© Dimitri Horta

Ohne Titel, 1999 - 2002
Bleistift und Farbstift auf Papier, 29.7 x 21 cm


Dimitri Horta
Anatomie der Angst



Man mag an Brauner, an Steinberg denken, gar an Artaud oder an gewisse Outsider-Künstler. Fruchtbar an solch Assoziationen ist zumindest eine damit implizierte Feststellung: Zeichnerisch geht es hier nicht um Raffinierung der Mimesis, nicht um Reproduktives überhaupt mithin, sondern vielmehr um die andere, die Nachtseite, wenn man will, des Zeichnens: Spuren produktiver Einbildungskraft zu ziehen.


"Unterscheide sorgfältig zwischen einer kühnen Phantasie und einer verwegenen Hand!", notierte sich dazu Johann Heinrich Füssli. Wie wollten wir hier so unterscheiden? In zutraulich erzählenden, phantastischen Figurationen gewaltsam-sexueller Dinge überspielt die Cleverness der Hand eine nicht freiwilligerweise derart kühne Phantasie. Gewiss keine Psychokunst, keine Selbsttherapie und keine sentimental-indulgente Attitüde den eigenen Phantasmen gegenüber. Über jedem Blatt schwebt Dimitri Hortas vage korsarisches Grinsen. So unterschieden sich diese Zeichnungen ohne Zweifel von denen all derjenigen, die romantisch in die eigenen Abgründe hinabstöhnen. Kontrollierte Konvulsionen, nicht die schöpferische Psychose, sondern das Auch anders Können, eine innere Dunkelzone also, die man gelassen betreten, nach Belieben erkunden, aber auch bequem wieder verlassen kann?


Füsslis Alternative ist wohl faul. Und eben so wenig überzeugt heute die zu ihrer Zeit von den Surrealisten mehr erwünschte als bezeugte Methodologie, derartige Bilder zu fassen: als pur mechanisch-protokollarischen Abklatsch innerer Bilder, Mimesis des Unsichtbaren. Denn das vom Vorwurf entlastete Zeichnen flüchtet sich nicht notwendigerweise gleich zu einem inneren Surrogat. Bewegung, Sinn, Kontrolle, Korrektur; dieser Fluss lässt sich nicht in einzelne Bäche leiten. Nicht nur Vorlogisches, auch Vorimaginatives hat sein Recht, das Zeichnen ist vor allem andern ein Tun, wer entscheidet, wo der Muskel dem Auge voraus war, wo die Reflexion einer linearen Artikulation, die sich selbst überrascht.


Tobia Bezzola


Ausstellungsdauer: 26.8. - 2.10.2004
Oeffnungszeiten: Di-Fr 14 - 18.30 Uhr, Sa 11 - 16 Uhr


Galerie Judin Belot
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