Costa Vece: Installationsansicht Kunstmuseum Solothurn 2006

Installationsansicht Kunstmuseum Solothurn 2006


Costa Vece
Heaven can wait



Costa Vece (*1969, lebt und arbeitet in Berlin und Zürich) zeigt im Kunstmuseum Solothurn nach längerem Aufenthalt und zahlreichen Ausstellungen im Ausland eine neue Gross-Installation in einem Schweizer Museum. Seine Arbeiten stossen seit der 48. Biennale in Venedig 1999 auf zunehmendes nationales und internationales Interesse. Seit dem Beginn seiner künstlerischen Laufbahn verwendet er wertlose Materialien wie Warenkartons, Europaletten oder Ölfässer. In die meist begehbaren Installationen projiziert er atmosphärische Sequenzen aus bildstarken Filmen, die ihn faszinieren. Er kombiniert Bilder und Assoziationen, die die Widersprüche der globalisierten Welt visualisieren. Die Inszenierungen illustrieren Formeln der zeitgenössischen Befindlichkeit. Costa Vece baut Gegenräume von grosser Emotionalität und visueller Appellationskraft. Er schafft Parallelwelten voller Traurigkeit, Melancholie, Sehnsucht sowie auch Trotz und paraphrasiert so das Unbehagen in der Welt.


Seine neueste Installation im Kunstmuseum Solothurn handelt von Heimat und Identität, Moral und Tradition. Er kombiniert hierzu vielfältige Elemente und Symboliken auf unterschiedlichen Ebenen. Eine gedeckte Holz-Brücke, wie sie der Künstler aus seiner Kindheit im Appenzell kennt, führt durch drei Museumsräume zu einer cineastischen Szenerie in einer Alphütte. Brücken führen über Abgründe, reissende Flüsse oder tiefe Wasser zu fernen Ufern. Dies ist durchaus metaphorisch zu verstehen. In den schmalen, geheimnisvollen Brückengang wird man geradezu hinein gesogen. Im Innern wird das Material Holz zur Metapher der Enge und Depression.


Der düstere Gang zur Hütte wird gesäumt von "Kapellen", in denen aus Brot geschnitzte Fratzen und Moralsprüche zu sehen sind. Sie umreissen ein Leben, das durch gesellschaftliche Regeln, Tradition und Brauchtum geprägt ist. Solche Moraldiktate von Gesellschaft und Religion können Gefühle der Klaustrophobie und Ausweglosigkeit evozieren. In der Hütte ist ein Ausschnitt aus dem Film "Il Vangelo secondo Matteo" (1964) des Filmregisseurs Pier Paolo Pasolini (1922-75) in Endlosschleife auf die rohe Holzwand projiziert. Pasolini zeichnet Christus als humanen Revolutionär, der gegen soziale Ungerechtigkeit kämpft und dafür als Aussenseiter gekreuzigt wird.


Das Kreuz wiederholt sich im folgenden Raum in einer aus gebrauchten Kleidern zusammengesteckten Schweizer Fahne. Das nationale Symbol wird durch die Vermeidung der Symbolfarbe Rot zu einem Bild farbloser Schwermut. Sie steht als Sinnbild für den Antagonismus zwischen individueller Geschichte und nationalem Identifikationssymbol und für die Einordnung in ein gesellschaftliches System. Die Fahne hängt träge und schwer am knorrigen Baumstamm, ohne vom Wind je getragen zu werden. Die Proklamation des Eigenen, das "Flagge zeigen" gegenüber dem Fremden geht oftmals mit einer Konzentration auf eigene Wertvorstellungen einher. Diese können nicht nur für Fremde, sondern auch für die Menschen im eigenen Land beklemmend wirken. Der Titel "Heaven can wait" assoziiert die Vorstellung der Überwindung individueller Mühsal und gesellschaftlicher Gefechte, die vor einer Erlösung im Jenseits bestritten werden muss. Gleichzeitig schwingt im Titel jedoch auch ein gelassener Aufschub des Erlösungsversprechens und eine Konzentration auf das irdische Vergnügen mit. In dieser Wendung scheint nicht nur eine Hoffnung auf Befreiung und Emanzipation des Individuums, sondern auch eine gewisse Leichtigkeit auf.


Die Installation zeigt eine neuere, in der Schweiz bisher wenig gezeigte gesellschaftlich-politische Facette von Costa Veces Schaffen und weist gleichzeitig vielfältige Bezüge zum bisherigen Werk auf. Die Verführungskraft des Bildes und der Musik im Film und die Dramaturgie der Inszenierung tragen wesentlich zur atmosphärischen Intensität der Installation bei. Die Sogkraft ist räumlich und emotional angelegt und evoziert eine beklemmende Stimmung. Sie lenkt den Blick auf existentielle zeitgenössische Befindlichkeit. Damit wird die Arbeit zu einer Metapher mit gesellschaftskritischem Charakter.


Der Katalog mit dem Titel "Dark Days" versammelt Ausschnitte aus Costa Veces privatem Bildarchiv, das seine Arbeiten speist. Die gesammelten Fotos aus Zeitungen und dem Internet sowie Reproduktionen eigener und fremder Kunstwerke erlauben einen Einblick in den Bilderkosmos, der sein Werk prägt. Die Anordnung der Einzelbilder macht thematische und strukturelle Überlagerungen seines Denkens und Schaffens erkennbar. Sie ist Zeugnis seines kritischen Weltbildes und macht gleichzeitig sein grosses Interesse für Typologien und Metaphern sichtbar.


Sabine Rusterholz


Zur Ausstellung erscheint ein Katalog bei der edition fink Verlag für zeitgenössische Kunst, Zürich: Kunstmuseum Solothurn (Hrsg.): "Costa Vece. Dark Days", edition fink Verlag für zeitgenössische Kunst, Zürich 2006, mit Texten von Kathleen Bühler, Rayelle Niemann und Sabine Rusterholz, Broschur, s/w-Abb., 144 Seiten.


Ausstellungsdauer 27.5. - 6.8.2006

Oeffnungszeiten Di-Fr 11 - 17 Uhr, Sa/So 10 - 17 Uhr
Montag geschlossen


Kunstmuseum Solothurn
Werkhofstrasse 30
4500 Solothurn
Telefon 032 624 40 00
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