© Cris Faria & Lukas Mettler

© Cris Faria & Lukas Mettler


BLOCK 2008
Ein Jahr, 366 Bilder, 12 FotografInnen

Stefan Burger
, Victor de Castro, Cris Faria & Lukas Mettler, Stéphanie Gygax, Andrea Heller, Tom Huber, Sophie Huguenot, Petra Elena Köhle & Nicolas Vermot Petit-Outhenin, Taiyo Onorato & Nico Krebs, Cora Piantoni, Guadalupe Ruiz, Christian Vetter


Ein Jahr, 366 Bilder, 12 Fotografinnen und Fotografen. Der Kalender "BLOCK 2008" überrascht mit einer überwältigenden Anzahl von Bildern, die anregen und gleichzeitig überfordern. BLOCK ist als Gebrauchsgegenstand gedacht. Die Bilder des auf drei Seiten verklebten Kalenders werden täglich abgerissen, sie können aufbewahrt oder im Altpapier entsorgt, mit Notizen versehen oder weiterverschenkt werden.


BLOCK präsentiert eine junge Generation von Fotografinnen und Fotografen, deren Bilder Geschichten erzählen, die auf Reisen oder aus dem Alltag konzentrierte Momente von Intimität, Konfrontation, Witz und Begierde festhalten oder in laborartigen Untersuchungen und Inszenierungen Alltagsmechanismen und fotografische Prozesse reflektieren. Zwölf Fotografinnen und Fotografen wurden eingeladen für BLOCK Bildserien zu schaffen. Die für die Publikation entwickelten Konzepte und Ideen wurden im Zeitraum von Winter 2006 bis Sommer 2007 umgesetzt. Viele der entstandenen Beiträge reflektieren spielerisch das Format des Kalenders und das Medium Fotografie.


Petra Elena Köhle & Nicolas Vermot Petit-Outhenin kombinieren von den beiden Autoren gesammelte Archivfotos und in Textfragmenten zitierte Auszüge aus der (westlichen) Weltgeschichte. Die den entsprechenden Daten von mehr oder weniger bedeutenden historischen Ereignissen zugeordneten Bilder, verweben Fragen der Geschichtsschreibung mittels Fotografie und Text ebenso wie der persönlichen und kollektiven Erinnerung.


Stefan Burger fotografierte in seiner Serie "Helmut Newton 1920-2004", den Ort an dem in der Nacht vom 23. auf den 24. Januar 2004 der Fotograf Helmut Newton starb. Dazu war in den entsprechenden Agenturmeldungen zu lesen: "Nach Angaben einer Polizeisprecherin verlor der 83-Jährige gegen Mittag (Ortszeit) des 23. Januar die Kontrolle über sein Fahrzeug, als er den Parkplatz des Hotels Chateau Marmont am Sunset Boulevard verlassen wollte. Freunde äusserten die Vermutung, dass Newton einen Herzinfarkt am Steuer erlitten haben könnte. Augenzeugen berichteten, Newtons Auto habe plötzlich beschleunigt, die Marmont Lane überquert und sei dann auf der gegenüberliegenden Strassenseite in eine Wand gerast. Weitere Personen wurden nicht verletzt."


Wie die Markierung des Anfangs- und Endpunktes einer Fotografenkarriere in der im Titel aufgegriffenen Geburts- und Todeszahl des Fotografen Helmut Newton anklingen lässt, versuchen Stefan Burgers Bilder am Ort des Geschehens einem Stück Fotogeschichte mit obsessiver Konzentration auf das scheinbar belanglose Detail nachzuspüren. Dabei zeigen sie einen Ort, der mit seiner präsentablen Vorder- und heruntergekommenen Rückansicht und der Kombination von Gartenarchitektur, Hollywoodfilm-Werbung und Spuren von Obdachlosen schon zahlreiche Widersprüche in sich birgt.


Abwechslungsweise veränderten Taiyo Onorato & Nico Krebs zwei Figuren zu immer anderen Objekten und dokumentierten die jeweiligen Stadien der Transformation. Ähnlich der Starschnitte in Popmagazinen, nutzen sie die serielle Abfolge des Abreisskalenders: aus der Sammlung von Einzelbilder lässt sich ein grösseres Gesamtbild zusammensetzen.


Cora Piantonis Serie von Frauen und Autos lehnt sich an das Klischee-Kalenderbild par exellence, dem Pin-up vor flottem Auto, an. Anders als das "Vorbild" sieht sich Cora Piantonis Serie der dokumentarischen Sichtweise verpflichtet und vermag dadurch das Bildklischee nicht nur zu hinterfragen, sondern insbesondere auch mit diesem zu spielen. Die Frauen auf den Bildern fahren tatsächlich die Autos mit - und zumeist auf - denen sie fotografiert wurden.


Entsprechend der assoziativen, auf Spontaneität und Intimität beruhenden Anlage von BLOCK 2008 widmen sich Autoren wie Victor de Castro, Tom Huber und Andrea Heller einer essayistischen Fotografie die Momente aus dem Alltag greift und diese in jeweils sehr unterschiedlicher Ästhetik zu Bildersammlungen zusammenstellt. Entlang täglicher Erlebnisse und Bekanntschaften fotografiert Victor de Castro Stillleben und Porträts, denen immer das Unmittelbare innewohnt, während sich Tom Hubers lose Ansammlungen von Bildern vor allem durch eine schelmische Freude am Kitsch und der Natur auszeichnen.


Die Künstlerin Andrea Heller schenkt ihre Aufmerksamkeit einer beinahe zeichnerischen Sichtweise, in der die Abfolge von Formen und Strukturen, über Abfolgen von bisweilen sehr unterschiedlichen Bildstilen und Motiven zu einer ungewohnten Bildlektüre auffordert.


Ähnlich dem Cast einer imaginären Telenovela porträtiert Guadalupe Ruiz eine Auswahl von Mitgliedern der eigenen Familie in den Kulissen der Kolumbianischen Hauptstadt Bogota und schafft dabei Bilder die zwischen Inszenierung und Momentaufnahme oszillieren.


Für BLOCK 2008 kombinierte Stéphanie Gygax drei unabhängig voneinander entstandenen Bildserien. Alltägliche Bildmotive - Familie, Ferienorte, Büsche - erinnern insbesondere in den Schwarz-Weiss-Aufnahmen an Filmsequenzen.


In Verkleidung einer fiktiven Vater- beziehungsweise Sohnfigur aus dem amerikanischen mittleren Westen bereisen Cris Faria & Lukas Mettler für drei Tage in einem gemieteten Auto die Schweiz und lassen sich dabei fotografieren. Durch ihre Maskierung, die kaum mehr Gesichtsausdrücke erkennen lässt, wird ihre Serie neben der amüsanten Aufreihung mehr oder weniger bekannter Schweizer Touristenziele zu einer Parodie der Knipsfotografie an und für sich.


Einem anderen Aspekt von Alltäglichkeit haben sich Sophie Huguenot und Christian Vetter verschrieben. Die Fotografin Sophie Huguenot folgte für ihre Serie "L'actualité et son quotidien" einer Equipe von TV Reportern. In der Gegenüberstellung der Fotografien mit den Bildlegenden der entsprechenden Tagesaktualitäten gelingt es Sophie Huguenot einerseits die, wie sie selbst sagt, "Fabrikation" von Tagesaktualitäten zu befragen und gleichzeitig innerhalb der ewiggleichen Lokalmeldungen unerwartete Bilder zu finden. Das strikte Raster ihres Konzepts - mit einer Fachkamera an die vom lokalen Fernsehteam ausgesuchten Veranstaltungen und Pressekonferenzen zu gehen - verleitet sie dazu innerhalb enger technischer und inhaltlicher Vorgaben nach einer Verschiebung der Wahrnehmung banaler Lokalgeschehnisse zu suchen.


Christian Vetter, der Fotografien ursprünglich als Vorlagen für seine Gemälde produzierte, zeigt in BLOCK 2008 Bilder aus den zwei Serien "Space Oddity" und "Everytown". Christian Vetters Blick richtet sich nie auf das vermeintlich Spektakuläre, viel mehr gilt seine Aufmerksamkeit den stillen Sensationen scheinbar banaler Strassenecken, Hinterhöfe und urbanen Zwischenzonen, die er fast durchgehend in sehr reduzierten Farben oder Schwarz-Weiss festhält.


Die gleichzeitig mit der Kalenderpräsentation eröffnete Ausstellung gibt mit Bildern und Artefakten aller an BLOCK beteiligten Fotografinnen und Fotografen Einblick in deren Projekte, ohne das Geheimnis der in BLOCK enthaltenen Bilder zu lüften. Die in der Ausstellung gezeigten Werke können zu komplizen Preisen als Sondereditionen mit einer Ausgabe des Kalenders gekauft werden.


BLOCK konnte realisiert werden dank grosszügiger Unterstützung des Bundesamtes für Kultur, der Fachstelle Kultur Kanton Zürich, des Präsidialdepartements der Stadt Zürich, der Stiftung der Schweizerischen Landesausstellung 1939 und der Ernst Göhner Stiftung, Zug.


"BLOCK 2008 - Ein Jahr, 366 Bilder, 12 Fotografinnen und Fotografen". Herausgegeben von Andrea Thal und Georg Rutishauser. 369 Blatt, 366 Abbildungen, davon 313 in Farbe, 18 x 24 cm, Block, edition fink, 2007, ISBN 978-3-03746-110-5.


Ausstellungsdauer 17.10. - 3.11.2007

Öffnungszeiten Mi 18 - 22 Uhr (Bar), Do-Sa 14 - 18 Uhr
und nach Verabredung


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Telefon +41 (0)43 243 88 77
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