Fabrice Gygi: Minoviras Grenoble 1


Fabrice Gygi


Der Krieg den wir im Herzen führen wird öffentlich, die Mittel dazu schafft Fabrice Gygi. Dieser Gedanke kam mir wie von selbst in den Sinn, als ich mit den spröden Materialien seiner Objekte hantierte. Es handelte sich dabei um industriell vorgefertigtes Stückgut, das - uniformiert durch serielle Produktionsabläufe - einem kargen Ideal von Funktionalität verpflichtet ist. Fast schien es, als würden wir Rüstzeug einlagern mit all der Freude, die der Reichtum an Mitteln zur Verteidigung, des Schutzes oder gar des Angriffs schafft. Das Lager wurde so zum Ort der potentiellen Anwendungen dieser Zurüstungen. Zum Schauplatz der Auseinandersetzung wird die Galerie Bob van Orsouw.

Fabrice Gygi gestaltet als zentrales Objekt der Ausstellung ein Holzhaus, das jenen auf Kinderspielplätzen ähnlich ist und durchaus an die Situation kindhaften Spielvergnügens erinnern soll. Kreischend artikuliertes Hochgefühl und die Tränen der kleinen Niederlagen sind verhallt. Ihre Abwesenheit provoziert deshalb um so mehr die Erinnerung an Szenen einer Kindheit, als deren Relikte schwarzes Kriegsgerät verblieben ist. Minoviras nennt Gygi diese Explosionskörper, deren Form an Minen erinnert. Lose verteilt bestimmen sie den Ausstellungsraum in dem auch ein Wagen zum Waschen der Hände, Clean Point, abgestellt ist.

Ob nun dieser Wagen tatsächlich praktischen Zwecken dienlich sein soll, was bei vielen Objekten Gygis der Fall ist, oder ob damit von Schuld rein gewaschene Hände gemeint sind, bleibt offen. Die Installation ermöglicht jedenfalls vielfache Assoziationen. Sie birgt aber auch die Gefahr einer moralisierenden Auffassung der Bedeutung dieses Arrangements von Objekten in sich. Angesichts des sexuellen Missbrauchs von Kindern, der in letzter Zeit die Oeffentlichkeit nachhaltig beschäftigt hat, ist es naheliegend in dieser Arbeit von Gygi einen moralischen Appell zu vermuten. Dies wäre ein zu einfaches Unterfangen, Gygis Kunst vermag mehr. Sarah Zürcher hat dafür eine treffende Formulierung gefunden. Sie schreibt: "Von seinem (Gygis) Werk geht eine aussergewöhnlich suggestive und anschauliche Kraft einer a priori ideologischen Kritik aus. Am Beispiel von Autoritätsmodellen, die in unserer kulturellen und sozialen Welt propagiert werden, realisiert er auf reflektierte Weise Ereignisse gesellschaftspolitischer Natur."

Das Spiel mit moralischen Begriffen und provozierter Betroffenheit wäre eine Bestärkung genau jener Mechanismen die Gygi kritisiert. Dies sind Akte der Gewaltausübung durch gesellschaftliche Instanzen, die veröffentlichte Moral als Mittel der Steuerung und Disziplinierung verwenden. Eine Kritik und beeindruckende künstlerische Umsetzung dieses Sachverhaltes verwirklichte Fabrice Gygi beispielsweise mit der Arbeit "Viens dans ma peau, 1997". Er fordert uns auf in seine Haut zu schlüpfen. Es ist die Haut eines Aussenseiters, in welche die Zeichen dieser sozialen Position als unauslöschliche Tätowierungen gestochen sind. Gygi überträgt die Motive in Mittel der politischen Agitation (Banner, Flaggen), und verdeutlicht durch die Notwendigkeit des Widerstandes den in unserer Gesellschaft allgegenwärtigen Zwang zum Wohlverhalten. Wir werden von jeher angehalten dies mit uns selbst auszumachen, diesen Krieg im Herzen und oftmals gegen den eigenen Körper zu führen. Gygi macht diese stillen Mechanismen der Macht durch den unabweisbaren Anspruch in seinen Arbeiten öffentlich und dies nicht nur auf einer symbolischen Ebene. Der soziale Gebrauchswert seiner Objekte und die Kargheit der Mittel sind inhaltsbezogene Entscheidungen. Das Politische wird dadurch so zur Sprache gebracht, dass es uns ein Sprechen darüber ohne die Fallstricke halbherziger Bekenntnisse ermöglicht.


(Text: Kurt Kladler)


Fabrice Gygi wurde 1965 in Genf geboren und ist durch zahlreiche Ausstellungen einer breiten Kunstöffentlichkeit bekannt. Eine umfassende Retrospektive war in diesem Jahr im "Le Magasin", Centre national d'art contemporain de Grenoble zu sehen. Die jetzige Ausstellung ist die dritte Einzelpräsentation des Künstlers in der Galerie.


Ausstellungsdauer: 7.10. - 18.11.2000
Oeffnungszeiten: Di-Fr 12-18 Uhr, Sa 11-16 Uhr


Galerie Bob van Orsouw
Löwenbräum-Areal
Limmatstrasse 270
8005 Zürich
Telefon 01 273 11 00
Fax 01 273 11 02
E-Mail: mail@bobvanorsouw.ch


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