© Christian Vetter

Sidney / Harry / John, 2006
Lithographietusche, Sepia und Gouache auf Papier,
je 40,5 x 28,5 cm
Geschenk des Künstlers an das Museum Langmatt, Stiftung Langmatt Sidney und Jenny Brown, Baden


Christian Vetter
Das Haus, die Familie



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Die vor einem Jahr begonnene Ausstellungsreihe "Sommergäste" im Museum Langmatt in Baden findet ihre Fortsetzung: Nach Michael Günzburger und Petra Ronner ist dieses Jahr Christian Vetter (geb. 1970) eingeladen worden, sich mit der Geschichte des ehemaligen Wohnhauses der Familie Sidney Brown und Jenny Brown-Sulzer und ihrer Sammlung über einen längeren Zeitraum zu beschäftigen. In eine zweite Phase seiner Auseinandersetzung mit der Badener Industriellenfamilie fliessen auch Erfahrungen aus dem wirtschaftlich boomenden China ein, da der Künstler zwischenzeitlich einen mehrmonatigen Atelier-Aufenthalt in Peking hatte.


Ausgehend von den reichen Beständen des Langmatt-Fotoarchivs lotet Christian Vetter in Gemälden, Zeichnungen und Installationen die vielschichtigen Beziehungen zwischen den einzelnen Familienmitgliedern aus, erkundet äussere und innere Räume.


Er versucht die Villa Langmatt als Ort eines reibungsvollen Wechsels zwischen öffentlicher Repräsentation und privaten Familienwerten zu begreifen. Für den Künstler verkörpert die "Langmatt" einen gescheiterten Versuch, das Glück zu finden: "Mit meinem distanzierten Blick von aussen wollte ich diese Brüche aufspüren. Dort, wo die Repräsentation dominiert, tut sich gleichzeitig ein enormer Abgrund auf. Man merkt an den Blicken, an den Gesten und an der Körperhaltung der Familienmitglieder, dass irgendetwas nicht wirklich so harmonisch ist, wie es sein sollte. Auf diese nicht sofort ersichtliche 'Bruchstelle' bin ich angesprungen."


Besonders fasziniert war Christian Vetter von Jenny Brown-Sulzer (1871-1968), Tochter des Seniorchefs der Firma Gebrüder Sulzer in Winterthur und Mutter von drei kinderlosen Söhnen, Sidney, John und Harry. Für den Künstler bildet Jenny Brown das Zentrum der Familie, wobei sie für ihn nichts Mütterliches ausstrahlt, sondern vielmehr wie ein Vakuum funktioniert: "Jenny Brown zieht aus einer gewissen Leere heraus die sie umgebenden Personen an." Die Diskrepanz zwischen Repräsentation und innerem Unbehagen ist vor allem beim jüngsten Sohn Harry Brown (1905-1972) spürbar, der schon als Kleinkind eine gequälte Körperhaltung einnimmt und auf zahlreichen Fotografien einen schmerzverzerrten Gesichtsausdruck zu haben scheint.


Für Christian Vetter sind die Browns die letzten Vertreter einer europäischen grossbürgerlichen Gesellschaftsschicht mit ihren spezifischen Wert- und Lebensvorstellungen: schon die Fotografien künden an, dass dieses Familienmodell ausgedient hat.


Die Ausstellung versteht sich gleichzeitig als Reflexion zur Rolle der Malerei: Für Christian Vetter kann es heute bei der Malerei nicht mehr um Virtuosität gehen, sondern "um eine möglichst direkte Umsetzung eines Sachverhalts". Im Laufe eines "Ökonomisierungs-Prozesses" ist der Künstler dazu gekommen, die Farben auf Schwarzweiss- und Brauntöne zu reduzieren. Bei zahlreichen Bildern und Zeichnungen fällt zudem auf, dass er in einem Bild unterschiedliche Realitätsebenen miteinander verknüpft. So sind bei einigen Bildern die Gesichter der Dargestellten verwischt und somit nicht mehr sofort identifizierbar: "Indem die Malerei im Unterschied zur Fotografie die Möglichkeit besitzt, gewisse Dinge bewusst zu vernachlässigen oder hervorzuheben, kann sie auf äusserst präzise Weise bestimmte inhaltliche Akzente und Gewichtungen setzen. Früher hat mich das Allgemeine viel mehr interessiert und somit war ich mit der Malerei auch viel näher bei der Fotografie. Inzwischen interessiert mich der persönliche Zugang zum Bild viel stärker."


Mit einer Installation im "Venezianerzimmer" hat Christian Vetter eine dreidimensionale Ergänzung zur Malerei geschaffen: Der Künstler sieht die Installation als "eingebauten Vakuumraum", der als Raum im Raum die Museumsbesucherinnen und -besucher erst an den Rand drängt, dann aber durch einen Zugang in sein schwarzes Inneres zieht. Der Innenraum der Installation ist labyrinthartig in verschiedene Bereiche unterteilt, die den ehemaligen Langmatt-Bewohnern gewidmet sind und ihren psychischen Raum materialisieren.


Dr. Rudolf Velhagen, Direktor


Zur Ausstellung erscheint ein Leporello mit einem Gespräch zwischen Christian Vetter und Rudolf Velhagen.


Christian Vetter, geboren 1970 in Zürich, lebt in Zürich. Januar bis Juni 2007 Atelieraufenthalt in Peking. Manor-Kunstpreis St. Gallen 2008. Im Herbst 2007 erscheint in der edition fink, Zürich, ein Künstlerbuch.



Ausstellungsdauer 23.9. - 18.11.2007

Öffnungszeiten Di-Fr 14 - 17 Uhr, Sa/So 11 - 17 Uhr


Museum Langmatt
Stiftung Langmatt Sidney und Jenny Brown
Römerstrasse 30
5400 Baden
Telefon +41 (0)56 222 58 42
Fax +41 (0)56 222 62 27
Email info@langmatt.ch

www.langmatt.ch
www.christianvetter.ch



Christian Vetter
The House, the Family


"The Summerguests", a new exhibition series in Museum Langmatt in Baden which began last year with Michael Günzburger and Petra Ronner, continues this year with Christian Vetter. The young contemporary artist was invited to delve into the history of the family and the home of Sidney Brown and Jenny Brown-Sulzer. Experiences gained during Vetter's recent studio residence in Beijing were integrated into the second phase of Vetter's artistic investigation of the industrial family from Baden.


Taking the photographs in the family archive as a starting point, Christian Vetter illuminates the space existing between the family members, inviting us into inner and outer chambers through his sensitive yet bold paintings and installation.


Vetter explores the Villa Langmatt as a place of friction between public representation and private family values. The "Langmatt" embodies the attempt to attain happiness: "With my view from a distance, I wanted to detect the rifts in the family relationships. There, where representation dominates, an enormous abyss opens up. When taking a close look at the facial expressions, gestures, and bodily carriage of the Brown family members, one notices that everything is not as harmonious as it ought to be. I focused on these not immediately apparent fracture points."


Christian Vetter was especially fascinated by Jenny Brown Sulzer (1871-1968), daughter of the CEO of the Sulzer Brothers Co. in Winterthur and mother of three childless sons, Sidney, John and Harry. In the artist's eyes, Jenny forms the centre of the family although she lacks a motherly radiance, but rather forms an emotional vacuum: "With her emptiness, Jenny Brown pulls the people in her surroundings toward her." The discrepancy between representation and inner unease is especially noticeable in images of the youngest son of the family, Harry Brown (1905-1972). Numerous photos document his tormented posture and facial expressions, even as a small child.


For Christian Vetter, the Browns embody the last representatives of the European upper middle-class society: the photos in the museum archive show that this family model has become passé.


The exhibition is also a reflection on the role of painting: for Christian Vetter, painting is no longer about virtuosity but rather is "a visual transfer of circumstances". Through an "economization process", the artist reduces colour to black, white and sepia tones. In many of his recent paintings and drawings one notices that different levels of reality are connected. In some portraits, faces are blurred and no longer identifiable. "In contrast to photography, painting can ignore or highlight details, set accents and emphases. My earlier work was closer to photography, the general interested me more than the specific. Now the personal approach to a painting is vital."


Christian Vetter created a three-dimensional complement to his paintings in the form of an installation in the "Venetian Room": the artist sees the work as a "built-in void" that forms an irritation by pushing the viewer to the side, then pulling him or her into its dark interior. The inner rooms are set up like a labyrinth, representing the inner psychological world of the Brown family members.


Dr. Rudolf Velhagen, Director


A leporello documenting a conversation between Chistian Vetter and Rudolf Velhagen accompanies the exhibition.


Christian Vetter was born in 1970 and lives in Zurich. Studio residence from January to June, 2007 in Beijing. Manor Art Prize exhibition in St. Gallen 2008. An artbook on his work will be published in Autumn of 2007 by edition fink, Zurich.



Exhibition 23 September - 18 November 2006

Opening hours Tues-Fri 2 - 5 pm, Sat/Sun 11 am - 5 pm