© Daniel Robert Hunziker

Ohne Titel, 2002
Finkenweg 9a, Installation, Aargauer Kunsthaus
Halle Schönenwerd


Daniel Robert Hunziker
There's no other world out there... there's just this one



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Daniel Robert Hunziker (*1965 in Walenstadt, lebt und arbeitet in Zürich) hat sich in der Schweizer Kunstszene seit Mitte der 90er Jahre mit subtilen Raumeingriffen und architektonisch geprägten Installationen einen Namen gemacht. Das Kunsthaus Glarus präsentiert nun die bisher wichtigste Einzelausstellung von Daniel Robert Hunziker, für welche er zwei neue Installationen geschaffen hat.


Die Arbeiten Daniel Robert Hunzikers entstehen in der Auseinandersetzung mit Raum und architektonischen Strukturen. Mit geschärftem Blick streift er durch urbane und periphere Gebiete, auf der Suche nach dem Alltäglichen und doch Ungewohnten. Seine Aufmerksamkeit gilt dabei nicht den historisch wichtigen, von Architekten signierten Bauten, sondern vielmehr den anonymen Zweckbauten, die nach den Grundsätzen des pragmatischen, ökonomischen Bauens entstanden sind. Oft sind es allerdings auch die unscheinbaren Details - seltsame, hybride, temporäre bauliche Eingriffe im öffentlichen Raum -, deren Zweck nicht zwingend erkennbar ist, die den Künstler am meisten interessieren. Was wir in unserem Alltag ausblenden, weil es uns zu unwichtig oder zu unästhetisch erscheint, schenkt Hunziker am meisten Beachtung. Exemplarisch dafür stehen die zwei Fotos, "Narbonner Nische" (I + II, 2004), welche für die Einladungskarte verwendet wurden. Darauf ist eine improvisierte Rampe zu sehen, die eingepfercht zwischen Kathedrale, historischem Gemäuer und provisorischer Bauverschalung ins Nichts führt.


Daniel Robert Hunzikers frühere Arbeiten waren meist präzise architektonische Eingriffe in einen bestehenden Raum, die sich des Vokabulars der Minimal Art bedienten. Trotz ihrer beeindruckenden Dimensionen waren gewisse Eingriffe so subtil, dass der Betrachter die architektonischen Elemente erst auf den zweiten Blick als Kunst identifizieren konnte. Als Beispiel dafür sei die bis ins letzte Detail exakte Duplizierung der Aussenwand einer Galerie genannt, die der Künstler im Innern reproduziert hatte ("Second", 1999). Seit einigen Jahren ist Hunzikers Arbeit - sowohl inhaltlich als auch formal - freier und auch erzählerischer geworden. Zwar bedient er sich auch heute noch der marktüblichen Industriematerialien (wie Pressspanplatten, Metallrohre, Maschendraht etc.) und modularen Systemen aus dem Baumarkt, verwendet diese jedoch "artfremder" als zuvor. Er schafft damit Objekte, die zeitweise nicht-funktionale Möbelobjekte oder Informationstafeln aus dem öffentlichen Raum evozieren oder transferiert Elemente "gefundener (Innen-) Architektur" in den Ausstellungsraum.


Im Kunsthaus Glarus präsentiert der Künstler im grossen Oberlichtsaal einen im Verhältnis 1:1 nachgebauten Hauseingang, dessen Original in der Stadt Zürich zu finden ist. Das Haus wurde in der Gründerzeit erbaut, in den 70er Jahren aber nach den damaligen Kriterien von "Zweckmässigkeit" und "Modernität" umgebaut. In dieser Eingangsituation mit Treppenhaus, die der Künstler aus seinem urbanen und architektonischen Kontext isoliert und als temporäres, architektonisches Fragment in den Kunstraum holt, treffen zwei sehr unterschiedliche Baustile aufeinander. Diese sprechen nicht nur eine ganz andere Formensprache, sondern beinhalten auch gegensätzliche Lebensgestaltungskonzepte. Der Hauseingang ist also unter anderem deshalb für den Künstler übersetzungswürdig, weil er aus der Verbindung der ursprünglichen, liebevollen Jugendstildetails und der pragmatisch kühlen Elementen der Spätmoderne (und somit einer zur reinen Zweckorientierung korrumpierten Moderne) resultiert. Der Innenausbau des Eingangs nimmt zudem den Dialog mit der Architektur des Kunsthaus Glarus auf, welches 1952 nach modernen Grundsätzen erbaut worden ist, aber doch gewisse Kompromisse bezüglich einer konventionellen Bautradition eingeht (siehe z.B. die verglasten Satteldächer). Atmosphärisch steht der von Leuzinger realisierte Bau zwischen den beiden Doktrinen, welche sich im Hauseingang manifestieren.


Geht die Arbeit im Oberlichtsaal von einer gefunden städtischen Alltagssituation aus, erschafft Daniel Robert Hunziker für den Seitenlichtsaal eine Landschaftsszenerie. Allerdings handelt es sich dabei um eine stark stilisierte Landschaft, deren aus dreieckigen Elementen strukturierte Fläche in ihrer Erscheinungsform an die "gerenderten" Oberflächen aus Computergrafiken erinnert. Die minimale Darstellungsform dessen, was in Form und Farbigkeit wohl am ehesten an Felswände oder Gestein erinnert, zeigt, dass Daniel Robert Hunzikers Interesse keinesfalls in einer realistischen Naturdarstellung liegen kann. "Natur" wird nur angedeutet und interessiert den Künstler an ihren Rändern, an ihrer Schnittstelle zur "Kultur"; also dort, wo Menschen beginnen in die Natur einzugreifen, sie zu massregeln, zu bändigen oder für sich selber nutzbar zu machen. Diese Schnittstelle wird hier von einer geschwungenen Balustrade und einem Maschendrahtzaun repräsentiert, welche unmissverständlich signalisieren, dass die bis zur Decke hinaufragende Berglandschaft selbst nicht betretbar ist. Der Seitenlichtsaal wird somit in drei Sektoren unterteilt: einen für den Betrachter betretbaren, einen sichtbaren, aber nicht betretbaren und einen unsichtbaren (oder besser: einen nur von aussen sichtbaren) Teil. Schaut man vom Volksgarten aus in den hinteren Teil des Saales, bekommt man die Rückseite der Szenerie zu sehen, welche - wie meist in Hunzikers Arbeiten - die Prinzipien der Konstruktion bewusst offen legt.


Neben den obengenannten zwei neuen Installationen werden Skulpturen und Objekte Daniel Robert Hunzikers aus den letzten Jahren gezeigt.


Ausstellungsdauer: 22.8. - 14.11.2004
Oeffnungszeiten: Di - Fr 14 - 18 Uhr, Sa/So 11 - 17 Uhr


Kunsthaus Glarus
Im Volksgarten
8750 Glarus
Telefon 055 640 25 35
Fax 055 640 25 19
Email office@kunsthausglarus.ch

www.kunsthausglarus.ch



Daniel Robert Hunziker
There's no other world out there... there's just this one


Daniel Robert Hunziker (born 1965 in Walenstadt, lives and works in Zurich) has made a name for himself in the Swiss art scene since the middle of the 1990's with subtle spatial interventions and architecturally inspired installations. The Glarus Art Museum now presents the most significant solo exhibition of Daniel Robert Hunziker so far, for which he has created two new installations.


Daniel Robert Hunziker creates his works in the interplay of space and architectural structures. With sharp eyes, he roams through urban and outlying areas, searching for everyday subjects that are nevertheless unusual. He doesn't focus his attention on historically important buildings designed by known architects, but rather on anonymous functional buildings developed according to the principles of pragmatic, economical design. Often, however, it is also the inconspicuous details -strange, hybrid, temporary constructions in public space -, the purpose of which is not necessarily discernible, that interest the artist the most. Whatever we blind ourselves to in everyday life, because it appears too unimportant or unaesthetic to us, Hunziker pays the most attention to. Serving as examples are the two photographs "Narbonner Nische" (I + II, 2004) that were used for the invitation card. They depict an improvised ramp -wedged in between a cathedral, historical walls, and temporary scaffolding -leading to nowhere.


Daniel Robert Hunziker's earlier works were usually precise architectural interventions in an existing space, using the vocabulary of Minimal Art. Despite their impressive dimensions, certain interventions were so subtle that the viewer could only identify the architectural elements as art at second glance. For example, the artist precisely duplicated the exterior wall of a gallery down to the most minute detail and reproduced it inside the gallery ("Second", 1999). In recent years, Hunziker's work -both substantively and formally -has become freer and also more narrative. He continues to use industrial materials available on the market (such as pressboards, metal pipes, wire netting, etc.) and modular systems used in construction, but he now "alienates" these more than before. He uses them to create objects that at times evoke non-functional furniture objects or information boards in public spaces, or he transfers elements of "found (interior) architecture" into the exhibition hall.


In the large top-lit hall of the Glarus Art Museum, the artist presents a 1:1 reconstruction of a house entrance, the original of which is located in the city of Zurich. The house was built during the Gründerzeit period of industrialization, but was then renovated in the 1970's according to the prevailing criteria of "function" and "modernity". In this entrance configuration with a staircase, which the artist has isolated from its urban and architectural context and brought into the exhibition space as a temporary architectural fragment, two very different building styles collide. Not only do they speak a very different language of forms, but they also contain contradictory lifestyle concepts. The artist found the house entrance worthy of transposition because it resulted from the conjunction of the original, lovingly crafted Jugendstil details and the pragmatically cool elements of the late modern era (and therefore the modern corrupted into pure functionality). The interior design of the entrance also engages in a dialogue with the architecture of the Glarus Art Museum, which was built in 1952 according to modern principles, but still accepts compromises with respect to conventional building traditions (e.g. the saddleback skylight roofs). In terms of atmosphere, the building designed by Leuzinger is situated between the two doctrines manifested in the house entrance.


While the work in the top-lit exhibition hall is rooted in a found urban everyday situation, Daniel Robert Hunziker creates a landscape scene for the side-lit hall. However, it is a strongly stylized landscape, whose surface structure is made up of triangular elements, creating an appearance reminiscent of "rendered" surfaces in computer graphics. This minimal representation of what appears most like rock face or stone in terms of form and color shows that Daniel Robert Hunziker's interest definitely does not lie in natural representation. "Nature" is only alluded to and interests the artist at its margins, at the interface with "culture"; i.e., where humans begin to intervene in nature, disciplining it and taming it, or using it for themselves. This interface is represented here by a curved balustrade and a wire netting fence, which unambiguously signal that the mountain landscape reaching up to the ceiling cannot itself be entered. The side-lit hall is thereby divided into three sectors: one accessible to the viewer, one visible but not accessible, and one invisible (or rather: one visible only from the outside). Looking from the Volksgarten park into the rear part of the hall, the viewer gets to see the back of the scene, which -like most of Hunziker's works -consciously reveals the principles of the construction.


In addition to these two new installations, sculptures and objects created by Daniel Robert Hunziker in recent years are exhibited.


August 22 - November 14, 2004