© Markus Weiss

Markus Weiss: "My dear, es könnte ebensogut Frühling sein", Selbstportrait mit Blume, 2003
Oil on canvas, 298 x 133 cm
Courtesy STAUB (g*fzk!), Zürich


das böse

Barbara Breitenfellner, Ursula Cyriax / Johanna Michel, Angela Dwyer, Mathilde ter Heijne, Susanne Kutter, Morten Schelde, Amelia Seymour, Martina Thalhofer, Sandra Vasquez de la Horra, Markus Weiss, Joerg Zboralski, Thomas Zipp


Das Feld des Bösen weitet sich vom persönlichen Mikrokosmos des Privaten aus über die Komplexität und Subtilität des Bösen im System bis in die Kriegs- und Terrorschauplätze der Gegenwart. Von dort lässt sich das Phänomen des Bösen zurückverfolgen durch die gesamte Geschichte der Menschheit bis hin zu den verschiedenen Theorien, Mythen und Geschichten, die sich um die Entstehung des Bösen ranken.


Das Ziel in den meisten Gesellschaften und Religionen ist die Bekämpfung bzw. die Überwindung des Bösen. Die bekannten Probleme entstehen vor allem durch die unterschiedlichen Definitionen desselben sowie den Einsatz von Gewalt im Namen des "Guten" - was in sich selbst ein Widerspruch ist.


In der Ausstellung "das böse" fokussieren internationale und nationale Künstlerinnen und Künstler verschiedene Facetten des Bösen in Form von Videos, Fotoarbeiten, Rauminstallationen, Malerei, Performance und Zeichnungen. Die Spannbreite reicht von künstlerischen Arbeiten, die sich sich mit der - häufig irritierenden - Faszination und der Ästhetisierung des Bösen befassen, bis zu Versuchen, die Subtilität des Bösen und die verschlungenen Wege, auf denen das Böse transportiert und immer wieder inszeniert und initiiert wird, in unserer hochkomplexen, vernetzten Gegenwart greifbar zu machen. In verschiedenen Arbeiten spiegeln sich visionäre Ansätze, die sich über die Annahme des Bösen als unabänderliche Tatsache hinwegheben und Bewusstsein jenseits der Dualität von "gut" und "böse" anvisieren.


In unserer virtuellen und medial durchstrukturierten Welt verschieben sich die Grenzen zwischen Realität und Fiktion und zwischen Information und Manipulation, was die Lokalisierung der Ursprungsquellen des Bösen sehr schwierig gestaltet. Über das "offensichtlich" Böse hinaus existieren subtile Formen des "Bösen" innerhalb unseres Systems. Sowohl über die Medien wie TV, Radio, Internet, Zeitungen, Zeitschriften, als auch durch Kinofilme, Comics und Computerspiele werden Aspekte des Bösen transportiert, aber auch dort "gemacht" und manipulativ für diverse Zwecke eingesetzt.


Das Zentrum des Bösen aber scheint in der menschlichen Psyche zu liegen und die Freiheit der individuellen Entscheidung markiert den Ausgangspunkt für das Böse generell. Die dieser Ausstellung zugrunde liegende These geht davon aus, dass der Raum, den das Böse im Selbst und von da aus global einnimmt, in erster Linie eine Frage des Bewusstseins und der daraus resultierenden Entscheidungen ist.


Das Selbstportrait "My dear, es könnte ebensogut Frühling sein" von Markus Weiss (*1963 Zürich, Schweiz) spielt mit der Ästhetisierung und Verherrlichung von Gewalt, wie sie in vielen Western, aber z. B. auch in Kultfilmen wie "Dead Man" von Jim Jarmusch zum Tragen kommt. Das Selbstportrait des Künstlers weckt Spekulationen: richtet Weiss die Waffe gegen eine potentielle Geliebte, einen "Eindringling" oder auf sein Double im Spiegel? Diese Arbeit untermauert die These der Ausstellung, die den Fokus auf die - latent oder bewusst - immer vorhandenen Wahlmöglichkeiten, etwas zu tun oder zu lassen, setzt. Dem "bewussten" Menschen wird die Fähigkeit unterstellt, dass er in der Lage sein könnte, durch Perspektivwechsel auch sein daraus resultierendes Verhalten zu ändern. Dieses Bild spielt mit der Frage, ob wir tatsächlich Opfer unbewusster Triebe und unerkannter Manipulationen sind oder ob wir sowohl unsere eigenen als auch die Handlungszwänge von "aussen" jederzeit erkennen und im Sinne des "Guten" verändern können. Wie die Landschaft im Hintergrund erscheint eine solche Sichtweise (erstmal) utopisch. Doch gerade Künstler haben sich immer wieder der gesellschaftlichen Verantwortung gestellt und in ihrer ganz eigenen Sprache Bewusstseinsprozesse in diese Richtung mitinitiiert.


Der zweiminutige Stummfilm "Lusty Lady Liberty - Last Journey to the Dark Side" / San Francisco, 2000 von Amelia Seymour (*1970, Stockton, California/USA) ist eine kurze Parabel über archaische Grundmuster und die erotische Faszination des Bösen. Die symbolische Verdichtung der Handlung und ihrer Protagonisten (Star Wars-Kultfigur Darth Vader, Lady Liberty und Princess Leah) verweist auf ein komplexes Gefüge in dem politische Zusammenhänge ebenso ins Spiel kommen wie Verweise auf die Verkultung des Bösen in der Filmindustrie.


Die Klauke-Schülerin Sandra Vasquez de la Horra (*1967 Vina del Mar, Chile) bezieht sich in ihrer mystischen Fotoarbeit auf das Problem der Vernichtung des Regenwaldes durch (in erster Linie) westliche Firmen, die mit Erlaubnis der Regierung in Brasilien Soja- und Rinderzucht betreiben. Viel länger als diese Firmen existiert der Glaube und die Kommunikation mit verschiedenen Naturgöttern, die den Elementen und Pflanzen und vor allen Dingen den Bäumen innewohnen. Seit jeher wurden Bäume als Altare benutzt - nicht nur in Brasilien, sondern auch in Irland und Japan. Indem man sich gegen diese wendet und ihren "Lebensraum" vernichtet, richtet man sich auch gegen die Naturkräfte.


Sandra Vasquez de la Horra verteidigt in ihrer Fotoarbeit einen gemalten symbolischen Baum - in Gestalt der Gottheit Chango - mit einem Schwertertanz. Shango ist einer der bekanntesten Orishas der Santeria. Er ist stolz, kraftvoll, gewalttätig und verführerisch. Er ist die Stimme des Volkes, der konkurrenzlose mutige Kämpfer. Er ist der Anführer, der keine Geduld hat für zeitraubende Diskussion. Er spricht nur einmal, dann folgen Taten.


Joerg Zboralski (*1967, Wattenscheid), "untersucht" in mehrteiligen, teilweise digital bearbeiteten Fotografien - aus denen er Raum- und Wandinstallationen arrangiert - die methodischen Verbindungen von Ufologie und Kunstproduktion. Ganz im Sinne des Polke-Bilderzyklus "Höhere Wesen befahlen..." erforscht und "beweist" Zboralski die Einflussnahme Ausserirdischer auf herausragende Künstlerpersönlichkeiten wie z. B. Joseph Beuys, Robert Smithson, David Bowie, Yves Klein oder Gordon Matta-Clark. Viele, der von Zboralski "identifizierten" Künstler waren Aussenseiter und Utopisten und haben sich aufgrund revolutionärer Ideen einerseits entgegen der gesellschaftlichen Norm positioniert und gleichzeitig enorme künstlerische Sprengkräfte und weitreichende Impulse an die nachfolgenden Künstlergenerationen weitergegeben. Indem sie teilweise vollkommen neue, bislang unerforschte Wege beschritten, eröffneten sie unbekannte Perspektiven und initiierten so neue Erfahrungsmöglichkeiten.


Unter den "Sternenbrüdern" lassen sich neben den o. g. auch Sun Ra, A Guy called Gerald oder Herbie Hancock erkennen. Zboralski präsentiert sie alle im Alter unter 35. Ausgesparte Kreisformen, denen Kornkreisformationen zugrunde liegen, überlagern die Portraits.


Mathilde ter Heijne (*1969 Strasburg, Frankreich) befasst sich in vielen ihrer Arbeiten mit dem selbst gewählten Tod als Opfer für ein höheres Ideal. In der Videoarbeit "Suicide Bomb" (2000) setzt ter Heinje eine Puppe als Double ein, die sich auf offener Strasse in die Luft sprengt, während ein Sprecher aus dem Off wissenschaftliche Texte über Selbstmord als Waffe des Terrorismus vorliest.


Eine Fotoarbeit aus der Serie "paradise lost" von Martina Thalhofer (*1964 Augsburg), die sich auf den Schöpfungsmythos bezieht, markiert den Beginn der Ausstellung.


Barbara Breitenfellner, Angela Dwyer, Susanne Kutter, Morten Schelde und Thomas Zipp werden neue, eigens für die Ausstellung entwickelte Rauminstallationen, Zeichnungen und Gemälde präsentieren. Das Künstlerduo Ursula Cyriax / Johanna Michel wird das Vernissagenpublikum mit einer Performance überraschen, bei der sie, wie auch bei früheren Arbeiten, die Besucher irritieren und vielleicht zum Nachdenken anregen werden.


Ausstellungsdauer: 17.11.2004 - 28.1.2005
Oeffnungszeiten: Di-Fr 14 - 19 Uhr


Guardini Galerie
Askanischer Platz 4
D-10963 Berlin
Telefon +49 030 217 358 - 14
Fax +49 030 217 358 - 99
Email guardini.berlin@t-online.de

www.guardini.de
www.likeyou.com/markusweiss