papierformate immer grösser, so dass die Künstlerin nun manchmal auch die Grenzen des Blattes überschreitet und die Wände als Träger ihrer Zeichnungen benützt.


Die Wahl des Mediums Zeichnung ist für Annelise Coste nicht nur eine ästhetische Entscheidung, sondern hat mit dem seit der Moderne immer wieder geäusserten Wunsch zu tun, Kunst und Leben zu vereinen und - im Falle Annelise Costes - mit der Kunst auf unser soziales Leben einwirken zu können. So waren denn ihre frühen Arbeiten eher im Bereich der Aktionen anzusiedeln, die sie jeweils mit Video festhielt. Sie rannte z.B. in "Tramperformance" (1997) mit zwei Zürcher Trams um die Wette oder bot ihre Freunde auf, um kraft ihrer gemeinsamen Körperwärme das grosse Thermometer bei der Bahnhofshaltestelle um einige Grade steigen zu lassen - was tatsächlich gelang.


Wenige Zeit darauf, traf man die Künstlerin in ihrer allerersten Ausstellung beim Zeichnen an. Sie benutzte den Ausstellungsraum bewusst nicht nur als Ort der Präsentation, sondern auch als Ort der Interaktion, wo sie lebte und arbeitete und ihre jeweils neu entstandenen Arbeiten in sich täglich verändernden Konstellationen zeigte. Zudem bezog sie die BesucherInnen in Gespräche ein, trank mit ihnen Café und legte des öfteren Fotokopien ihrer vor Ort entstandenen Zeichnungen auf, welche die BersucherInnen mit nach Hause nehmen konnten.


In den letzten Jahren ist die interaktionistische Seite ihrer Arbeit allerdings zu Gunsten einer inhaltlichen und formalen Verdichtung innerhalb ihrer Werke in den Hintergrund getreten. Hierbei gewann der Aspekt des Textes an Wichtigkeit. Annelise Coste benutzt die Schrift sowohl als visuellen Code, als auch als inhaltliches Mittel, um auf spielerische, unbeschwerte Art philosophisch existentielle Fragen aufzuwerfen, emotionale Botschaften in die Welt zu senden und ihrer Rebellion gegen die bestehenden politischen Zustände Ausdruck zu verleihen.


Auflehnung gegen die Instanzen der Macht und der Autorität - seien diese in einem sozio-politischen oder privaten Umfeld angesiedelt - ist denn auch ein wiederkehrendes Thema in ihrer Arbeit. Ein grosser Teil von Annelise Costes Airbrush-Zeichnungen von 2004 entwickelte sich zu eigentlichen Textbildern, die eine gewisse Verwandtschaft mit visueller Poesie aufweisen. Es sind Kristallisationen aus Zitaten (oder Pseudozitaten), Schlüsselwörtern und poetischen Erfindungen, Kollagen aus Forderungen, Ausrufen, Anklagen und Fragen der Künstlerin, die teils vereinzelt auf dem weissen Papierbogen stehen, teils die Blätter regelrecht überwuchern - als Texte dennoch immer fragmentarisch bleiben.


Im Kunsthaus Glarus, ihrer ersten Einzelausstellung in einer bedeutenden Institution, wird Annelise Coste neben den Airbrush-Arbeiten auch ihre neuesten grossformatigen Zeichnungen und Aquarelle (u.a. aus der Serie BLEU BLANC ROUGE, 2004) präsentieren und direkt auf die Wände des Kunsthauses zeichnen. Zudem werden auch ihre Skulpturen vorgestellt, kleine z.T. architekturähnliche Gebilde, die so instabil und fragil sind, dass der Zerfall, bzw. ihre gänzliche Zerstörung dem Werk eingeschrieben zu sein scheint.


Zum ersten Mal zeigt Annelise Coste auch "El Dorado", eine diaprojizierte Fotoserie von 2003. "El Dorado", das Paradies auf Erden, wie es sarkastisch bei Voltaire zitiert wird, ist ein Versuch existentielle Lebenserfahrungen wie "das Vergehen der Zeit", "die Entscheidung", "die Gegenüberstellung" oder "der Tod" mit einfachsten Mitteln visuell darzustellen. Die Künstlerin inszeniert dazu mit kleinen Tonfigürchen in einer mit Goldfolie ausgeschlagenen Schachtel (dem stilisierten El Dorado) kleine Szenen, die sie "situations philosophico-existentielles" nennt. "El Dorado" ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Künstlerin in ihrer künstlerischen Arbeit mit den ernsthaften Themen des Lebens umgeht - mit einer Prise Humor und einer spielerischen Leichtigkeit, die sie vor der Pathosfalle bewahrt.


Zur Ausstellung erscheint in Zusammenarbeit mit der Galerie Reinhard Hauff, Stuttgart, in der Edition Patrick Frey das Künstlerbuch POEMABOUT mit Airbrush-Arbeiten und einer Gedichtesammlung von Annelise Coste.


Die erste Ausstellung von Annelise Coste "Ugly can happen" fand 1999 im Kleinen Helmhaus, Zürich, statt und wurde kuratiert von Nadia Schneider, damals Mitglied des Kuratorenteams.


Ausstellungsdauer: 6.2. - 1.5.2005
Oeffnungszeiten: Di-Fr 14 - 18 Uhr, Sa/So 11 - 17 Uhr


Kunsthaus Glarus
Im Volksgarten
8750 Glarus
Telefon 055 640 25 35
Fax 055 640 25 19
Email office@kunsthausglarus.ch

www.kunsthausglarus.ch




Annelise Coste
Loin Loin Loin**


The medium of drawing plays a central role in the work of the French artist Annelise Coste (born 1973 near Marseille, lives in Zurich). Although she has always also incorporated other media into her artistic work, the sheet of paper is her preferred space for confronting herself and the world. Her drawings usually emerge quickly and strike the viewer as a very direct and spontaneous form of expression, sometimes flirting with craftsmanly dilettantism or graphical anarchism.


A few years ago, regular recycling paper in standard A4 format provided the foundation of her drawings, sometimes also found paper scraps or small-format cardboard. She would write and draw cheekily rebellious, witty, or poetic messages on them and let the text and image elements mutually comment on each other and enter into a peculiar connection. With her recent use of other techniques such as spray and airbrush, her paper formats have also grown in size, so that the artist now sometimes also exceeds the boundaries of the sheet and uses the walls as the foundation of her drawings.


The choice of the medium of drawing is not only an aesthetic decision for Annelise Coste, but also has to do with the desire often expressed since the Modern Era to unite art and life and - in the case of Annelise Coste - to be able to influence our social life with art. Accordingly, her early work was situated more in the realm of action, which she recorded on video. In "Tramperformance" (1997), for instance, she raced against two Zurich trams, or she called upon her friends to use their combined body heat to increase the big thermometer by the train station stop by a few degrees - which actually succeeded.


A short while later, audiences encountered the artist drawing in person at her very first exhibition*. She deliberately did not merely use the exhibition hall as a space for presentation, but also as a space for interaction, where she lived and worked and showed her continuously newly created works in constellations that changed every day. She also included the visitors in discussions, drank coffee with them, and often displayed photocopies of her drawings that she created on the spot, which the visitors were then invited to take home with them.


In recent years, however, the interactionist side of her work has receded into the background to make room for increased density of content and form in her works. The aspect of the text has gained importance in this regard. Annelise Coste uses writing both as a visual code and as a means of content, in order to raise philosophically existential questions in a playful, carefree way, to send emotional messages into the word, and to give expression to her rebellion against the existing political circumstances.


Resistance against the instances of power and authority - whether they are situated in a socio-political or private context - is a recurring theme in her work. A large part of Annelise Coste's airbrush drawings from 2004 has developed into actual text images that show a certain affinity to visual poetry. They are crystallizations of quotes (or pseudo-quotes), keywords, and poetic inventions, collages of the artist's demands, exclamations, indictments, and questions, some of which are drawn on white sheets of paper, some of which literally overgrow the sheets - but always remain fragmentary as texts.


In the Glarus Art Museum, her first individual exhibition in a significant institution, Annelise Coste will present - in addition to her airbrush works - her newest large-format drawings and watercolors (including from the Series BLEU BLANC ROUGE, 2004) and will draw directly on the walls of the Art Museum. In addition, she will introduce her sculptures - small, at times architecture-like shapes which are so instable and fragile that their disintegration and even their complete destruction seem to be inscribed into the works.


For the first time, Annelise Coste will also exhibit "El Dorado", a series of projected slides from 2003. "El Dorado", the paradise on Earth as it is sarcastically quoted from Voltaire, is an attempt to visually convey, by very simple means, existential life experiences such as "the passing of time", "the decision", "the juxtaposition", or "death". For this purpose, the artist stages small scenes with tiny clay figures in a box lined with gold foil (the stylized El Dorado?) which she calls "situations philosophico-existentielles". "El Dorado" is a good example of how the artist treats serious life themes - with a dose of humor and a playful lightness that does not shy from confrontation with the content, but never falls into pathos.


In collaboration with the Reinhard Hauff Gallery, Stuttgart, the artist book POEMABOUT, published by Edition Patrick Frey, will appear in conjunction with the exhibition, containing airbrush works and a collection of poetry by Annelise Coste.


* The first exhibition by Annelise Coste, "Ugly can happen", took place in 1999 in the Kleines Helmhaus, Zurich, and was curated by Nadia Schneider, who was then a member of the curator team.


** The title of the exhibition LOIN LOIN LOIN is French and means FAR FAR FAR.


February 6 - May 1, 2005