© Ricardo Basbaum

Ricardo Basbaum: sistema-cinema, 2003
Closed-circuit video system, photography


entre pindorama
Zeitgenössische brasilianische Kunst und die Adaption antropofager Strategien


Efrain Almeida, Ricardo Basbaum, Lia Chaia, Lívia Flores, Lucia Koch, João Modé


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PINDORAMA nennt die indigene Bevölkerung Brasiliens zärtlich ihr Land - "das Land der Palmen". ENTRE ist eine Aufforderung und Einladung zum Eintreten, zur Begegnung mit einer Kultur, die so vielfältig ist, dass sie sich jeglicher Stereotypisierung verweigert - ENTRE meint nämlich auch: "Dazwischen".


"entre pindorama" ist ein zusammen mit dem brasilianischen Künstler und Dramaturgen Giorgio Ronna konzipiertes Ausstellungs- und Veranstaltungsprojekt, das einen Einblick in die unterschiedlichen Positionen zeitgenössischer brasilianischer Kunst geben möchte. Grundlegend hierfür ist eine Auseinandersetzung mit den Ideen der Antropofagia, einer kulturellen Bewegung des brasilianischen Modernismus, die in der kulturellen Praxis Brasiliens auch heute noch eine wichtige Rolle spielt.


Die Strategie der Antropofagie, der "Menschenfresserei", zielt auf kulturelle Aneignungsverfahren des Fremden: Das Andere wird verschlungen, dem eigenen Stoffwechsel-system zugeführt und dient somit als Baustein einer eigenen unverwechselbaren Identität im Hinblick auf eine mögliche kulturelle Erneuerung. Dieses Verfahren plädiert für eine Einverleibung statt einer Zurückweisung, für eine Aneignung statt einer Angleichung und bietet die Chance, Abgrenzungen und Hierarchisierungen zugunsten einfühlender und gleichberechtigter Unmittelbarkeiten im Umgang mit Kulturen zu hinterfragen.


"entre pindorama" möchte diese Ideen aufgreifen und im Hinblick auf ihre Aktualität und Transfertauglichkeit untersuchen. Das Projekt versteht sich nicht als ein weiterer exotischer Blick auf ein lateinamerikanisches Land, sondern als ein Angebot, neu über kulturelle Festschreibungen nachzudenken und möglicherweise den Verdauungs-störungen westlicher Gesellschaftsstrukturen entgegenzuwirken - gegebenfalls sogar Abhilfe zu leisten.


Die Ausstellung im Künstlerhaus zeigt sechs Positionen zeitgenössischer Kunst aus Brasilien. Der Beitrag von Joâo Modé trägt das Projekt ausserdem auch in den öffentlichen Raum: Er wird seine Arbeit auf einem öffentlichen Platz in Stuttgart mit Beteiligung der Einwohner realisieren.


Der Workshop des Künstlers Ricardo Basbaum stellt aktuelle künstlerische Ansätze vor und thematisiert eine performative Umsetzung des gesellschaftlichen Systems von Ich und Du.


Die Vortragsreihe mit dem Titel "Antropofagia - Gestern und Morgen" ist in einem zweitägigen Seminar zusammengefasst, das öffentlich zugänglich sein wird. KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen und AktivistInnen führen ein in Ideen und Strategien der Antropofagie und diskutieren ihre Aktualität.


Eine weitere Rahmenveranstaltung, in denen Fragen der Konstruktion kultureller Identität und möglicher Berührungsflächen mit dem Anderen und Fremden nachgegangen und in einem aktuellen Kontext verortet werden sollen, finden in Kooperation mit dem IZKT (Internationales Zentrum für Kultur und Technikforschung der Universität Stuttgart) statt.


Einen Einblick in das innovative Filmschaffen Brasiliens von 1931 bis heute bietet das Filmprogramm "Invention & Subversion" in Zusammenarbeit mit dem Kommunalen Kino Stuttgart. Die vorgestellten Filme zeigen exemplarisch die Konflikte und Problematiken der brasilianischen Gesellschaft auf.


Abschliessend widmet sich "entre pindorama" einem der aktuellsten und brisantesten Beispiele gegenwärtiger antropofager Praxis: Der brasilianischen HipHop Bewegung. HipHop in seiner nordamerikanischen Variante mit allen Facetten der HipHop Kultur wird in Brasilien buchstäblich "gefressen", und doch entsteht durch die eigenen Stoffwechselvorgänge etwas völlig Neues, wie zum Beispiel Rio Funk. Mit MC Tati präsentieren wir in Kooperation mit dem Ladyfest Stuttgart-Esslingen eine der führenden KünstlerInnen dieses Genres. Weitere Positionen des brasilianischen HipHops stellt Rafael Dragaud, der Mitbegründer des Hutúz HipHop Festivals in zwei Videoprogrammen vor.


Elke aus dem Moore


Ausstellungsdauer: 22.10. - 12.12.2004
Oeffnungszeiten: Di-So 15 - 18 Uhr, Do 15 - 21 Uhr
Mo geschlossen


Künstlerhaus Stuttgart
Reuchlinstrasse 4B
D-70178 Stuttgart
Telefon +49 711 617 652
Fax +49 711 613 165
Email info@kuenstlerhaus.de

www.kuenstlerhaus.de





entre pindorama
Contemporary Brazilian Art and the Adaptation of Antropofagic Strategies


Efrain Almeida, Ricardo Basbaum, Lia Chaia, Lívia Flores, Lucia Koch, João Modé


PINDORAMA is the word coined by the Brazilian indigenous people for their land, the land of the palm trees. ENTRE means an invitation to enter, but also means in-between.


"entre pindorama" is an exhibition and event project that was conceived for the Künstlerhaus Stuttgart together with the Brazilian artist and dramaturgist Giogio Ronna. The central theme of the exhibition is the presentation of and debate around contemporary Brazilian art. The project has been embedded in the Künstlerhaus yearly programme, due to it being about shifts in cultural identities and the breaking down of set conditioning. The two central terms are participation and empathy.


"entre pindorama" incorporates different positions from contemporary Brazilian art, which all move and find their expression within a very different context. The debate surrounding the ideas of the Antropofagia is not central, however it can be seen as a part of a cultural memory.


At the same time, it is not about taking a further exotic look at a Latin-American country, but about growth and enrichment. "entre pindorama" sees itself as providing a chance to think about cultural codes from a different angle and perhaps to counteract the digestive problems of western social structures and to redress them. (Workshop with Ricardo Basbaum)


In addition to the exhibition there will be a series of lectures, which will present antropofage ideas and strategies and will explore its topicality and importance for a non-Brazilian audience.


An accompanying film programme shows the historical processes in the history of Berlin, the influence of antropofagia, later the tropicalismo of the sixties and seventies, and also the strategies of resistance during the dictatorship up until today in the context of the conflicts and problematic within Brazilian society. We can see prospects and continuity amongst other things in the development of a unique style in Brazil's hip-hop culture and we will be inviting the organizers of the hip hop festival Hutus, that was held in 2003 for the first time, to present a video programme.


Elke aus dem Moore


October 22 - December 12, 2004