© Dennis Scholl

Dennis Scholl: Verhältnis, 2007
pencil on paper


Dennis Scholl
Für immer Faltung im Zimmer der Tränen

Veronica Brovall
Wurzel-Füllung


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Arndt & Partner freuen sich, zwei neue Einzelausstellungen in der Galerie 1th Floor, Zimmerstrasse 90-91 ankündigen zu können. Die schwedische Künstlerin Veronica Brovall zeigt die raumgreifende Installation "Wurzel-Füllung", zeitgleich präsentiert der junge Hamburger Künstler Dennis Scholl unter dem Titel "Für immer Faltung im Zimmer der Tränen" neue Zeichnungen.


Dennis Scholl unternimmt in seinen Zeichnungen und Aquarellen, Kurzfilmen und Objekten den Versuch, ein neues Zeichensystem zu erfinden. Was passiert, wenn die konventionelle Verbindung zwischen der Inhalts- und Ausdrucksebene eines Zeichens durchbrochen wird? Wenn bildliches Zeichen (Signifikant) und inhaltliche Bedeutung (Signifikat) nicht länger in gewohnter Weise aufeinander Bezug nehmen? Wenn Kombinationen von Bildzeichen sich quasi selbst generierend zueinander in Bezug setzten? Genau diesen Fragen geht Dennis Scholl mit seinen Arbeiten nach und häuft in seinen Zeichnungen eine Vielzahl von eigentlich bekannten Signifikanten an, deren aufgerufene Signifikate aber aufgrund der ungewöhnlichen Kombination nicht mehr eindeutig zugeordnet werden können.


In der Arbeit "Selbstportrait als Garten" (2007) ist so beispielsweise das Halbprofil einer Person zu sehen. Sie trägt ein weisses Hemd. Der Oberkörper ist leicht seitlich abgewendet, so dass dem Betrachter die rechte Körperseite zugewandt ist. Eine schwarze, schmale Krawatte ruht gerade über der Knopfleiste. Sie ist vollkommen unbewegt und bildet somit einen Gegenpol zu dem aufgeregt in Falten gelegten Hemd. Unterhalb der rechten Brust sticht ein schmaler, gerader Gegenstand, an dem eine Schnur befestigt ist, aus dem Hemd heraus. Die dargestellte Person selbst hält diese Schnur fest. Aus dem Hemdkragen ragen statt eines menschlichen Gesichtes exotische Orchideen heraus, die sich rankend in den Bildvordergrund schieben. Eines ist offensichtlich: Diese Arbeit läuft der herkömmlichen Vorstellung von einem Selbstportrait zuwider. Sämtliche Bezüge innerhalb der Zeichnung sind ihrer Bedeutung entfremdet. Dennis Scholl denkt in Bildern, die sich, wie er es selbst formulieren würde, an Abgründen zu einer Leere bewegen. Zeichen, die nichts mehr benennen ausser sich selbst.


Scholls derart konstruierte Bilder stammen aus den unterschiedlichsten Kontexten, die durch wiederholte "Faltungen und Umstülpungen in einen Raum überführt wurden, in dem sie blosse Behauptungen sind" (Dennis Scholl). Wie ein Puzzle, zusammengefügt aus den Teilen vieler verschiedener Puzzlespiele die auf seltsame Weise ein Ganzes ergeben, entstehen Bilder, die auf nichts Eindeutiges verweisen, keine zusammenhängende Geschichte erzählen.


Dabei sind sie keine düsteren Verweise auf ein inneres Seelenleben, kein tiefenpsychologisches Durcharbeiten von Erlebnissen, wie es etwa im Surrealismus geschah. Sie verweisen auf nichts als sich selbst, sie führen zu Irritationen und überlassen die Kombination mit ihrer Umgebung dem Betrachter.


© Veronica Brovall

Veronica Brovall: Wurzel-Füllung II, 2007
wood, toothpicks, barbecue sticks, wallpaper, glue, PVC pipes, adhesive tape, plastic foil, steel wire, and PVC foam


Veronica Brovall hingegen gestaltet Collagen und monumentale Installationen, die den Fragen der menschlichen Existenz und der Angst des menschlichen Lebens nachgehen. Aber ähnlich wie die Zeichnungen Dennis Scholls erweisen sich auch ihre Installationen als durchaus "tückisch": Einerseits von grosser formaler Klarheit, transparenter Einfachheit und beeindruckenden Ausmassen präsentieren diese doch andererseits Energiesysteme, die schwer zu ergründen sind und bizarr anmuten. Die figurativen oder narrativen Objekte als solche und die Verknüpfungen zwischen ihnen entziehen sich häufig der normalen, funktionalen Logik. Ein Tisch, an dem man nicht essen kann. Ein Sofa, aus dem Messerklingen ragen. Möbel, die nicht benutzbar sind: die Skulpturen werden auf ihre eigene Art und Weise zum Ausdruck dessen, was die Künstlerin in ihrer alltäglichen Umgebung wahrnimmt. Die Materialien, mit denen sie aufgewachsen ist, die Art, wie Menschen mit Fleisch und Nahrungsmitteln umgehen, ihr Konsumverhalten. Und nicht zuletzt die Art, wie Menschen sich auf die Natur beziehen, deren Teil sie sind.


Ebenso wichtig wie die jeweilige Form der Elemente ist jedoch auch ihre Materialität, das Gespür für Volumen, Gewicht und Massstab, das die Arbeiten charakterisiert. Veronica Brovall legt Wert auf Grösse. Sie zieht die Aufmerksamkeit des Betrachters durch die grosse Geste an. Doch schliesslich sind es die Details und die Textur, die ihre Werke zum Sprechen bringen und das Gestaltungsmuster des "aktiven Parts", das sich immer wieder in den Brovall Skulpturen finden lässt. Ein Konvergenzpunkt, an dem die Energie sich verdichtet oder kollidiert, und einen Gegenpart, der sich statischer oder reflektierend verhält. So erkennt man in "Rootfilling" (Wurzelfüllung), einem riesigen liegenden Baum, erst an seinem Wurzelende eine schwarze, menschliche Gestalt, die sich in das Wurzelwerk hineinkrallt, als wäre sie Teil des Baumriesen. Und als wäre dies nicht bereits Verwirrung genug, saugt die Figur an ihrem eigenen Zeh - so als wolle die Wurzel in menschlicher Gestalt Nahrung aus sich selbst ziehen, nachdem sie aus der nährenden Erde entwurzelt wurde. Und auch in der ausgestellten Arbeit "Wurzel-Füllung II" (2007) ist es wieder ein Baum - diesmal allerdings kleiner, aufrecht stehend und mit stachelig anmutenden Ästen. Und erneut ist seine Wurzel durchaus lebendig, ist nicht nur Wurzel sondern auch menschliche Gestalt. Leben unterhalb der Oberfläche.


Brovalls Arbeiten sind immer voller Energie, und dies verleiht ihrer Kunst eine grosse Kraft. Der Drang und Wille, Dinge auf ihre Art zu formulieren, ist überall greifbar. Nicht mit Worten, sondern visuell, physisch. Die Logik, die die Künstlerin anbietet, ist manchmal amüsant, manchmal grob und übertrieben, manchmal leicht und elegant. Kurzum: so vielfältig wie einzigartig.


1975 in Falun, Schweden geboren, absolvierte Veronice Brovall ihr Kunststudium an der Academy of Arts in Umeå, Sweden. Neben zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen war sie u.a. als Assistentin für Thomas Hirschhorn tätig. Veronica Brovall lebt und arbeitet seit 2003 in Berlin. Werke von ihr werden in diesem Jahr u.a. im Bildmuseet in Umeå, Schweden zu sehen sein.


Dennis Scholl, geboren 1980 in Hünfeld, studierte von 2002 bis 2006 an der Hamburger Hochschule für bildende Künste bei Prof. Franz Erhard Walther und Andreas Slominski. Er lebt und arbeitet in Hamburg. Bislang wurden seine Arbeiten u.a. in der Hamburger Kunsthalle (2005) und in der Kunsthalle Mannheim (2006) gezeigt.


Ausstellungsdauer 17.7. - 25.8.2007

Oeffnungszeiten Di-Sa 11 - 18 Uhr


Galerie Arndt & Partner
Zimmerstrasse 90-91
D-10117 Berlin
Telephone +49 (0)30 280 81 23
Fax +49 (0)30 283 37 38
Email berlin@arndt-partner.com

www.arndt-partner.com








Dennis Scholl
Für immer Faltung im Zimmer der Tränen

Veronica Brovall
Wurzel-Füllung


Arndt & Partner is pleased to present two solo shows at the Gallery 1th Floor. From 17 July through 25 August the space consuming work "Wurzelfüllung" by the Swedish artist Veronica Brovall and new drawings by the Hamburg-based artist Dennis Scholl will be on view.


In his drawings, watercolors, short films and objects Dennis Scholl attempts to invent a new system of signs, an artistic language free of fixed content. But what would happen if the conventional relationship between signified and signifier was severed? If visual sign and content or meaning no longer stood in familiar relationship to each other? If combinations of visual signs formed their own, autonomous connections to each other instead? This is the territory that the work of Dennis Scholl traverses. He accumulates a plethora of well known signifiers, then combines them in unfamiliar ways until the signifieds they supposedly invoke can no longer be clearly read.


For example, the drawing "Selbstportrait als Garten" (Self portrait as garden) (2007) depicts a male figure in half-profile. He is wearing a white shirt, his upper body turned slightly away from the viewer so that their eye is drawn to the right side of the body. A narrow black tie sits just above the button facing of the shirt. The figure is very still - a counterweight to the busy folds of the shirt. Under its right breast a small straight object with a cord attached to it protrudes from the shirt. The figure holds this cord. Instead of a human face, exotic orchids emerge from the shirt's collar, their tendrils proliferating into the foreground. One thing is certain: this work does not adhere to the conventions of a traditional portrait.


In her collages and monumental installations Veronica Brovall deals with existential questions of human life as well as a wide range of different kinds of fear. Yet, similarly to the drawings by Dennis Scholl, her works are characterised by ambivalence: On one hand very clear in form, transparent in their simplicity, and impressive in their size. On the other hand, they present energy systems that are difficult to fathom and look bizarre. The objects as such and the links between them frequently defy normal, functional logic. A table at which you cannot eat. A couch with knives protruding. Furniture that cannot be used. The sculptures simply reformulate what she perceives in her daily surroundings. The materials she grew up with, like rubber tires and cars. Or the way people deal with meat and nutrition, their consumer behavior. And last but not least: the way people relate to nature which they are part of. But just as important as the actual shape of these elements is the materiality, the sense of volume, weight and scale that characterize her work. Size matters for this artist. With broad gestures she draws the viewer's attention. Then the details, the texture cause the work to speak and that what the artist call the active part. A point of convergence in which the energy concentrates or conflicts, and a more static or reflective part. In "Rootfilling" (2006), a life-size lying tree, it is a black human shape which is hiding and clutching the roots underneath the tree, as if it were part of the root system. As the eye of the spectator gets used to the blackness, the figure's outline becomes clear: its arms are spread, sideways and upwards, one leg is lifted. The figure is sucking its toe. An absurd image. As if this human-shaped root were trying to suck nourishment from itself now the link with the nurturing earth has been severed.


And in the exhibited work "Rootfilling II" it is a tree again: small and upright, it has no leaves but is dry and prickly. But again the roots are alive; that is the active part. Underneath is where life can be found.


Brovall's work is always full of energy, which makes her art powerful. The urge and will to formulate things on her own terms is tangibly present. Not with words but visually, physically. Sometimes the logic the artist offers is funny, sometimes harsh, exaggerated and in other instances elegant and light. In short: different.


Born 1975 in Falun, Sweden, Veronice Brovall studied at the "Academy of Arts in Umeå", Sweden. Beside her participation in diverse solo show (recently in Sint-Lukas Galerie, Brussels) and group shows, she already gained numerous grants and scholarships. Since 2003 Veronica Brovall lives and works in Berlin.


Dennis Scholl, born 1980 in Hünfeld, Germany, studied from 2002 to 2006 at "Hamburger Hochschule für bildende Künste" (Prof. Franz Erhard Walther and Andreas Slominski). He works and lives in Hamburg. His works were included to group exhibitions e.g. at "Hamburger Kunsthalle" (2005) and "Kunsthalle Mannheim" (2006).


Exhibition 17 July - 25 August 2007

Gallery hours Tues-Sat 11 am - 6 pm