© Cathy Wilkes

Cathy Wilkes

Cathy Wilkes, 1966 in Belfast geboren, studierte an der Glasgow School of Art und an der Universität Ulster in Belfast. 1989 war sie Mitbegründerin der Women's Library in Glasgow; sie organisierte Ausstellungen und arbeitete im Künstlerkollektiv Elisabeth Go.

Cathy Wilkes Arbeiten sind vom Gedanken des Konstruktivismus getragen, wie er in den 20er Jahren geprägt wurde. Ihr Werk ist bestimmt von der Vorstellung einer neuen Lebensweise durch eine neue Betrachtungsweise: Die Welt der sichtbaren Objekte bietet keine Grundlage der sicheren Erkenntnis, sondern ist dem ständigen Wandel der subjektiven Perspektive unterworfen. Allein die Idee, die in der absoluten (mathematischen) Abstraktion ihren Ausdruck findet, ist unveränderliche Wahrheit.

In raumgreifenden Installationen voller unterschwelliger Anspielungen arrangiert Cathy Wilkes gefundene Objekte mit kleinformatigen Gemälden und feinen geometrischen Gebilden aus hölzernen Stäben. Eine abgewetzte Gartenliege, wackelige Klapptische, ein ausgedienter Heizkörper sind die Protagonisten dieser Szenenbilder. Eine Patina aus Staub, Kratzern und Rost überzieht das Mobiliar und impliziert die Geschichte seines Gebrauchs.

Einzelne Buchstaben oder mit feinen Bleistiftlinien gezeichnete Worte tauchen wie fragmentierte Fundstücke an verschiedenen Stellen auf. Stilisierte Augen, Haare, Ohren und ein Mund kleben auf rosa-weissem Untergrund. Darunter ist in zarten, ausgeblichenen Lettern der Schriftzug "Mr. So & So" zu lesen. Die gleichnamige Arbeit aus dem Jahr 2001 umschreibt die diffizile Beziehung zwischen Mann und Frau. Eine sentimentale Aura des Verflossenen, Vergessenen und heimlich Erträumten umgibt das Objekt.

Vom Verhältnis zwischen den Geschlechtern handelt auch Wilkes jüngster Komplex "Untiteled", 2002. Im Stile Duchamps sind rostige Heizkörper mit silbernen Tabletts aufgestellt. Ein geometrisches Gebilde aus Ebenholzstäben deutet die Silhouette eines Mannes mit einem schweren Penis an. Kleinformatige Ölgemälde beziehen sich auf die weibliche Seite. Eine Frauengestalt im frivol roten Röckchen oder Umrisse einer weiblichen Brust sind angedeutet. Die versteckten Hinweise auf ein unterschwelliges Geflecht von Beziehungen führen nicht zu einer sicheren Deutung sondern ins Zwielicht des Poetischen. Einen weiteren Aspekt eröffnet das Gemälde, das das Wort "Value" zeigt. Es verweist auf ein fast vergessenes Textbuch über das Ökonomieverständnis von Marx, eine Abhandlung über den Wert des Tausches und die Teilung der Arbeit, über die der Wert einer Person beziffert werden kann. Doch der Wert der Geschlechterbeziehung wird von Cathy Wilkes nicht näher definiert.

Ein zentraler Aspekt ihrer Arbeit ist das Portrait und die Infragestellung von Abbildungen der Realität. Welche Realität kann eine Installation abbilden, die aus einem Tablett und einer alten Matratze mit einem Holzkonstrukt, welches an eine darauf ruhende Person erinnert, besteht? Das Ensemble "Photographed by Dorothea L.", 2001, ist eine Hommage an die amerikanische Fotografin Dorothea Lang. Zur Zeit der grossen Depression wurde sie vom Federal Arts Program beauftragt, die "USA" fotografisch zu portraitieren. Zunächst als realistische, eindrucksvolle Portraits gefeiert, wurden ihre Arbeiten später kritisiert "Ikonen des realen Lebens" zu schaffen.

Cathy Wilkes sucht den Prozess der Objektivierung und der Kommunikation, indem sie ein Formenrepertoire verwendet, das die Kunst der 20er und 30er Jahre anklingen lässt. Amorphe Formen, vom Konstruktivismus angehauchte Abstraktionen und skulpturale Gebilde assoziieren Utopien und Träume von einer klassenlosen Gesellschaft, entziehen sich aber, wie ein dadaistisches Gedicht, jeder Deutung. Cathy Wilkes lüftet den Schleier nicht. Das Unaussprechliche bleibt unausgesprochen.

Wir danken dem British Council für die Unterstützung dieser Ausstellung.

Die Ausstellung wurde kuratiert durch Heike Munder

Das migros museum für gegenwartskunst ist eine Institution des Migros-Kulturprozents.


Ausstellungsdauer: 24.8.- 20.10.2002
Oeffnungszeiten: Di-Fr 12 - 18 Uhr, Sa/So 11 - 17 Uhr

migros museum für gegenwartskunst
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