© Marjetica Potrc
Marjetica Potrc: "Travellers", 2001
aus der Serie City State


Designs für die wirkliche Welt

Azra Aksamija
, Marjetica Potrc, Florian Pumhösl, Krzysztof Wodiczko


Die Ausstellung versammelt exemplarisch Projekte von vier KünstlerInnen, die sich mit der Gestaltung unserer Lebenswelt auseinander setzen und sich besonders durch ihren interdisziplinären Zugang auszeichnen. Utopisches oder ökologisches Design, Design für die Dritte Welt, "Social Engineering", Stadtentwicklung, urbane Konfliktstellen und die Frage nach der Verantwortung der Kunst in einer "New Genre Public Art" werden in den jeweiligen Projekten in unterschiedlicher Weise thematisiert.

Die Entstehung und Analyse einer neuen städtischen Struktur steht im Mittelpunkt des Projektes von Azra Aksamija (österreichische Architektin, geb. 1976 in Bosnien). Der "Arizona Markt", 1997 von amerikanischen SFOR-Truppen in Bosnien gegründet, stellt mit seiner ethnisch gemischten Bevölkerung ein ideales Untersuchungsobjekt dar. Positiv bewertet Aksamija die Selbstregulierungskräfte der Bewohner innerhalb dieses Umschlagplatzes für Waren jeder Art. Die von der Künstlerin vorgeschlagenen Interventionen, eine "Provokateurstange" mit allen notwendigen Versorgungsanschlüssen für Strom, Wasser und Kanal sowie ein Platzhalter in Form eines Sportplatzes, werden für die Ausstellung prototypisch konstruiert. Eine Doppelvideoprojektion mit visuellen und akustischen Eindrücken vom Markt und ein Time-Table der historischen, politischen und sozialen Situation vervollständigen das Bild, das Aksamija vom Arizona Markt zeichnet.

Einen durchaus vergleichbaren Ansatz verfolgt Marjetica Potrc (geb. 1953 in Slowenien) mit der Rekonstruktion urbaner Strukturen von Vorstädten oder Slums vorwiegend der Dritten Welt. Die rund um "Core Units" – einfache Andockstellen für die Grundversorgung – entstandenen Gebäude, nimmt die Künstlerin auf und baut sie im Ausstellungsbereich nach. Für die Ausstellung in der Generali Foundation rekonstruiert sie ein Gebäude des amerikanischen Architekten Samuel Mockbee und seines "Rural Studio". Mockbees Anliegen ist die Entwicklung innovativer Wohnentwürfe für die arme Bevölkerung des amerikanischen Südens. Das "Butterfly-House" zeichnet sich durch seine auffallende Dachstruktur in Flügelform aus, die zum Sammeln und Wiederverwerten von Regenwasser dient. Shanty Towns, Gated Communities, mobile Architektur sind Themen ihrer fotografischen Serien. Das Ausstellen von innovativem Design u. a. für die Dritte Welt als Ready Made bildet das dritte Standbein ihrer Präsentation in Wien.

In Florian Pumhösls (geb. 1971 in Österreich) Projekten wird die Faszination für die Ästhetik und die Rhetorik der Moderne und ihre nachfolgenden Erneuerungsbewegungen gleichzeitig mit einer kritische Analyse und Distanzierung erlebbar. In der in der Ausstellung gezeigten Arbeit "on or off earth" werden die Grundstrukturen seines künstlerischen Ansatzes sichtbar. Der modellhafte Nachbau von Designentwürfen Victor Papaneks u.a. aus seinem Buch "Designs for the Real World", die kontextualisierende Einbettung in die zeithistorischen Diskurse durch Publikationen und Texte sowie die kritischen Kommentare des Künstlers selbst formen ein Gesamtszenario zur Überprüfung des utopischen Gehalts der Alternativbewegung der sechziger Jahre.

Das Absurde Theater und der Surrealismus standen Pate für die Entwicklung der ersten "Vehicles" von Krzysztof Wodiczko (geb. 1943 in Polen, lebt in den USA). Das "First Vehicle Reserved for The Artist" wird z.B. durch die Gehbewegung des Künstlers betrieben. Wodiczko hat diese Ansätze in den späten achtziger Jahren unter Berücksichtigung sozialer Aspekte zur Serie der "Homeless Vehicles" weiterentwickelt. Sie stellen ein "Tool" für diese Bevölkerungsgruppe zur Verfügung, das die Grundbedürfnisse des Wohnens, Schlafens und Waschens kombiniert und zusätzlich ein Arbeitsmittel zum Sammeln von Dosen und Flaschen schafft. Das grundsätzliche Anliegen des Künstlers, Randgruppen Sichtbarkeit und Gehör zu verschaffen, manifestiert sich in Projekten wie "Alien Staff" – eine "Kommunikationshilfe" für MigrantInnen – und seinen jüngsten Projektionen im öffentlichen Raum. In "The Tijuana Projection" wurden die persönlichen Erlebnisse der mexikanischen Bevölkerung der Grenzstadt Tijuana live in Bild und Ton auf das kreisrunde Gebäude von "El Centro Cultural" geworfen und so der öffentlichen Diskussion zugänglich gemacht.

Mit der Entwicklung eines Konservenbüchsenradios, das unabhängig vom Stromnetz überall funktionsfähig ist, setzte Papanek in den sechziger Jahren neue Designstandards. Jenseits von Gestaltungsfragen stellte er Ökologie, Ökonomie und Nachhaltigkeit ins Zentrum des Entwurfsprozesses. Die Projekte der KünstlerInnen für die Ausstellung setzen sich mit den jeweils spezifischen sozialen, politischen und ökonomischen Lebensbedingungen auseinander und entwickeln Ansätze eines neuen Designs für die wirkliche Welt.

Zur Ausstellung erscheint eine Publikation (deutsch/englisch)

Konzept, Kuratorin: Sabine Breitwieser
Co-Kuratorin, Ausstellungsproduktion: Hemma Schmutz


Ausstellungsdauer: 13.9. - 22.12.2002
Oeffnungszeiten: Di-So, feiertags 11 - 18 Uhr
Do 11 - 20 Uhr


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