© Flavio Paolucci

Quadro oggetto, 2002
Holz, Papier, Russ, 58 x 66 x 12 cm


Flavio Paolucci
La città incalza la campagna



Man könnte Paolucci als Bildhauer, als Maler, als Zeichner und als Collagisten bezeichnen. Das stimmt zwar alles, besagt aber nichts Wesentliches. Wichtiger ist, dass seine Bildwerke sehr stiller Art sind, naturverbunden entstehen, dass das heimatliche Blenio-Tal, an den dessen Ausgang er heute wohnt, ihn noch heute massgebend prägt, dass alles, was Paolucci schafft, gleichgewichtig und spannungsvoll zugleich ist.


Ausser dem tibetanischen Reispapier stammen so gut wie alle verwendeten Materialien aus der nächsten Nähe. So stellt er zum Beispiel die braune Farbe der viellagigen Collagen aus Russ aus den Kaminen alter Tessinerhäuser her.


Alle Werke entstehen ohne Skizzen und ohne Vorzeichnungen. Ein von der Natur geformtes oder maschinell bearbeitetes, in einer Sägerei aufgegriffenes Stück Holz kann Ausgangspunkt zu einer Objektplastik sein. Ein Element ruft nach dem andern. Manchmal gelangt Paolucci direkt ans Ziel, manchmal über Umwege. Auf diesem Weg lässt er sich durch nichts ablenken, konzentriert er sich voll und ganz auf das Werdende, das erst dann abgeschlossen ist, wenn das Subjekt des Künstlers und das geschaffene Objekt sich in Harmonie finden.


Paolucci hat das bedächtige Wesen des Berglers bewahrt. Mit langsamen, sorgsam gesetzten Schritten erreicht man hohe Berge - und auch Kunstrealisierungen, die erst aus dem eigenen kreativen Potential herausgeschält werden müssen, von denen der Künstler meist nur ahnungsweise weiss, wenn er etwas Neues beginnt.


Was die alpine Kultur ganz besonders auszeichnet, ist die handwerkliche Erfahrung und der ökonomische Einsatz der Mittel. Das Leben unter den Felsen ist zu hart, als dass man es sich leisten könnte, unnötige Dinge zu tun, Arbeiten undauerhaft oder unzweckmässig zu verrichten.


Die wahre Kunst sei eine Kunst des Weglassens, hat Oskar Kokoschka erklärt. Und Auguste Rodin betonte, der Künstler müsse nicht die Natur kopieren, aber von der Natur lernen: die Natur verschwende sich nicht, sie tue bloss das Notwendige, um ihr Überleben zu sichern. Und Ferdinand Gehr erklärte in den achtziger Jahren, er sei davon überzeugt, dass das Wesentliche etwas ganz Einfaches sei. Die "Less is more"-Devise von Mies van der Rohe, einem der grössten Architekten des 20. Jahrhunderts, trifft in ihrem Grundsatz auf Flavio Paolucci in besonderem Mass zu.


Flavio Paoluccis Kunst ist eine Kunst des Geheimnisses, der Bildpoesie. Er ist ein wortkarger Künstler und zeigt sich nur selten bereit, so gut wie nie, Werkkommentare abzugeben.


Auffällig häufig kommt in seinem Werk die Siebenzahl vor, die unmittelbar mit der Schöpfungsgeschichte verbunden ist. Dass der Anfang der Genesis mit den Bildern dieses dem Ursprünglichen, Elementaren so sehr zugewandten Künstler etwas zu tun haben könnten, scheint naheliegend. Auch in der Johannes-Offenbarung hat die Siebenzahl grösste Bedeutung hat. Der Anfang der Welt und das Jüngste Gericht sind über die Zahl Sieben eng miteinander verbunden. Dieser Hinweis ist nicht unwichtig, weil in Flavio Paoluccis Schaffen immer wieder Anfangs- und Endmetaphern vorkommen; sei es das lichtwärts wachsende oder fallende Blatt, sei es das Holz und der Russ, der Stein und die Feder, das Ei oder der hoffnungslos in einem engen Behältnis flatternde Vogel.


Text: Peter Killer


Ausstellungsdauer: 19.8. - 26.9.2004
Öffnungszeiten: Mi 14 - 20 Uhr, Do/Fr 14 - 18.30 Uhr,
Sa/So 11 - 16 Uhr


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