© Kunsthalle Basel, 2005

HOLE, 2005
Installationsansicht
Aus der Ausstellung HOLE
Kunsthalle Basel, 2005
Photo: Stefan Meier
© Kunsthalle Basel, 2005


Christoph Büchel
HOLE



Click for English text


Die Werke von Christoph Büchel (*1966) verarbeiten aktuelle politische und gesellschaftliche Zustände. Der Raum, seine gesellschaftlichen Bedeutungen und Markierungen, seine Benutzer, sowie die Besitzverhältnisse, denen er unterworfen ist, sind zentrale Themen in Büchels Arbeiten. Seine massiven, aufwendigen Rauminstallationen nisten sich in den Kunstinstitutionen ein, dehnen sich räumlich aus und richten sich falls nötig auch gegen gängige Ausstellungskonventionen. Büchel richtet seine Räume präzise ein und stattet sie detailgetreu mit Indizien aus, so dass der Betrachter zum Voyeur und zum Fahnder in einem fiktiven Erzählraum wird. Büchel fordert vom Betrachter viel - sei es der Körpereinsatz beim Überwinden von räumlichen Hindernissen oder die aktive Teilnahme im Kopf. Die inszenierten Ausnahmezustände und chaotischen Strukturen sind höchst bedrohliche Bilder verschütteter Traumata der Zivilisation, die mehr Realität offenbaren, als auf den ersten Blick sichtbar wird.


So sind es Extremsituationen und die schlummernde Katastrophe unter der Oberfläche, die Büchel in den Raumszenarien wie "Close Quarters" oder "Private Territories" in Szene setzt: 2004 hat Büchel im Kunstverein Freiburg den Ausstellungsraum in eine Sporthalle verwandelt und mehrere kleine Zellen eingebaut. Diese hat er vollständig möbliert und ausgestattet, so dass es aussah, als ob Asylbewerber aus verschiedenen Ländern dort gewohnt und dann plötzlich den Ort verlassen hätten.


Unüberwindbare Konflikte von territorialen Besitzansprüchen, die bis in den intimsten Raum vordringen können, zeigte Büchel 2004 im Swiss Institute in New York. Eine undurchdringliche Mauer aus Schlackenbetonblöcken schnitt eine ganze Wohnung entzwei und trennte sie in Kompartimente und Parzellen für ihre beiden verstrittenen Bewohner. Die gegenseitige Abhängigkeit der beiden Parteien wurde anhand verschiedener Kontaktaufnahmen sichtbar. Diese fanden statt, um untereinander mit nicht mehr vorhandenen Ressourcen Handel zu treiben. Die beklemmende Raumsituation liess den Betrachter die Spannung zwischen Freiheit, Sicherheit und völliger Isolation und Lebensunfähigkeit durch die Teilung hautnah miterleben.


Büchel arbeitet nicht nur installativ, sondern realisiert auch konzeptuelle Projekte und Aktionen, welche aktuelle politische Konflikte aufnehmen: Das zusammen mit Gianni Motti ins Leben gerufene Projekt "Guantánamo Initiative" wirft Licht auf den Besitzanspruch der USA auf Guantánamo Bay in Kuba. Dort unterhält die USA ein Internierungslager für Terrorverdächtige vorwiegend islamischen Glaubens. Da die USA in diesem exterritorialen Raum ihre eigene Gesetzgebung nicht anwenden muss, kommt es zu diversen Verletzungen der Gefangenenrechte. Ausserdem verstossen die USA gegen den von ihnen selbst erzwungenen Mietvertrag mit Kuba, da das gemietete Land nicht für militärische Zwecke genutzt werden dürfte. Mit ihrer Initiative versuchen Büchel und Motti nun auf legalem Weg Guantánamo Bay vom Staat Kuba zu mieten: Die daraus resultierende Korrespondenz, sowie historisches Dokumentationsmaterial, wie etwa die Kopie des Mietvertrages zwischen Amerika und Kuba von 1901, präsentieren die Künstler in einem Transportcontainer an der diesjährigen Biennale in Venedig.


Im Oberlichtsaal der Kunsthalle Basel hat Christoph Büchel eine raumfüllende Installation mit dem Titel HOLE konzipiert, die den wunderschönen und erst kürzlich sorgfältig renovierten historischen Teil des Gebäudes in einen industriell aussehenden Sortierplatz und eine Werkstatt umfunktioniert. Die Installation wird nur durch den Lift vom Foyer aus betreten - das repräsentative Treppenhaus bleibt für die Dauer der Ausstellung geschlossen.


Neu wird der Besucher anstelle des Oberlichtsaals unter anderem ein Wartezimmer, die Praxis eines Psychotherapeuten ("Shrink Room") und ein grosses Zelt vorfinden. Diese Räume dienen dazu, verschiedene mentale Zustände zu repräsentieren. Der "Shrink Room" ist der Ort für seelische Aufarbeitungen: Hier soll die Vergangenheit noch mal aufleben und in der Analyse sollen unterdrückte psychische Inhalte hervorgeholt werden.


Im anschliessenden Zelt sind die Trümmer eines explodierten Reisebusses auf Tischen arrangiert und in Regalen gelagert, was an eine Mehrzweckhalle für Polizei-Untersuchungen erinnert. Der Prozess, Ordnung in das Desaster zu bringen, ist angedeutet: Nach Vorbild von 2D- und 3D-Modellen befinden sich die zum Teil bis zur Unkenntlichkeit verformten Einzelteile vorsortiert am Boden sowie montiert auf einem Stahlgerüst in Gestalt des Busses.


Ähnliche Rekonstruktionen finden bei jedem Flugzeugabsturz statt. Experten führen monatelange Untersuchungen durch; jedes Teil des zerstörten Objektes erhält dabei höchste Aufmerksamkeit, bis die Ursache für das Unglück gefunden ist. Den Hergang einer Katastrophe rational zu verstehen, kann der Angst entgegenwirken. Eine logische und wissenschaftliche Erklärung zu finden, ist eine der möglichen Strategien kollektiver Schicksalsbewältigung. Gleichzeitig ist die obsessive Untersuchung von Details ein Ausdruck für das Bestreben, die totale Kontrolle über unfassbare und gewalttätige Ereignisse wie Naturkatastrophen und terroristische Akte zu behalten und spiegelt einen gesellschaftlichen Zustand der Paranoia wieder.


Christoph Büchels Installation HOLE kann als eine Abfolge von Psychogrammen gesehen werden, die das Verlangen zeigen, die gesellschaftliche Ordnung in Zeiten der zunehmenden Unsicherheit zu erhalten.


Diese Ausstellung wird unterstützt von:
National Versicherung, Basel


Ausstellungsdauer 18.9.2005 - 1.1.2006 (verlängert)

Oeffnungszeiten Di/Mi/Fr 11 - 18 Uhr, Do 11 - 20.30 Uhr,
Sa/So 11 - 17 Uhr


Kunsthalle Basel
Steinenberg 7
4051 Basel
Telefon +41 61 206 99 00
Fax + 41 61 206 99 19
Email info@kunsthallebasel.ch

www.kunsthallebasel.ch





© Kunsthalle Basel, 2005

HOLE, 2005
Installation view
From the exhibition HOLE
Kunsthalle Basel, 2005
Photo: Stefan Meier
© Kunsthalle Basel, 2005


Christoph Büchel
HOLE



The work of Christoph Büchel (*1966) addresses the political and social conditions of today. The meanings and markings attached to certain places, their users, and the property relations they are subject to, constitute a central theme in Büchel's work. His huge, complex room installations nest in the art institutions, expand, and if necessary, also oppose traditional exhibition conventions. Büchel arranges his rooms precisely and equips them with detailed pieces of evidence, so that the viewer becomes a voyeur and investigator of a fictional, narrative space.


Büchel demands a lot of the viewer - be that physical involvement in overcoming the spatial obstacles, or active mental participation. Given that they reveal more reality than is evident at first sight, these staged states of emergency and chaotic structures constitute highly threatening images, which represent buried traumas of our civilisation.


In spatial scenarios such as "Close Quarters" or "Private Territories" Büchel conjures up extreme situations and catastrophes that slumber beneath the surface: In 2004 at Kunstverein Freiburg i.Br. (Germany), Büchel turned the main exhibition space into a gym and then built several tiny cell-like rooms on the floor, completely furnished and decorated to look as if the asylum seekers from different countries had been living there and then left suddenly.


At the Swiss Institute in New York in 2004, Büchel presented the intractable conflicts that arise from territorial aspirations and that can penetrate into even the most intimate space. A whole apartment was cut into two by an impenetrable wall made of slag concrete blocks, dividing the space into different compartments and cells for two inhabitants who were at loggerheads. The mutual dependence of the two parties was rendered visible by different approaches adapted by the inhabitants in order to trade one with the other at ever-decreasing resources. This oppressive situation enabled the viewer to tangibly experience the tension that exists between freedom and security on one hand, and total isolation and the inability to survive because of the division on the other hand.


Aside at installations. Büchel repeatedly carries out more conceptual projects and actions which deal with current political conflicts. His project with Gianni Motti entitled "Guantánamo Initiative" highlighted the USA's claim on Guantánamo Bay in Cuba. The USA maintains an internment camp there for terror suspects who are mainly Moslems. Given the fact that the USA is not obliged to apply its own laws in this extraterritorial space, various infringements of the prisoners' human rights are the result. On the other hand, the USA are also contravening the rental contract which they themselves forced on Cuba, because the rented land should not be used for military purposes. With their initiative, Büchel and Motti attempted to legally rent Guantánamo Bay from the state of Cuba. The resulting correspondence, plus documentary material, including a copy of the rental contract between America and Cuba dated 1901, were presented by the artists in a transport container at this year's Venice Biennial.


In the Oberlichtsaal of the Kunsthalle Basel, Christoph Büchel has created a room-filling installation entitled HOLE, which transformed the beautifully proportioned and recently meticulously restored historical part of the building into an industrial-looking sorting station and workshop. To enter the installation, visitors have to take the lift up from the foyer. The representative stairway will remain walled up for the duration of the exhibition. What the visitor finds in the place of the Oberlichtsaal is amongst others a waiting room, a psychotherapist's practice ("Shrink Room") and a large tent.


These spaces serve to represent various states of mind. The "Shrink Room" is a site of spiritual reprocessing. Here, the past is to be relived, and repressed psychological contents are to be uncovered in the course of the analysis. In the adjoining tent, the remnants of an exploded excursion bus are sorted on tables and shelves, in what seems to be a multipurpose hall for reconstruction of a police evidence. Using 2D and 3D models, the partly unrecognisable parts of the bus have been arranged on the ground or mounted on a steel frame built in the shape of the bus.


Similar reconstructions are undertaken after every aeroplane crash. Experts spend months investigating the wreckage; the closest attention is paid to each and every part of the destroyed object until the cause of the accident has been found. Rationally comprehending the course of a catastrophe counters the fear. Finding a logical and scientifically explanation is one of the possible strategies in the collective mastery of fate. At the same time the obsessive care for detail is an attempt of total control over incomprehensible and violent events, which break social order such as natural disasters and terrorist acts - and reflects a state of social paranoia.


Christoph Büchels installation HOLE can bee seen as sequence of psychograms illustrating the desire to retain social order in time of fast-growing insecurity.


This exhibition is supported by:
National Versicherung, Basel


Exhibition September 18, 2005 - January 1, 2006

Opening hours Tues/Wed/Fri 11 am - 6 pm,
Thu 11 am - 8.30 pm, Sat/Sun 11 am - 5 pm