© Eric Hattan

Eric Hattan: L'évaporation, 1998
Courtesy Fonds d'art visuel de l'état de Genève


Eric Hattan & Werner Reiterer
Die kennen sich! Kennen Sie die?



Click for English text


"Das hätte von mir sein können" - so lautet die jeweils unabhängig voneinander geäusserte Bemerkung von Eric Hattan (*1955 in Wettingen, lebt und arbeitet in Basel und Paris) und Werner Reiterer (*1964 in Graz, lebt und arbeitet in Wien) über ein Werk des jeweils anderen. Das konzeptionelle Nahverhältnis, bei gleichzeitiger Verwendung verschiedener künstlerischer Sprachen, bildet den Ausgangspunkt für die Ausstellung, die erstmals beiden Positionen grosszügig Raum bietet, um Überlappungspunkte, Gemeinsamkeiten und unterschiedliche bzw. individuelle Fragestellungen und Formulierungen zu untersuchen.

Eric Hattan erarbeitet viele seiner Ausstellungen basierend auf direkte ortsbezogene Überlegungen, die mitunter auch vor politischen Beobachtungen nicht zurückschrecken und sowohl ideale als auch nicht-ideale vorgefundene Bedingungen mit einbeziehen. Ein Masten einer Berliner Strassenlaterne, vor dem üblicherweise zahlreiche Autos parken, wurde beispielsweise im Jahre 1996 zum Austragungsort einer kontextuellen Verrückungsstragie, bei welcher Eric Hattan einen handelsüblichen Wohnwagen rund um den Laternenmasten herumbaute. Vermochte die Platzierung am Gehweg und der aus dem Wagen ragende Masten den gewohnten Alltagsablauf an sich noch wenig zu stören, wurden die aufmerksamen Vorbeikommenden mit einem visuellen Rätsel konfrontiert: Ein in der Wohnwagenwand eingebauter Türspion gibt das Innere des Wohnwagens ohne den ihn von aussen sichtbar durchdringenden Laternenmasten wieder.

Wie Hattan fokussiert auch Reiterer auf kontextbezogene Überlegungen, die er manchmal, im Gegensatz zu Hattan, nicht auf einen spezifischen Ort, sondern auf ein spezifisches Thema ausrichtet. Dabei interessiert ihn vor allem eine Neuorientierung von alltagsgegebenen Situationen, die zum Ausgangspunkt seiner künstlerischen Kommunikationssysteme werden. In einem Kunst-am-Bau-Projekt für das Bezirksgericht Salzburg (1999-2001) funktionierte Reiterer einen von drei Laternenmasten so um, dass dieser bei Herantreten ins Rotieren gerät. Der zuvor nicht mehr beachtete und daher aus dem Blickfeld entwichene gesamte Vorplatz erfährt durch die Manipulation des Künstlers eine neue, ihm nicht als zugehörig betrachtete Funktion und wird eben deshalb wieder "misstrauisch" beachtet. Nimmt Eric Hattan den Laternenmasten als Ausgangsort einer Installation, die den Rezipienten zur Hinterfragung ihrer Funktionsweise und die damit zusammenhängenden Wahrnehmungsbeobachtungen bringt, thematisiert Reiterer mit seinem manipulativen Eingriff die Funktionsweise von Alltagsgegenständen und jene des Alltagslebens selbst.

Beide Künstler werden anlässlich der Ausstellung im Kunsthaus Baselland auch erstmals den Vorplatz miteinbeziehen: Hattans Werk "l'évaporation", eine voll mit Wäsche behängte Wäschespinne, thematisiert sisyphosähnlich das niemalige Trockenwerden des Aufgehängten. Beim ersten Anzeichen der Austrocknung beginnt eine neuerlicher Wasserzufuhr mit dem Benässen. Werner Reiterer hingegen platziert ein Vogelhäuschen ohne Einflugsloch in einem der Baumwipfel. Vogelgesang ist nur hörbar, so lange die Solarzellen, die ins Innere des Häuschens verlagerte Technik mit Strom versorgen.

Erstmals wird auch der Eingangsbereich des Kunsthaus zu einer Garage verwandelt, die der Besucher/die Besucherin quasi von der Rückseite betritt. In der Garage selbst findet ein so genannter "Garage Sale" statt, bei dem hauptsächlich Eric Hattan unter Zuwirkung von Werner Reiterer, Angesammeltes, Kunstwerke, Publikationen und diverse Materialien zu Billigpreisen zum Verkauf anbietet.

Im Inneren des Kunsthaus verteilen sich die Werke der Künstler über beide Stockwerke. Reiterers speziell für Blinde gefertigte Skulptur, seine Bettskulptur, welche das Bett selbst schlafend und atmend wiedergeben sind ebenso zu sehen wie Hattans ortsspezifischen Eingriff, der einen Blick unter dem Bürotisch eines über dem Kunsthaus gelegenen Büros freigibt oder eine Auswahl seiner Videoarbeiten.

Die beiden künstlerischen Positionen treffen sich an diversen Schnittstellen und verlassen sie auch wieder. Sie benutzen oft einen ähnlichen modus operandi und wenden sich bevorzugt den alltäglichen Abläufen als ihr Ausgangsmaterial zu, um sich bei der Ausrichtung des auf Alltagsstrategien wieder zu unterscheiden. Die Ausstellung versteht sich als offene Konversationsform, die Ähnlichkeiten und Divergenzen zulässt, ohne Festschreibungen vorzunehmen.


Sabine Schaschl-Cooper


Ausstellungsdauer: 17.5. - 13.7.2003
Oeffnungszeiten: Di, Do-So 11 - 17 Uhr, Mi 14 - 20 Uhr


Kunsthaus Baselland
St. Jakob-Strasse 170
4132 Muttenz BL
Telefon 061 312 83 88
Fax 061 312 83 89
E-Mail: office@kunsthausbaselland.ch

www.kunsthausbaselland.ch

Tram 14, Station "Schänzli", direkt neben dem St. Jakob-Stadion




Eric Hattan & Werner Reiterer
They know each other! Do you know them?



"That could have been one of mine" - that's what Eric Hattan (born 1955 in Wettingen, lives and works in Basel and Paris) and Werner Reiterer (born 1964 in Graz, lives and works in Vienna) each said, quite independently, on seeing a work by the other. Although they speak quite different artistic languages there is a close conceptual relationship between them, and this is the starting point for this exhibition - which for the first time provides abundant space to explore where they overlap and what they have in common, to examine differing or individual problems and formulations.

Eric Hattan often puts his exhibitions together on the basis of considerations directly related to their specific locations, which at the same time do not shy away from political observation and involve ideal and non-ideal perceived conditions. In 1996, for example, Eric Hattan made a Berlin street lamp, normally hemmed in by parked cars, the venue for a contextual shift: he built a perfectly ordinary caravan round it. In itself the caravan’s position on the pavement and the street lamp poking out of the top had little effect on the accustomed daily routine, but alert passers-by were confronted by a visual puzzle: a spy-hole in the side of the caravan revealed an interior with no sign of the street lamp that from the outside could clearly be seen to be passing straight through it.

Like Hattan, Reiterer also focuses on context-related considerations – but whereas Hattan concentrates on a specific location, he concentrates on a specific theme. What interests him most is re-orienting everyday situations, which he takes as the starting point for his artistic communication systems. In an art-in-construction project for the Salzburg District Court (1999-2001) Reiterer tinkered with the function of one of three street lamps so that when you came up to it, it started to rotate. Previously nobody had paid any attention to the forecourt, so in effect it had disappeared from view – but the artist’s manipulation gave it a new, seemingly inappropriate, function which thus led passers-by to regard it once more with "mistrust". Where Eric Hattan takes the street lamp as the starting location for an installation that makes the recipient question both how it functions and how he himself perceives it, the subject of Reiterer’s manipulative interference is the function of everyday objects and hence of everyday life itself.

These two artistic positions come together at various interfaces, then diverge again. They often adopt a similar modus operandi, taking everyday processes as their starting material – but then zoom in on them in quite different dimensions. This exhibition is intended as a form of open conversation, acknowledging similarities and differences, avoiding prescription.


May 17 - July 13, 2003