© Mihael Milunovic

Mihael Milunovic: Flags for the New Millenium, 2004


Belgrad Art Inc.
Momente des Umbruchs

Marina Abramovic
, Mrdan Bajic, Braco Dimitrijevic, Mirjana Dordevic, Uros Duric, Elke Krystufek, Miodrag Krkobabic, kuda.org, Mihael Milunovic, Milorad Mladenovic, Mileta Prdoanovic, Milica Ruzicic, Skart group, Rasa Todosijevic, Milica Tomic, Zenit


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Die Ausstellung gibt Einblicke in zeitgenössische Kunstpositionen aus Belgrad, mit ihren Verbindungen zu Zagreb und Novi Sad, und erkundet ihre geschichtlichen Ursprünge und Vorbilder. Besonderes Interesse erfahren dabei nichtlineare Augenblicke des Umbruchs über einen längeren Zeitraum hinweg, und zwar von den zwanziger Jahren bis heute. In dieser Zeit war die zeitgenössische Kunstproduktion in Belgrad, die vor allem auf Eigeninitiativen von KünstlerInnen beruht, an einem engen internationalen Austausch beteiligt.


In "Belgrad Art Inc." sind die unterschiedlichen Ansätze, mittels derer Belgrader KünstlerInnen-Initiativen damals und heute Kontexte für die Kunst- und Theorieproduktion geschaffen haben, präsent. So werden Bezugsräume abgesteckt und ein Netz von Beziehungen sichtbar gemacht, durch das die individuelle Positionierung der KünstlerInnen auch in fremden und universalen Bezügen lesbar gemacht wird. "Belgrad Art Inc." stellt drei Gruppenprojekte und dreizehn individuelle Positionen (bzw. Kooperationen) vor.


Sowohl bei der historischen Künstlergruppe Zenit, als auch bei den Künstlern Mrdan Bajic, Milorad Mladenovic, Skart group und Mileta Prodanovic geht es auf unterschiedliche Weise um Urbanität und archaische Gegenstücke. Milorad Mladenovic arbeitet mit Aufnahmen von übermalten Graffitis aus dem Belgrader Stadtraum. Die einzelnen Fotos stellt er zu Sequenzen zusammen, die wiederum eigene Zeichenketten und Alphabete ergeben. Mileta Prodanovic ist mit Fotografien und Aquarellen in der Ausstellung vertreten. Die Fotografien zeigen immer wieder das Motiv eines Engels, das in Belgrad sehr präsent ist. Es handelt sich dabei um einen Ausschnitt aus einem Fresko im Mileseva Kloster, das in den letzten Jahren, in der Zeit der Renationalisierung und -religionisierung massiv im Stadtraum, in Zeitschriften, auf Logos und Produktverpackungen aufzutauchen begann, allerdings ohne Hinweis auf seinen Ursprung, lediglich zum Symbol reduziert. In den Aquarellen zitiert Prodanovic Stadtburgen historischer Gemälde und Fresken und kombiniert diese mit der heutigen Konsumkultur: er etikettiert sie mit Logos.


Skart group ist eine Künstlergruppe aus Belgrad, die das Thema Stadt sowohl in kleinen, grafisch elaborierten, Publikationen als auch in direkten Aktionen im Stadtraum diskutiert. Anlässlich der Ausstellung erscheint eine Druckschrift, die von einem Performer während der Eröffnung verteilt wird. Tito, Richard Burton und ein Belgrader Buchhändler spielen die Hauptrollen. In einer absurden Szene wird die momentane politische Orientierungslosigkeit in Serbien offenbart.


Mrdan Bajic erlangte in den letzten Jahren internationale Beachtung mit dem work in progress "Yugomuzej" (1998/2002). Das Projekt ist ein virtuelles Museum, unterirdisch des Slavia Platzes in Belgrad gedacht, in dem Reliquien der jugoslawischen Geschichte in einer räumlich-skulpturalen Gesamtlösung ausgestellt werden sollen. Die Arbeit wird in der Secession als Installation gezeigt, in die auch eine CD-Rom integriert ist. Sie ermöglicht einen virtuellen Rundgang durch das "Yugomuzej". Dieses Projekt verknüpft die Themen "Stadt" und "Denkmal" mit Aspekten von Ideologie und Geschichte.


Ähnliche Themen finden sich auch in den Arbeiten von Milica Tomic, Mihael Milunovic und Milica Ruzicic. Milica Tomics Arbeiten sind in den letzten Jahren international vielfach ausgestellt worden. In der Secession zeigt Tomic das Video "On Love Afterwards" (2003), das Interviews mit PartisanInnen, die während des Zweiten Weltkriegs im Volksbefreiungskampf aktiv waren, dokumentiert. Diese Arbeit über das Verhältnis von Geschichte und Gegenwart benennt direkt das politische System der damaligen Sozialistischen Republik Jugoslawien, deren Politik zwar nicht demokratisch, aber liberaler als die des übrigen sozialistischen Osteuropa war und insofern durchaus kritische, konzeptuelle Kunst gestattete, bzw. sogar förderte.


Mihael Milunovic ironisiert mit Fahnen, die an den Masten vor der Secession hängen, ideologische Zeichen, indem er Symbole in einer unüblichen und verstörenden Art kombiniert. Man erkennt Elemente bekannter Flaggen, aber sie repräsentieren kein System. Der Künstler versucht nicht nur zu dekonstruieren, wie politische Zeichen entstehen, sondern hinterfragt auch den rituellen und fetischistischen Kult, der speziell mit Fahnen verbunden ist.


"JK" (2003) von Milica Ruzicic ist eine lebensgrosse Skulptur, die eine "real existierende" Turbofolksängerin darstellt und als Ikone überhöht. Turbofolk, eine laute Kombination von Volksschlager und modernster Soundproduktion ist eine in Serbien sehr populäre Musikform, die die Belgrader Society-Medien seit den neunziger Jahren dominiert.


Auch Mirjana Dordevic untersucht in ihren installativen Arbeiten Phänomene öffentlicher Kommunikationsformen: "The SMS Archives" (2004) überträgt SMS-Nachrichten in ein anderes Medium und exponiert die privaten Mitteilungen als grossformatige Annoncen.


Das Thema Identität, das seit der zweiten Hälfte der neunziger Jahre in Belgrad das dominierende in der Kunst war, adressieren die Arbeiten von Uros Duric und Miodrag Krkobabic. Uros Duric affirmiert in dem Zyklus "Elkepop" künstlerische Strategien von Elke Krystufek: die Malerei zeigt sein Selbstportrait (auch in früheren Arbeiten nahm der Künstler verschiedene Rollen ein, u.a. Fussballer, VIP oder Kasimir Malevitch) in Kombination mit Textzitaten. Die Idee zum Projekt entstand in engem Austausch mit Elke Krystufek und wurde als Doppelpersonale erstmals 2003 im Salon des Museums für Gegenwartskunst, Belgrad, gezeigt.


"Necrospection" (2000) von Miodrag Krkobabic ist ein work in progress und besteht aus einer Reihe von Todesanzeigen, die, beginnend mit dem Jahr der Geburt des Künstlers, jedes weitere Lebensjahr als potenziell letztes dokumentieren.


Marina Abramovic, Rasa Todosijevic und Braco Dimitrijevic nehmen sowohl in der künstlerischen Praxis der siebziger Jahre als auch heute eine zentrale Position ein. Ihre Arbeiten zeugen von einem Verständnis künstlerischer Produktion als einen möglichen Austragungsort für gesellschaftliche Konflikte und von der Notwendigkeit, thematische Bezüge sowohl aktuell als auch in ihrer historischen Dimension zu denken.


Die drei Gruppenprojekte in der Ausstellung sind Zenit, das dadaistische Magazin aus den zwanziger Jahren, das in Zagreb und Belgrad erschien und das neue Text- und Grafikbeiträge von Malevitch, Marinetti, Tatlin, Archipenko, Loos, Kandinsky und Moholy-Nagy in Auftrag gab; die Ausstellung mit dem Titel "In Another Moment", von Braco und Nena Dimitrijevic 1971 mit den Künstlern Lawrence Wiener, Daniel Buren und Art & Language im damals neuen Belgrader Studentischen Zentrum (SKC) veranstaltet, das daraufhin zu einem international angesehenen und frequentierten Ausstellungsort wurde; und das kuda.org media center, das gegenwärtig in Novi Sad ein Programm von Lesungen und Präsentationen von KünstlerInnen, MedienaktivistInnen, TheoretikerInnen, WissenschaftlerInnen und ICT-ForscherInnen organisiert.


Einerseits stellen diese Projekte einen wichtigen Bezugspunkt für gegenwärtige und folgende Generationen dar, andererseits dienen sie als Paradigma, um das Klischee einer hermetisch abgeschlossenen Szene zu widerlegen. Indem die Ausstellung die KünstlerInnen präsentiert, bemüht sie sich, einer eindimensionalen, monopolisierenden Interpretation mit einer komplexeren und emanzipierteren Version zu begegnen, die das prädikative und iterative Schema institutioneller, linearer Kunstgeschichten neu erfasst.


KünstlerInnen im Belgrad der neunziger Jahre mussten in einer über Jahre "eingesperrten Gesellschaft" (closed society) eine Szene aufrechterhalten bzw. neu aufbauen, was durch finanzielle und strukturelle Ausgrenzung, Isolation, die Unmöglichkeit zu reisen etc. eingeschränkt worden war.


Mit dem Bestreben, die Positionen der zwanziger und siebziger Jahre zu integrieren und die internationale Zusammenarbeit und Vernetzung der KünstlerInnen in den Vordergrund zu stellen, will die Ausstellung der closed society Momente des Umbruchs entgegenstellen. Gleichzeitig bemüht sich diese Herangehensweise um Perspektiven jenseits einer ethnizistischen Lesart.


Kuratiert von Stevan Vukovic in Zusammenarbeit mit Marko Lulic.


Die Ausstellung wird unterstützt von: KulturKontakt, Die2 Werbedesign, Jat Airways, Mc Shark.


Ausstellungsdauer: 2.7. - 5.9.2004
Oeffnungszeiten: Di-So 10 - 18 Uhr, Do 10 - 20 Uhr


Wiener Secession (Hauptraum)
Vereinigung bildender KünstlerInnen
Friedrichstrasse 12
A-1010 Wien
Telefon +43 1 587 53 07
Fax +43 1 587 53 07 34
Email office@secession.at

www.secession.at





Belgrad Art Inc.
Moments of Change

Marina Abramovic
, Mrdan Bajic, Braco Dimitrijevic, Mirjana Dordevic, Uros Duric, Elke Krystufek, Miodrag Krkobabic, kuda.org, Mihael Milunovic, Milorad Mladenovic, Mileta Prdoanovic, Milica Ruzicic, Skart group, Rasa Todosijevic, Milica Tomic, Zenit


The exhibition introduces Belgrade's contemporary art positions, with their links to Zagreb and Novi Sad, and explores their historical origins and role models. The concept of the show deals with non-linear moments of upheaval over a broad period of time from the 1920s to the present, in which contemporary art production in Belgrade, due mainly to artist-led initiatives, was involved in a close international exchange.


The exhibition deals with the approaches local artist initiatives were and are using to create contexts of art and theory production. By framing fields of reference and establishing networks, their individual positions in the art world also become graspable on a greater scale. Three group projects and thirteen individual positions (cooperations) are presented in Belgrade Art Inc.


The historical artist group Zenit, as well as the artists Mrdan Bajic, Milorad Mladenovic, Skart group, and Mileta Prodanovic, all deal with urbanity and archaic counterparts in different ways. Milorad Mladenovic works with photographs of painted-over graffiti in Belgrade's urban space. He arranges individual photos in sequences, producing new alphabets and sign sequences. Mileta Prodanovic is present in the exhibition with photographs and water colors. In his photographs, the motif of an angel repeats itself. This angel is a specific detail from a fresco in Mileseva, a monastery in Serbia, but it appears without context, reduced to a symbol. The popularity of this image in recent years is caused by an era of renewed nationalization and religiousness and has been massively present in public spaces, magazines, logos, and product packaging. In his watercolors, Prodanovic cites historical paintings and frescoes by shifting urban castles usually found in the background to the center of the image. At the same time he links them to today's consumer culture by labeling them with logos.


Skart group is an artist group from Belgrade that discusses the theme of city in both small, elaborate graphic publications as well as in direct actions in urban space. For the exhibition they published a pamphlet that will be handed out by a performer during the opening. Tito, Richard Burton, and a bookseller from Belgrade play the main roles in an absurd scene that cynically reveals the current political confusion in Serbia.


Mrdan Bajic has achieved international recognition in recent years through his work in progress "Yugomuzej" (1998/2002). The project is a virtual museum, located beneath Slavia square in Belgrade. The museum exhibits relicts from Yugoslavian history in a spatial-sculptural comprehensive style. The work is shown as an installation in the Secession. An integrated CD-Rom enables a virtual tour through the "Yugomuzej". This project links the themes "city" and "memorial" to aspects of ideology and history.


Similar themes can be found in the pieces by Milica Tomic, Mihael Milunovic, and Milica Ruzicic. Milica Tomic's work has been widely exhibited internationally in recent years. In the Secession, Tomic shows the video "On Love Afterwards" (2003), which documents interviews with partisans who were active in the National Liberation War during World War II. This work is about the relationship of past and the present and directly refers to the political system of the former Socialist Republic of Yugoslavia, where politics were not democratic, but more liberal than in the rest of socialist Eastern Europe, allowing or sometimes even supporting critical, conceptual art.


Mihael Milunovic plays with the irony of political symbols in his project "Flags for the New Millenium" (2004). The flags, hoisted in front of the Secession, combine symbols in an unusual and disturbing way that makes it possible to recognize elements of well known flags - but do not represent any system. The artist not only attempts to deconstruct the establishment of political symbols but also to question the rituals and fetish tied to flags.


"JK" (2003) by Milica Ruzicic is a life-size sculpture, which presents a "real" Turbofolk singer exaggerated into an icon. Turbofolk, a loud combination of popular folk songs and contemporary sound production is a very popular form of music, which has been dominating Belgrade's entertainment media since the 1990s.


Mirjana Dordevic also investigates phenomena of public communication forms in her installations. "The SMS Archives" (2004) sets SMS messages into a different media and draws attention to them as large-format announcements.


The theme of identity, which has certainly been dominant in Belgrade's art since the latter half of the 1990s, is addressed in works by Uros Duric and Miodrag Krkobabic. In the series "Elkepop", Uros Duric affirms the artistic strategies of Elke Krystufek: the paintings are self-portraits (in earlier works, the artist has taken on a variety of roles such as soccer player, VIP, and Kasimir Malevitch) combined with text quotations. The idea for the project arose in an intense exchange with Krystufek and was first shown as a double solo exhibition in 2003 in the salon of the Museum for Contemporary Art in Belgrade.


"Necrospection" (2000) by Miodrag Krkobabic is a work-in-progress and comprises a series of obituaries which, beginning with the artist's year of birth, document every succeeding year as the potential final one.


Marina Abramovic, Rasa Todosijevic, and Braco Dimitrijevic have taken up central positions in the artistic practice since the 1970s. They consider artistic production a platform for the reflection of social conflicts and find it necessary to keep the contents of their work embedded in current and historic contexts.


The group projects include Zenit, a Dadaist movement and magazine from the 1920's based in Zagreb and later Belgrade, which commissioned original textual and graphic contributions by Malevitch, Marinetti, Tatlin, Archipenko, Loos, Kandinsky, Moholy-Nagy; the exhibition entitled "In Another Moment", initiated by Braco and Nena Dimitrijevic in 1971, with invited artists including Lawrence Wiener, Daniel Buren and Art & Language, at the then new Belgrade Student Center (SKC) - the Center would subsequently become an internationally renowned and highly frequented exhibition site; and the Kuda.org media center, presently active in Novi Sad, running a programme of lectures and presentations by artists, media activists, theorists, scientists, and ICT researchers.


On one hand they are an important reference for the present and subsequent generations, and on the other hand they serve as a paradigm for the rejection of the cliché of entirely hermetic scenes. By presenting them, the exhibition attempts to counter a one-dimensional, monopolizing interpretation with a more complex and emancipated version, which abandons the predicative and iterative scheme of institutional linear histories of art.


In the 1990s, artists living and working in Belgrade had to keep up and rebuild the art scene in a closed society that forced them to deal with financial and structural exclusion, isolation, limited traveling and other restrictions.


Curated by Stevan Vukovic in contribution of Marko Lulic.


The exhibition is supported by: KulturKontakt, Die2 Werbedesign, Jat Airways, Mc Shark.


July 2 - September 5, 2004