© Elodie Pong

Elodie Pong: NO NO NO, 2007
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courtesy of Freymond-Guth & Co. Fine Arts Zurich


Elodie Pong, Laurent Goei
Samples 'n' Remix



Elodie Pong (*1966) und Laurent Goei (*1964) kennen sich seit ihrer Jugend in Lausanne und stellen im Kunstmuseum Solothurn erstmals gemeinsam aus. Beide Künstler haben bereits nationale Stipendien und Preise erhalten und erste internationale Museumsauftritte erfolgreich bestritten. In der Solothurner Ausstellung werden ihre Arbeiten einander gegenüber gestellt. Die Videos von Elodie Pong und die Skulpturen von Laurent Goei sind verwandt in ihrer Thematisierung urbaner Befindlichkeit. In unterschiedlicher Weise reflektieren beide Künstler über das Verhältnis von Selbstbild und gesellschaftlichen Rollenmustern. Ebenso eignen sich beide bestehendes Material aus verschiedenen kulturellen Sparten an und mischen es neu auf. Dieses Sampling und Remixing ist verwandt mit der Musikkultur und stellt inzwischen ein gängiges kulturelles Prinzip der referenziellen Vernetzung dar. Beide Künstler entwerfen Identifikationsfiguren und Projektionsflächen, die als Platzhalter unserer Abneigungen und Ängste, Träume und Sehnsüchte fungieren können.


In ihren neuen, erstmals in Solothurn gezeigten Videoarbeiten, geht Elodie Pong ganz nah an Menschen und Emotionen heran. Mit scharfem (Kamera-)Auge, doch viel Mitgefühl durchleuchtet sie die Fragilität der zwischenmenschlichen Kommunikation und ihr potentielles Scheitern. Mit subtilen Zwischentönen entwirft sie verführerische oder dramatische Settings. Pong verarbeitet eigene Beobachtungen, die sie in Live Arts und Filmen, Zeitungen und Büchern, der Musik und dem Internet findet. Die Szenen sind filmisch inszeniert und verdichten die Phänomene so weit, dass sie exemplarische Gültigkeit erlangen. Auch verwendet sie bekannte Formate (Videoclip, SMS oder aktuelle Ästhetiken) und bietet dem Publikum damit Projektions- und Interpretationsmuster.


In der neuen Videoinstallation "The Last Supper" (2007) inszeniert sie ein Remake einer Szene eines Theaterstücks. Sie übernimmt Schauspieler und Plot, transportiert das Stück jedoch in eine neue Umgebung und verändert Dauer, Tempo und Ton. Damit entwirft sie eine "hybride" Inszenierung, die sich aus Anspielungen und Referenzen speist. Auch in einer weiteren neuen Arbeit "NO NO NO" (2007) wandelt sie eine Szene eines bestehenden Theaterstücks derselben Gruppe um. Sie verbindet die beiden Bühnenwerke, die ursprünglich keinen inhaltlichen Bezug haben und entwirft einen neuen narrativen Zusammenhang. Während die Protagonistin des ersten Videos der schwermütigen (Familien-)Konstellation eines gemeinsamen (Steine-)Essens entflieht, zeigt sich dieselbe im zweiten Video als provokativ-verführerische, selbstbestimmte Frau.


Elodie Pong wirft stimmungsvolle Schlaglichter auf eine Generation, die selbstbewusst und unsicher zugleich agiert. Ihre "Knights on the Trajectories of a Post-everything Era" führen ein ambivalentes Leben: Von Zwängen und Konventionen befreit und gleichzeitig auch an eben dieser Chance leidend, gestalten sie ihre Persönlichkeit aus frei flottierenden Versatzstücken. Das Video "Untitled (Plan for Victory)" (2006) ist ein sprechendes Beispiel für die Unsicherheiten der Zeit: Eine Lawine fegt über den in den Schnee geschriebenen Erfolgsplan hinweg und zerstört das idyllische Tal. Offene Setzungen und temporäre Konstellationen bieten Fragestellungen und Interpretationsspielräume für das Publikum. Die gezeigten Videos sind Ausschnitte aus einer grösseren Serie, aus der Ende 2007 ein Film entstehen wird. Hier zeigt sich, wie bereits in früheren Arbeiten, Pongs grosses Interesse an Experimenten mit Narration und Konstruktion von filmischen Werken in den unterschiedlichen Sparten des Videos und des Filmes.


Laurent Goei formuliert in seinen Kunstwerken seine Wahrnehmung des Alltags in einer Verbindung von Sprache und Schrift, Skulptur und Installation. In alltäglichen Situationen entdeckt er Aussergewöhnliches und bannt Flüchtiges in poetischen Momentaufnahmen. Er sammelt Zitate und Bilder von Ikonen aus Filmen, der Kunst, Rock- und Modegeschichte sowie des Alltags und fügt sie zu Collagen oder Installationen, die zeitgenössische Stimmungen widerspiegeln. So entstehen Hommagen an Personen und Dinge, die er liebt.


Der Bezug zur Musikkultur ist ein wichtiges Element seiner Arbeiten. Wie ein DJ löst er die Elemente aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang und stellt sie in einen neuen Kontext oder fügt sein eigenes Formenvokabular zu neuen Versionen zusammen. In der Ausstellung mischt er verschiedene Elemente wie Box, Sockel, Fenster, die Schriftzüge Johnny Cash, Neil Young und Nick Cave sowie seine eigene Jeans, die allesamt bereits in älteren Arbeiten auftauchen, neu auf. Zudem nimmt er einen Eingriff an der Museumsarchitektur vor und verortet damit seine Arbeiten in diesem spezifischen Raum: Er lässt hierzu die jahrelang verschlossenen Fenster des Ausstellungsraumes öffnen und den Raum mit Tageslicht durchfluten. Diese Intervention ist für ihn eine "Befreiung der Seele des Raumes", die über viele Jahre gefangen war.


Goei nimmt Räume immer intuitiv und emotional wahr. Wiederholt verwendet er Fenster und Zäune als skulpturale Elemente. Sie formulieren die Grenzen zwischen Menschen und Territorien, zwischen Innen- und Aussenwelten, Privatsphäre und Öffentlichkeit. Fenster setzt er zudem als Spiegel und Projektionsflächen ein. Goei stellt immer wieder auch seine eigene Person in Bezug zu bestehenden Sehnsuchtsbildern und Pathosformeln. Mit dem Charme des Selbstproduzierten schafft er persönliche und immer auch poetische Spiegelungen von Gemütslagen der Sehnsucht und Melancholie, der Entfremdung und Selbstbehauptung seiner selbst und seiner Generation. Dadurch stellt er den oftmals abgegriffenen Sehnsuchtsformeln authentische und berührende Gesten entgegen.


Sabine Rusterholz


Zur Ausstellung erscheinen zwei Kataloge in der edition fink Verlag für zeitgenössische Kunst, Zürich: "Elodie Pong. Samples", edition fink, Kunstmuseum Solothurn, Zürich, 2007, mit einem Text von Sabine Rusterholz, Broschur, Farb-Abb., 96 S. "Laurent Goei.. Remix", edition fink, Kunstmuseum Solothurn, Zürich, 2007, mit einem Text von Sabine Rusterholz, Broschur, s/w-Abb., 128 S.


Ausstellungsdauer 28.4. - 29.7.2007

Oeffnungszeiten Di-Fr 11 - 17 Uhr, Sa/So 10 - 17 Uhr
Montag geschlossen


Kunstmuseum Solothurn
Werkhofstrasse 30
4500 Solothurn
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