© Fabian Weinecke


Fabian Weinecke
Rage in Eden



Fabian Weinecke hat eine ebenso eigenwillige wie poetische Vision von Malerei entwickelt, bei der die "klassische" Tafelbildmalerei als Bühne für befremdliche, erotisch-melancholische Szenarien dient. Seine meist kleinformatigen Ölbilder sind im Spannungsfeld subjektiver Setzungen und kunstgeschichtlicher Bezüge verortet; mithin erweisen sie sich der Tradition des Surrealismus verpflichtet. Häufig bildet ein stark paraphrasiertes Landschaftszitat aus der Kunstgeschichte, beispielsweise von Arnold Böcklin, Giorgio de Chirico, Francesco Guardi oder Karl Spitzweg, den Hintergrund für die eigentliche Bildhandlung. Diese "entleerten" Kulissen werden mit einer Reihe wiederkehrender Symbole aufgefüllt. Deren metaphorische Verdichtung wird in den Frauenakten am deutlichsten sichtbar. Denn Weineckes Bildpersonal besteht aus jungen barbusigen Frauen, die mit Musikinstrumenten oder Rot-Kreuz-Attributen versehen sind und in Verbindung mit übergrossen Pilzen, Pferden, Kruzifixen, Uhren oder Schädeln in Erscheinung treten.


Solche Querverweise, Vernetzungen und Verzweigungen führen allerdings in den wenigsten Fällen zu ihrem Ursprung zurück. Vielmehr verrätseln sie die Bilder zu einem labyrinthischen Bezugssystem, in dem jeder Versuch ihre Bedeutung zu ergründen zum Scheitern verurteilt ist. Der Künstler, wie auch der Betrachter dieser Werke, erweist sich hier weniger als Akteur, sondern als Gefangener seiner Seherfahrungen und seines Wissens. Fabian Weinecke dienen diese ikonographischen Kreuzungen unterschiedlicher Welten der Selbstreflexion als Künstler, der zwischen Verweigerung und Könnerschaft pendelt. Denn dem vermeintlichen dechiffrierbaren Symbolgehalt des Bildinventars steht die Geschlossenheit – wenn nicht gar Abgeschlossenheit – der individuellen Metaphorik des Malers entgegen. Weinecke unterstreicht dies, indem er darauf hinweist, dass ihn nicht "die lesbare Aussage, sondern die Konzentration auf die Konfusion" interessiert.


Ein weiterer wichtiger Aspekt seines Werks bildet der Vorgang des Recycling; sowohl als reale Handlung, wie auch im metaphorischen Sinne als Idee des Zirkulären, der Transformation. Diese Auseinandersetzung mit der Idee von Kultur und der Geschichte der Kunst ist Franz Kafkas Strategie der "aufbauenden Zerstörung" nicht unverwandt. In diesem Sinne kultiviert und dekonstruiert er die inneren Zusammenhänge zwischen dem eigenen Werk und dem gesellschaftlichen Konsens über das, was Kunst ist. In Form scheinbar leicht verständlicher Zitate bezieht er diese zwar auf sich selbst, verliert dabei aber nicht den grossen Zusammenhang aus dem Blickfeld: das Erschaffen von Artefakten, die als Kunst wahrgenommen werden. Damit wird jedes neu entstandene Einzelwerk zu einem Bekenntnis zum Hybriden.


So sind Weineckes Bilder so etwas wie Begegnungen mit der Geschichte der Malerei nach dem Ende der Malerei. Hier wird eine kritische Sympathie gegenüber Haltungen wie der John M Armleders offenbar. Dieser konstatierte, dass Kunst und Kultur der Spätmoderne als ein "B-Movie", als ein zweitklassiger Film anzusehen seien, in dem das hohe Ideal moderner Kunst verloren gegangen sei und Inhalt durch Oberfläche ersetzt werde. Konsequenterweise erweist Fabian Weinecke der Erkenntnis Referenz, dass die Kunst keine Schutzzone darstellt, sondern sich auf den Lärm und das Durcheinander der Welt einzulassen hat – oder wie es Jaques Lacan formulierte: "Wo immer sich ein ungeordneter Haufen von Abfällen findet, gibt es Mensch."


Dirk Steimann, 2003


Ausstellungsdauer: 22.11.2003 - 7.1.2004
Oeffnungszeiten: Di-Sa 12 - 18 Uhr


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