© Wathiq Al-Ameri

© Wathiq Al-Ameri


Nach der Ausgangssperre

Wathiq Al-Ameri
, Wamidh Al-Ameri, Ali Al-Fatlawi


"Nach der Ausgangssperre" heisst die Gruppenausstellung von Ali, Wathiq und Wamidh. Die Kunst des irakischen Trios handelt von einem Land im Krieg. Auch wenn Bilder über Zerstörung, Gewalt und Korruption im Irak täglich über die Fernsehbildschirme in unseren Wohnzimmern flimmern, erfahren wir wenig über den Alltag in diesem Land. Was passiert am Abend, wo sind die Menschen, was machen sie? In der Nacht herrscht Ausgangssperre, die Strassen sind leer. Was der nächste Tag bringt, ist ungewiss. Und genau von dieser Ungewissheit handeln die Werke der aktuellen Ausstellung in der Plattformelf.


Das Ende der Ausgangssperre bedeutet Freude und Angst zugleich. Freude darüber, dass man wieder nach draussen kann und Angst davor, mit neuen Anschlägen, Bomben und Zerstörung konfrontiert zu werden. Ali, Wathiq und Wamidh zeigen in ihren Videos, ihrer Malerei und ihren Performances, wie sie die Situation in ihrer Heimat erleben. Ihr Blick ist der Blick aus dem Exil. Er erlaubt es ihnen, eine kritische Haltung einzunehmen, die gepaart ist mit der Hoffnung auf Rückkehr in ihr Heimatland. Die Auseinandersetzung der drei Künstler mit der Kriegsthematik ist dabei immer auch eine Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Medium.


Ali, Wathiq und Wamidh kennen sich seit ihrer Kindheit. Alle drei haben eine klassische Ausbildung an der Kunsthochschule von Bagdad genossen. Vor einigen Jahren entschlossen sie sich, dem Regime Saddams zu entfliehen und begaben sich auf eine Odyssee, die abenteuerreicher nicht sein könnte: Mit falschen Papieren und drei US-Dollars in der Hosentasche überquerten sie die Grenze nach Jordanien. Dort haben sie als "Kopisten" klassische, arabische Gemälde vervielfältigt und so genug Geld erworben, um in den Sudan und von dort mit einem Lastwagen durch die Sahara nach Lybien und schlussendlich in die Schweiz zu gelangen. Die drei Künstler haben sich nun im Atelier Urnamo zusammengeschlossen, wo sie ihre Ideen austauschen und ihre Kunst weiterentwickeln. "Unsere Lust, Kunst zu machen, kennt keine geografischen Grenzen", sagt Wamidh im Gespräch. Seit 2003 besucht er die Kunsthochschule in Bern. Ali und Wathiq haben die F+F Kunst- und Medienschule in Zürich absolviert.


Wathiq Al-Ameri präsentiert ein grossformatiges Ölgemälde. Ihn interessiert das Machtverhältnis von korrupter Obrigkeit, deren Gefolgsleute und dem Volk. Die Szenerie, die er ins Bild setzt ist unheimlich. Leute knien am Boden, vornüber gebeugt, in fetzenartige Kleider gehüllt oder ganz nackt. Die Menge der goyaesken Figuren ist in düsteren Farben gehalten und verliert sich am Horizont allmählich in abstrakten Farbstrichen. Mehrere Männer tragen einen Toten herbei, der aufgebahrt auf ihren Schultern lagert. Zu sehen sind lediglich seine Füsse und ein Teil seines Körpers, der Kopf bleibt uns verborgen. Die Gesichter, insbesondere dasjenige der stehenden Figur, sind allesamt unkenntlich, fratzenhaft. Wer die Täter und wer die Opfer sind bleibt ungewiss.


Das Gemälde will nicht anklagen, sondern darlegen. Das Thema ist der Mensch und was unter gegebenen Umständen aus ihm werden kann. Dennoch steht der Schauplatz fest, der fein ornamentierte Steinboden verweist auf ein arabisches Land. Watiqhs Gemälde spielt auf eindrückliche Weise auf die verworrenen politischen Verhältnisse in seinem Heimatland an, und wie der Künstler selber sagt: Solange das Volk, anstatt sich aufzulehnen, sich aufopfert, solange wird die Machtverteilung dieselbe bleiben.


© Wamid Al-Ameri

© Wamid Al-Ameri


Wamidh Al-Ameri präsentiert mehrere Werke. In einer Videoarbeit projiziert er das Bild auf den Boden. Zu sehen sind schwarze kleine Kugeln, die nach unten fallen, bis sie mit einen klirrenden Ton aufprallen. Die dunklen Punkte auf der weissen Projektionsfläche erinnern an Einschusslöcher oder in Kombination mit dem Ton gar an Bomben. Dadurch, dass der Fall der Kugeln in Zeitlupe abgespielt wird, erhält die Arbeit allerdings eine angenehme Schwerelosigkeit und lässt diese Assoziationen in den Hintergrund treten.In erster Linie interessieren den Künstler die Dynamik und die verschiedenen Stadien des Falls.


Eine andere Videoarbeit Wamidhs heisst "Schattenmann" und wird über einen Monitor abgespielt. Im Zentrum steht einer seiner Freunde aus Bagdad, den er einen Tag lang filmte. Doch die Bildfläche bleibt durch den Gebrauch mehrerer Filter meist schwarz. Nur ab und zu laufen die Bilder ungestört über den Bildschirm, und wir können für einen kurzen Moment am Geschehen teilnehmen. Die schwarze Fläche wird von Zeichnungen des Künstlers und Gedichtzeilen seines Freundes überlagert. Diese Mehrschichtigkeit lässt an Erinnerungen denken, die bruchstückartig auftauchen und sich mit Gehörtem und Gesagtem vermischen. "Schattenmann" ist das Porträt eines Freundes und gleichzeitig ein sehr persönlicher, collageartiger Kommentar des Künstlers über seine Beziehungen zu seinem Heimatland.


© Ali Al-Fatlawi

© Ali Al-Fatlawi


Ali Al-Fatlawi präsentiert einen Videofilm und nimmt uns mit auf eine Reise. Auf einem alten Autositz platziert, fahren wir mit ihm zurück in seine Heimat. Diese Rückkehr ist Traum, Projektion und Realität zugleich. Wir hören die Geräusche des Autos, hin und wieder Musik und nehmen teil an den Gedanken des Künstlers, die sich formen, während er seine Umgebung betrachtet. Ein Rauch am Horizont, ein Helikopter oder aber die Landschaft sind Ausgangspunkt für Überlegungen über das Leben und die Idee von Heimat.


Neben der Videoinstallation zeigt Ali seine neusten Bilder. Es sind Alltagszenen aus den Strassen von Bagdad. Speziell an den Bildern ist insbesondere ihre Machart. Ali benutzt Leinwände, die er zuvor mit Holzstücken versehen hat. Die Farbe trägt er gleichmässig auf die unterschiedlichen Materialien auf, was die Oberflächenstruktur ungewohnt lebendig werden lässt. Seine Bilder wirken dadurch noch stärker "von Hand" bearbeitet, was die Tatsache, dass Ali in seinen Werken seine persönlichen Eindrücke zum Thema "Leben in der Stadt im Krieg" ins Bild setzt, zusätzlich unterstreicht.



Ausstellungsdauer 29.4. - 13.5.2006

Oeffnungszeiten Do-Fr 18 - 21 Uhr, Sa 14 - 17 Uhr


Galerie Plattformelf
Körnerstrasse 11
8004 Zürich
Email kontakt@plattformelf.ch

www.plattformelf.ch