© Arnold Helbling

Five Easy pieces #2 (Detail), 2005
Acryl auf Leinwand, 117 x 102 cm


Arnold Helbling
What goes up



Pinselstriche gegen die Schwerkraft


Arnold Helbling entwirft aus Architekturen und organischen Formen schillernde Panoramen einer sich auflösenden Welt. Die Ausstellung unter dem Titel "What goes up" zeigt Bilder der letzten acht Jahre.


Früher hat Arnold Helbling seinen analytischen Blick ins Innere des Menschen gerichtet. Damals verarbeitete er Röntgenbilder, um an ihnen Körperarchitekturen zu ergründen und via Malerei über das Wesen des Menschen und die Möglichkeiten der Malerei nachzudenken. Seit fast einem Jahrzehnt geht der Röntgenblick des 1961 geborenen Schweizer Künstlers, der seit 1989 in New York lebt, stärker nach aussen. Anstelle natürlicher Körperstrukturen beobachtet er von Menschen gebaute Architektur und gesellschaftliche Systeme. Reminiszenzen und Spiegelungen davon bilden die Grundlage vielschichtiger Arbeiten. Immer aber spielt auch der Zufall eine Rolle als prägender Mitgestalter.


Projektionen von Baukörpern
Für die Bildwerdung seiner Ideen leistet Arnold Helbling zunächst aufwändige Vorarbeiten. In einem mehrstufigen Verfahren präpariert er die Leinwand, bis ein spiegelglatter, lichthaltiger Malgrund entsteht. In zartem Ton eingefärbt, bestimmt dieser Grund das durch und durch künstliche Acryl-Farbklima des jeweiligen Gemäldes. Gleichzeitig ist diese helle Lichtoberfläche die Projektionsebene für ein Architektur-Bild. Helbling verwendet dafür fotografische Grossstadt-Ansichten: gefundene Bilder, die aber so verändert werden, bis sie seine eigenen Metaphern für Stadt geworden sind. Jetzt erst, auf dieser streng strukturierten, ab Projektion gemalten Architektur-Grundlage entfaltet sich eine freiere, eigenen Gesetzen folgende Malerei.


Im drei Meter breiten, mannshohen Bild "Dream of Babylon" von 1999 breitet sich über die Ebene gesichtsloser, verwaschen grauer Wohnblock-Siedlungen eine Schicht grober Flecken, die wie Wasserlachen die gebaute Substanz angreifen und stellenweise zerstören. Was hier noch als zufälliger Auflösungsprozess erscheint, weicht bei jüngeren Bilderserien immer mehr gezielter Dekonstruktion. Mit breitem Pinsel überzieht Helbling seine Häuserreihen mit lasierender Farbe - es sind bewusst gesetzte, lichtdurchlässige Pinselstriche gegen die Schwerkraft. Sie enden abrupt in der unbestimmbaren Weite des Bildraums. Organisch geformte Bildelemente treten auf, verlieren Bezugssystem und Massstab, scheinen zu schweben. Sind es Mikroorganismen, die sich wie unter dem Mikroskop zu monumentaler Grösse aufplustern? Sind es weit entfernte Galaxien, die im fahlen Licht aufblitzen?


Betörende Farben
Heiter, laut und eindringlich pulsieren die Farben durch das "Welt-All" der Bildräume. Helbling intoniert Blau-Gelb- und Rot-Grün-Kontraste, betört mit Harmonien und erzeugt mit Dissonanzen Spannung. Die spontane Farbgebung sucht sich ein labiles Gleichgewicht. Doch die transparenten Farben, die immateriellen Farbflecken bieten dem Auge keinen festen Halt. Flirrend spiegeln sie das Zeitgefühl unserer Gegenwart, wo gesicherte, unverrückbare Positionen fehlen, wo Relationen und Standpunkte laufend neu zu definieren sind.


Seinen Bildern und Serien gibt Helbling sprechende Titel: "Dream of Babylon" oder "Five easy pieces" überspielen genauso wie die heiter-schönen Farben, welche starken Kräfte und Prozesse in den Malereien am Werk sind, sie explodieren oder implodieren lassen. Und immer wieder neue schillernde Bildwelten hervorbringen. Der Ausstellungstitel "What goes up" ruft nach einer Ergänzung: "Must come down", möchte man anfügen. Ganz einfach. Oder vielleicht doch nicht?


Text: Barbara Handke


Ausstellungsdauer 17.3. - 23.4.2006

Öffnungszeiten Di-Fr 17 - 20 Uhr, Sa/So 14 - 17 Uhr


IG Halle
Kulturzentrum Alte Fabrik

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