© Bettina Disler

Bettina Disler: behind the curtain, 2005
Videostill


Bettina Disler und Cornelia Heusser
Videoarbeiten



Vom 20. Januar 2006 bis 4. Februar 2006 findet im Theaterhaus Gessnerallee das Festival experimenteller Formen "Gedankensprünge" statt. Plattformelf präsentiert dabei speziell für das Festival geschaffene Videoarbeiten von Bettina Disler und Cornelia Heusser.


Bettina Dislers Arbeiten versetzen uns in eine fremde Welt, eine Welt die gleichzeitig fantastisch und verträumt, bedrohlich und unergründlich ist, eine Welt, in der geheime Wünsche und insbesondere Ängste bildliche Gestalt annehmen.


In Dislers neuester Arbeit "behind the curtain" folgen wir ihr auf der Fahrt durch die Gefühlswelt eines kleinen Mädchens. Sie beginnt in einem gespenstigen, albtraumhaften Theatersaal. Am Ende des Raumes hängt ein Vorhang, worauf wir den Schattenwurf eines Mannes erkennen können. In der einen Hand hält der Mann eine Schere, in der anderen einen Haarzopf. Ein kleines Mädchen hält sich die Augen verdeckt und zeigt mit ihrem Finger, über die vielen kahlgeschorenen Köpfe des Publikums hinweg auf die unheimliche Szene. Die Angstvorstellungen, die sich bei ihr einstellen, werden in den folgenden Bildsequenzen visualisiert: Frauengestalten, die wie Zypressen aussehen, stehen stumm in der Schneelandschaft. Ihre Haare reichen bis zum Boden und geben ihnen Schutz und Geborgenheit. Gestört wird diese vermeintliche Idylle von phallisch in die Höhe ragenden Türmen am Horizont. Sie symbolisieren Macht und Bedrohung und sind doch nichts als Attrappen. Kulissenhaft, von einem leicht zur Seite geklappten Kartonarm gestützt, stehen die falschen Türme in der Landschaft und erinnern uns an die projektive Natur der Geschichte. Hinter jedem Turm liegt eine Glaskugel versteckt, die sich plötzlich in Bewegung versetzt. Sie alle umschliessen in ihrem Innern die abgesägten Wurzeln der Bäume. Die fragilen, mysteriösen Kugeln rollen weiter und weiter, dem Mädchen direkt in den Schoss und führen uns schliesslich aus dem bösartigen Traum heraus.


Gekonnt spielt Bettina Disler mit den verschiedenen Realitätsebenen. Bei der Verdinglichung und Personifizierung von seelischen Zuständen greift sie verschiedentlich auf Bilder aus der Märchenwelt zurück. So erinnern der abgeschnittene Zopf und die Türme an Rapunzel. Das Haareabschneiden als Grenzüberschreitung, als Machtdemonstration lässt sowohl Rapunzel als auch das Mädchen in "behind the curtain" ihre kindliche Unschuld verlieren. Die Referenz an das Sterntalermädchen in der Schlussszene wirkt auf den ersten Blick versöhnlicher. Doch auch hier wird die Idylle gestört, denn es handelt sich nicht um Sterne, sondern um Glaskugeln, die abgehackte Wurzelteile umschliessen. "behind the curtain" ist eine fein gewobenene Arbeit aus Videoaufnahmen und computergenerierten Bildern. Sie handelt vom Unsichtbaren, davon, was hinter dem Offensichtlichen verborgen ist, und ruft mit symbolbeladenen, ausdrucksstarken Bildern Gefühle und Ängste in uns allen wach.


© Cornelia Heusser

Cornelia Heusser: Freier Fall (Der Schirm), 2005


Cornelia Heussers künstlerische Arbeit setzt sich mit Zeitlichkeit auseinander, in der Beziehung des Selbst zu mental und physisch erlebbaren Welten. Die Künstlerin arbeitet mit 3D-Animationen, bildet uns bekannte Objekte und Räume virtuell nach und manipuliert die Situation, indem sie Statisches durch Bewegung bricht. Sie stellt virtuell Generiertes zurück in den realen Raum, kombiniert es oftmals mit Objekten aus realen Materialien und hinterfragt so unsere gewohnte Sichtweise auf die Dinge.


Ihre aktuelle Arbeit "Freier Fall (Der Schirm)" zeigt eine Art Fallschirm, der sich in der Fassade des Theaterhauses Gessnerallee verfangen zu haben scheint. Die Fallschirmgurte sind leer, von einem Springer fehlt jede Spur: Wer ist mit dem Fallschirm gesprungen, was hat die Person dazu bewogen und was ist aus ihr geworden? Der Anblick dieser ungewohnten Szenerie regt zu Annahmen und Spekulationen an, die weder bestätigt noch aufgelöst werden können. Der Schirm an sich besteht aus zusammengeflickten blauen Stoffstreifen, die von Arbeitskleidern stammen, wie sie Arbeiter zum Schutz tragen. Diese suggerieren den Ausstieg aus unserer von Arbeit dominierten Gesellschaft. Der Sprung in die Freiheit gelingt mit einem Instrument aus eben dieser Welt. Als Arbeitskleider abgestreift, tragen sie den Aussteiger noch ein Stück und schützen vor der ungewissen Landung. In der Nacht scheint der Schirm noch auf halber Höhe über dem Areal zu gleiten. Unter dem Gurtzeug und den Fallschnüren wird auf dem Boden die Projektion eines virtuellen Fluges sichtbar. Dieser Schwebezustand verleiht Cornelia Heussers Arbeit eine besondere Tiefe. In unterschiedlichen Sequenzen nähern wir uns langsam dem Theaterhaus und werden somit in die Handlung des Fliegens miteinbezogen. Die Ränder des projizierten Bildes sind unscharf. Es öffnet sich ein Raum für eigene Erinnerungen.


Cornelia Heussers Arbeit "Freier Fall (Der Schirm)" will irritieren und anregen. Als senkrechter Akzent in der horizontal akzuentierten Gebäudeanlage der Gessnerallee ist er ein Blickfang. Durch seine Präsenz wird die Bedeutung der Umgebung in Frage gestellt. Gleichzeitig regt uns das mysteriöse Dasein des Fallschirmes dazu an, über die Welt und unseren Platz in ihr nachzudenken.


Ausstellungsdauer 21.1. - 4.2.2006

Oeffnungszeiten täglich ab 17 Uhr


Ausstellungsort
Theaterhaus Gessnerallee

Gessnerallee 8
8001 Zürich
Telefon 044 225 81 10
Fax 044 225 81 20
Email theaterhaus@gessnerallee.ch

www.gessnerallee.ch


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