© Teun Voeten

Teun Voeten: "Women", Moldavische Frauen durch Frauenhandel in Balkanländern, 1999
(Schwarz/Weissbilder von Frauen im Nachtclub)


Crossing the Line
human trafficking



Chantal Akerman, Ad van Denderen, Marjoleine Boonstra, Jacqueline Salmon, Teun Voeten, Ingrid Simon, Piet den Blanken


Anlässlich des diesjährigen OSZE Vorsitzes (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) der Niederlande zeigt die Kunsthalle Wien in Kooperation mit dem Niederländischen Photoinstitut eine Ausstellung, die eines der gravierendsten Probleme der OSZE Mitgliedsstaaten zum Thema hat: illegale Migration, verbunden mit Menschenschmuggel und Menschenhandel. Die Öffentlichkeit erhält Informationen zu diesem Thema üblicherweise aus den Medien, wobei die gezeigten Bilder meist sehr spezielle Ereignisse dessen dokumentieren, was passiert ist.


In der Ausstellung "Crossing the Line" soll anhand von künstlerischen Arbeiten (Fotografie, Video, Installation) in erster Linie der Frage nachgegangen werden, warum etwas passiert. Die eingeladenen Künstler beschäftigen sich dabei auf unterschiedliche Art und Weise mit den Zusammenhängen von politischen, ethischen und ästhetischen Belangen, um Strukturen des "human trafficking" aufzuspüren. "Dokumentation" ist hierbei nur ein Aspekt von mehreren Möglichkeiten der künstlerischen Beschäftigung mit gesellschaftlich relevanten Themen. Mit Sicherheit aber trifft für die gezeigten Positionen die Definition von Kunst als "etwas der Produktion von Wissen Zweckdienlichem" zu, wie sie sinngemäss der Documenta 11 Leiter Okwui Enwezor formuliert hat.


Die Installation "From the Other Side" (2002) der belgischen Künstlerin Chantal Akerman besteht aus 18 Monitoren, auf denen verschiedene Phasen des Menschenschmuggels über die mexikanisch amerikanische Grenze zu sehen sind: Erzählungen über Herkunft und Motive der Migrationswilligen werden ebenso präsentiert wie Bilder der Menschen, die den Menschenschmuggel ermöglichen und jener, denen die Geschmuggelten während des Grenzübertritts ausgeliefert sind. Auf einem einzelnen Monitor zeigt die Künstlerin wie die Reise in den meisten Fällen endet: mit Festnahme und Deportation durch eine Grenzpatrouille. Farbe und Perspektive heben die verschiedenen Phasen der gefährlichen Reise voneinander ab. Akermans Installation ist sowohl Dokumentation als auch skulpturales Objekt, das den Betrachter dazu auffordert, an der Erfahrung der in die Vorgänge verwickelten Menschen teilzuhaben.


Der niederländische Fotograf Ad van Denderen hat sich mit der Not vieler Männer und Frauen befasst, die im Lauf der letzten 16 Jahre nach Europa bzw. in den Schengenraum einwandern wollten. Nun zeigt er erstmals eine umfangreiche Auswahl seiner Arbeiten als zusammenhängende Serie unter dem Titel "GoNoGo". Er beschäftigt sich in der Installation mit dem "Alltag" moderner Formen der Sklaverei, denen sich Migranten oft ausgesetzt sehen, sobald sie ihr vermeintliches "Ziel" erreicht haben: ein Leben ohne Rechte, die ständige Angst, entdeckt zu werden, den Verlust jeglicher Privatsphäre.


Van Denderen stellt seine Arbeit gemeinsam mit der niederländischen Dokumentarfilmregisseurin und Fotografin Marjoleine Boonstra vor. Sie porträtiert eine Gruppe von Menschen, die von der französischen Küste aus Grossbritannien zu erreichen versuchten und im Rot Kreuz Lager in Sangatte interniert wurden.


Das Flüchtlingslager des Roten Kreuzes in Sangatte ist auch Gegenstand einer umfangreichen Farbfotoserie der französischen Künstlerin Jacqueline Salmon. Sie dokumentiert die Lebensumstände der Internierten, ohne die Betroffenen selbst abzubilden. Ihre grossformatigen Arbeiten zeigen den Versuch der Menschen, sich unter den gegebenen Verhältnissen einen persönlichen Freiraum zu schaffen.


Der niederländische Anthropologe und Fotograf Teun Voeten zeigt in seiner Serie von 10 Schwarzweissfotografien junge moldawische Frauen, die an Klubs und Bordelle auf dem Balkan verkauft wurden. Diese Frauen, die ihren elenden Lebensumständen zu entkommen versuchten, enden als moderne Sklavinnen in letztlich noch viel schlimmeren Verhältnissen.


Das Projekt "Present Continuous" von Ingrid Simon besteht aus Farbaufnahmen von Kleidungsstücken, die Menschen in ihrer Eile an der apulischen Küste zurückgelassen haben. Simon kombiniert die Bilder der zurückgelassenen Kleider und Schuhe mit Texten, die aus einem Sprachkurs zu stammen scheinen. Dem Chaos der Spuren die diese illegale Vorgänge hinterliessen, steht die Ordnung und Struktur zwischenmenschlicher Beziehungen gegenüber, die der Sprachkurs andeutet.


Piet den Blanken besuchte neuralgische Punkte an den Grenzen Europas – von Istanbul, über die griechischen Inseln bis zur spanischen Enklave Ceuta in Nordafrika. Seine Schwarzweissfotografien von nächtlichen Kontrollen der zerbrechlichen Boote, die das Mittelmeer zu überqueren versuchen, werden nachts vom "project space" aus in den Aussenraum projiziert.


Eine Ausstellung in Kooperation mit dem Niederländischen Fotomuseum und der Ständigen Vertretung des Königreichs der Niederlande bei der OSZE.


Mit freundlicher Unterstützung der Mondriaan Stichting, Amsterdam.


KuratorInnen: Miriam Bestebreurtje, Lucas Gehrmann


Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Texten u.a. von Jaap de Hoop Scheffer, Helga Konrad, Miriam Bestebreurtje und Fritz Gierstberg.


Ausstellungsdauer: 28.5. - 20.7.2003 (verlängert)
Oeffnungszeiten: täglich 13 - 19 Uhr


Kunsthalle Wien
project space
Karlsplatz
Treitlstrasse 2
A-1040 Wien
Infoline +43 1 521 89 33
E-Mail: office@kunsthallewien.at

www.kunsthallewien.at


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