© Reto Boller

Reto Boller: silikon, acryl, aluminium, holz, 2007
90 x 110 x 4 cm


Reto Boller, Urs Frei, Patrick Rohner


Die Frage nach der Befindlichkeit von Malerei stellt sich in der jetzigen Ausstellung gerade drei mal, beantwortet wird sie aber ganz unterschiedlich. Die Gegenüberstellung der neuen Werke von Reto Boller, Urs Frei und Patrick Rohner beweist sich als besonders spannend und wird durch eine bewusste räumliche Aufteilung geprägt. Auf diese Weise kann sich der Betrachter voll und ganz auf die Bildsprache des einzelnen Künstlers konzentrieren, sich in die Arbeiten hineinzoomen und erst anschliessend wieder von einer weiteren Perspektive aus betrachten.


Das Spektrum von Reto Bollers (geboren 1966) Formensprache erstreckt sich von organisch floralen, bis hin zu geometrischen Formen - im Zentrum jedoch steht die Malerei an sich, die Boller in seinen Werken immer wieder neu hinterfragt. Eine zentrale Bedeutung nimmt dabei die Materialwahl ein, die von pastosem Silikon bis hin zu unbehandeltem Holz reicht. Bei der Abfolge der Materialwahl findet oft eine Umkehrung statt, d.h. nicht leichtes, verletzliches Material folgt auf schwereres, sondern oft gerade umgekehrt. Boller findet neue Werkstoffverbindungen, wie z.B. Papier als Bildträger von Metall. Die neuste Arbeit ist eine riesige Installation, die einem unendlich langen Spinnenbein ähnelt und sich über zwei Stühle erstreckt. Durch die Integration vorgefundener Gegenstände knüpft Boller an die Tradition des Ready-Mades an, signalisiert aber gleichzeitig eine neue Richtung, in der nicht nur abstrakte Elemente erlaubt sind.


Urs Frei (geboren 1958) nähert sich seinen Arbeiten von einem ganz anderen Standpunkt aus. Bei ihm steht nicht die strenge Konzeption im Vordergrund, sondern die malerische Geste. Mit breiten Pinseln entstehen Farbbahnen und Farbflächen, die sich manchmal so entfalten, dass sie plastisch werden und als objekthafte Körper im Bild stehen. Die Gesten scheinen einer eigenen Dynamik zu gehorchen, schweben im Bild oder verbinden sich mit dem Hintergrund. Neben grossformatigen Bildtafeln und Papierarbeiten hat Frei auch kleinere Leinwände geschaffen, die eine sehr beschwingte Farbigkeit haben. Als Betrachter scheint man zu spüren, wie enthusiastisch der Künstler diese Arbeiten schuf.


Der 1959 in Rothenturm SZ geborene Künstler Patrick Rohner lebt im Glarnerland. Er liebt die Berglandschaft, die hoch aufsteigenden Felsen und schroffen Grate und erkundet seinen Lebensraum in langen Wanderungen. Dieser biographische Bezug ist verführerisch und hat oft dazu beigetragen, dass sein künstlerisches Schaffen als "Analogie" zur alpinen Landschaft interpretiert worden ist. Und in der Tat hat Patrick Rohner die Strukturen der Felsen, die Oberflächen der Gletscher u. a. m. in zahlreichen Super-8-Filmen festgehalten, die neben vier grossformatigen Gemälden nun in der Ausstellung zu sehen sind.


In diesen Filmen eignet er sich die Landschaft visuell an, in langen Einstellungen studiert er ihre Strukturen, um diese als Grundlage für sein Werk zu benutzen. Dabei nähert er sich den Landschaftselementen in seinen Gemälden weniger in illustrativem Sinne, sondern in einer sehr viel grundlegenderen Art und Weise, indem er sich mit deren Tektonik, mit den Schichtungen und Verwerfungen des Gesteins beschäftigt und diese in eine autonome Bildsprache übersetzt.


Patrick Rohners Malerei zeichnet sich durch eine spezifische Physis aus, die sich aus dem Gewicht des Bildträgers und dem dichten Farbauftrag in pastosen Schichtungen und Überlagerungen ergibt. Sein Schaffen basiert auf der Schwere der Farbmaterie und ihren physischen Eigenschaften. Und zugleich ist sein Werk von einer analytischen Schärfe, wie sie in der aktuellen, oft schnelllebigen Kunst selten anzutreffen ist. Mit der Betonung der Bildoberfläche eng verbunden sind deren Strukturierung und der Prozess des Farbauftrages. Gerade in diesem Bereich hat der Künstler unterschiedlichste Möglichkeiten erprobt, welche die traditionelle Bewegung des Auftragens von Farbe grundsätzlich in Frage stellen bzw. neu bestimmen. Dabei nutzt Patrick Rohner sowohl additive wie subtraktive Verfahren. Neben dem Auf- und Abtragen von Farbe gehört dazu auch das Übertragen von noch nicht vollständig getrockneter Farbmaterie von einem Bild auf ein anderes. Neu ist der dadurch erzeugte Dialog zwischen den im Atelier nebeneinander entstehenden Werken, indem das eine Gemälde Farbschichten des andern aufnimmt bzw. eigene abgibt.


Bei diesem Prozess, den der Künstler minuziös dokumentiert, vertraut er den physikalischen Eigenschaften der Farbmaterie, ihrem Gewicht, ihrer Fähigkeit zu fliessen oder abzurutschen und insbesondere ihrem Potential der Haftung im noch nicht verfestigten Zustand. Das Gemälde gilt dann als vollendet, wenn dieser Prozess zum Stillstand gebracht ist. Und dennoch: trotz der Betonung des Prozessualen erlangen seine Werke eine ungeheure Differenziertheit in der Binnenstruktur und eine geheimnisvolle Leuchtkraft, die für sein Schaffen seit vielen Jahren charakteristisch ist. (Konrad Bitterli, Kunstmuseum St. Gallen)


Ausstellungsdauer 28.4. - 26.5.2007

Oeffnungszeiten Di-Fr 12-18 Uhr, Sa 11-16 Uhr
und nach Vereinbarung


Galerie Mark Müller
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