© Dieter Roth

Köttelkarnickel, 1969/1975
Hasenmist und Stroh
18 x 19 cm
Dieter Roth Foundation, Hamburg
Foto: Heini Schneebeli, Hamburg


Roth-Zeit. Eine Dieter Roth Retrospektive


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"Roth-Zeit. Eine Dieter Roth Retrospektive" ist die erste grosse Überblicksausstellung nach dem Tod des Künstlers im Jahr 1998. Mit weit über 500 Leihgaben aus 55 Sammlungen wird das fünfzig Jahre umfassende Schaffen von Zeichnungen, Grafiken und Büchern, Bildern, Objekten und Installationen sowie Audio- und Videoarbeiten gezeigt. Im Schaulager wird es damit erstmals möglich, die unglaubliche Vielfalt dieses Werkes als grossartigen und spannungsvollen Gesamtentwurf zu erleben.

Die Retrospektive beginnt mit den zeichnerischen und grafischen Anfängen von Dieter Roth in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre. Höhepunkt dieser Anfangszeit ist das sogenannte Solothurner Wandbild von 1952, eine Wettbewerbsarbeit von für den bisher im Kleinformat tätigen Roth ungewöhnlichen Ausmassen (300 x 240 cm).

In den folgenden Jahren entstehen Arbeiten auf Papier, Gemälde und Bücher, die die Auseinandersetzung mit der damals in der Schweiz wieder viel diskutierten konkreten Kunst zeigen. Diese Werkphase, in welcher ein wenig bekannter Roth zu sehen ist, wird dank selten gezeigten Leihgaben wunderbar präsent sein. Schon in dieser frühen Zeit wird ein Grundzug von Roths Schaffen ablesbar. Es ist die Experimentierfreude und Intensität, mit welcher er eine künstlerische Idee umsetzt, sie in unterschiedlichen Medien gleichzeitig erforscht, und diese Suche soweit vorantreibt, dass der ursprüngliche Ansatz am Schluss kaum wiederzuerkennen ist. Ein zweites Merkmal ist das Gewicht, das die Sprache und das Buch in Roths Schaffen schon jetzt erhalten.

Ein besonderer Raum ist den Objekten, insbesondere Schmuck und Möbeln, gewidmet, die Dieter Roth gegen Ende der fünfziger Jahre zu entwerfen und herzustellen begann. Produziert in der Hoffnung, aus ihrem Verkauf Geld zu verdienen, sind die Objekte auch als Erweiterung von Roths künstlerischer Recherche auf den Bereich des Designs zu verstehen.

Die sechziger Jahre stehen im Zeichen einer totalen Befreiung von formalen Konventionen und einer spektakulären Expansion ins Reich der minderwertigen und vergänglichen Materialien: speziell gestaltete Bücher und Objekte aus Zeitungsmakulatur, Bilder mit Käse gemalt, Grafiken aus gepressten Bananen, Porträtbüsten aus Schokolade, inselartige Anhäufungen aus diversen vergänglichen Materialien sowie Glaskästen, die mit Gewürzschichten gefüllt sind. Entscheidend ist aber nicht die Materialprovokation als solche, sondern die Sprache und die Bildwelt, die sich Roth mit diesem Schritt eröffnet hat. Die Ausstellung zeigt, wie Roth mit diesem Vokabular einen eigenen, sehr aktuellen Diskurs über das Thema von Werden und Vergehen, von Explodieren und Verrotten, von Auftrumpfen und Verzweifeln zu entfalten beginnt. So hat Roth, um nur ein Beispiel zu nennen, in der Transformation der neu gewählten Materialien eine völlig neue Form der Landschafts- und Naturdarstellung geschaffen.

Schon früher hatte Roth Werke über Jahre hin entstehen lassen, aber in den siebziger Jahren werden solche Langzeitprojekte zu einer eigentlichen Strategie. Systematisch legt Roth über viele Jahre hinweg Sammlungen an, z.B. von Texten und Skizzen, von flachem Abfall oder von dokumentarischen Aufnahmen sämtlicher Häuser einer Stadt, um diese dann jeweils in einem monumentalen Werk zu vereinigen. (Gesammelte Werke 1969-91, Flacher Abfall 1975-76, 1992 und Reykjavik Slides 1973-75, 1990-93). In solchen Werken wird nicht nur das Vergehen von Zeit erlebbar, sondern auch individuell oder kollektiv geprägte Zeiträume. Mit ihnen beginnt im Schaffen von Roth eine Werkform Gestalt anzunehmen, die in der bildenden Kunst ungewöhnlich, aber in ihrer Bezugnahme auf die Sprache für Roth charakteristisch ist: das Tagebuch.

In diese Zeit fällt auch eine enorme grafische und zeichnerische Produktivität, die Roth zu einem begehrten Künstler machte. Die Virtuosität und die Erfindungslust, mit der Roth in den beiden Medien arbeitet, werden in der Ausstellung mit ausgewählten Werkgruppen vorgestellt.

In der letzten langen Schaffensphase (ab ca. 1982) hat Roth die früher entwickelten Ansätze zum Thema Selbstbildnis und Vergänglichkeit in fulminanten Höhepunkten zusammengeführt. Sie kommen in monumentalen Installationen ebenso wie in introspektiven kleinformatigen Werken zum Ausdruck. Diesen Werken, die Roth zusammen mit seinem Sohn Björn und Freunden aus Island in denkwürdigen Ausstellungen in den neunziger Jahren in Holderbank, Wien und Marseille inszeniert hatte, ist in der Retrospektive ein grosser Bereich gewidmet. Hier sind auch die Collaborations, die Gemeinschaftswerke mit Künstlerkollegen, insbesondere mit Richard Hamilton, Arnulf Rainer und Ingrid Wiener, zu sehen. Im Mittelpunkt aber stehen die legendäre Gartenskulptur (1968-1996) und die aus 128 Videomonitoren bestehenden Soloszenen (1997-1998), eine Weiterführung der Filmarbeit "Diary", die Roth für die Biennale von Venedig 1982 geschaffen hatte.


Ausstellungsdauer: 25.5. - 14.9.2003
Oeffnungszeiten (nur während der Ausstellung):
Di-Fr 12 - 18 Uhr, Do 12 - 19 Uhr, Sa/So 10 - 17 Uhr


Schaulager
Ruchfeldstrasse 19
4142 Münchenstein / Basel
Telefon 061 335 32 32
Fax 061 335 32 30
E-Mail info@schaulager.org

www.schaulager.org


Das Schaulager ist eine neue Art von Raum für Kunst, und ist weder Museum noch traditionelles Lagerhaus. Sammlungen von zeitgenössischer Kunst müssen mehr sein als rein statische Magazine. Sie müssen eine aktive Rolle spielen in unserem Verständnis und unserer Wertschätzung von Kunst. Das Schaulager ist das Zuhause der nicht ausgestellten Werke der Sammlung der Emanuel Hoffmann-Stiftung. Hier wird jedes einzelne Werk, jedes Objekt und jede Installation permanent sichtbar sein. Das Schaulager ist aber auch ein einzigartiger Ort, an dem man Kunst anders sieht und über Kunst anders denkt. Ein Ort, an dem die Sammlung zum Ausgangspunkt von Kreativität und Aktivität, von Lernen und Vergnügen wird.




Roth-Time. A Dieter Roth Retrospective


"Roth-Time. A Dieter Roth Retrospective" is the first major overview since the death of the artist in 1998. With well over 500 loans from 55 collections, the exhibition displays his creative work over a period of 50 years in the form of drawings, graphic designs and books, pictures, objets d'art and installations, as well as audio and video works. Thus, Schaulager will make it possible for the first time to experience the incredible variety of this work as a magnificent and exciting overall design.

The retrospective starts with the Dieter Roth's earliest drawings and graphic designs in the second half of the forties. The climax of this early period is the Solothurner Wandbild (Solothurn Mural) dating from 1952, a competition piece of an unusual size (300 x 240 cm) for Roth who had worked on a small scale up to that time.

The following years saw the creation of works on paper, paintings and books, showing how he tackled the questions of concrete art that were a subject of much debate in Switzerland at the time. This phase of his work, which reveals a less well-known Roth, will be wonderfully well represented, thanks to a number of rarely shown loans. Even at this early stage, a basic feature of Roth's creativity can be traced. The joy of experimentation and the intensity with which he realizes an artistic idea, simultaneously exploring it in various media, and advancing this exploration to such an extent that the original starting point is hardly recognizable any more at the end. A second characteristic is the importance attached to language and books in Roth's work, even so early in his career.

A specific area is devoted to the objets d'art, particularly jewellery and furniture, that Dieter Roth began designing and producing towards the end of the fifties. Although they were made in the hope of earning money from their sale, these objects should also been seen as an extension of Roth's artistic exploration of the field of design.

The sixties represent a total release from formal conventions and a spectacular expansion into the realm of inferior-quality, transitory materials: specifically designed books and objects made of scrap newspaper, pictures painted with cheese, graphic designs from squashed bananas, portrait busts made of chocolate, island like heaps of various transitory materials, and glass cases filled with layers of spices. But it is not the provocative nature of the materials as such that is the determinant here but the language and the world of imagery that Roth opened up for himself in taking such a step. The exhibition shows how Roth in uses this vocabulary starts developing his own, highly topical discourse on the subject of existence and transience, of explosion and decomposition, of triumph and despair. For instance, in the transformation of his newly selected materials, Roth created an entirely new form of representation for landscapes and nature, to name but one example.

Even before the seventies, Roth had allowed some works to develop over a period of years but, during that decade, longterm projects of this type became a strategy in themselves. Systematically, over many years, Roth started collections, of texts and sketches, for example, of flat waste or of pictorial documentations of all the houses in a town, thereby enabling him subsequently to combine them into one of a number of monumental works. (Gesammelte Werke (Collected Works) 1969-91, Flacher Abfall (Flat Waste)1975-76, 1992 and Reykjavik Slides 1973-75, 1990-93). Works of this kind allow the viewer to experience not only the passing of time, but also sharply defined periods of time impressed with the stamp of an individual or a collectivity. In these works, a form begins to take shape in Roth's creations, a form that is unusual in art but that is characteristic of Roth in its reference to language: the diary.

This period also saw enormous productivity in graphic design and drawing, turning Roth into a highly sought-after artist. The virtuosity and ingenuity with which Roth worked in both these media will be presented in the exhibition by selected grouping of his works.

In his final, long creative phase (from about 1982 onwards), Roth brought to a series of brilliant climaxes his previously developed approaches to the subjects of self-portrait and transience. They are expressed both in monumental installations and in introspective small-scale works. A large area of the retrospective is devoted to these works, staged by Roth together with his son, Björn, and friends from Iceland in memorable exhibitions in Holderbank, Switzerland, Vienna and Marseilles during the nineties. Here, we also find the "collaborations", his joint creations with fellow artists, particularly with Richard Hamilton, Arnulf Rainer and Ingrid Wiener. But the focal points are the legendary Gartenskulptur (Garden Sculpture) (1968-1996) and Soloszenen (Solo Scenes) (1997-1998), a continuation of the film project, "Diary", created by Roth for the 1982 Venice Biennale and consisting of 128 video monitors.


25 May to 14 September 2003
Hours (only during the exhibition): Tue-Fri 12 am - 6 pm, Thu 12 am - 7 pm, Sat/Sun 10 am - 5 pm


Schaulager creates a new type of space for art, beyond the museum and the warehouse. Collections of contemporary art need to be more than merely static repositories. They must play an active role in our understanding and appreciation of art. Schaulager is the home for the collection of the Emanuel Hoffmann Foundation in storage, displaying every single work, object or installation, and thus making the collection visible all the time. It is also a place to see and think about art differently.


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