© Yvan Dalain

© Yvan Dalain


Fokus 50er Jahre.
Yvan Dalain, Rob Gnant und "Die Woche"



Die erste Ausstellung der Fotostiftung Schweiz in ihrem neuen Domizil in Winterthur ist den Werken von Yvan Dalain und Rob Gnant gewidmet. Beide haben einen wichtigen Beitrag zum Schweizer Fotojournalismus der fünfziger und sechziger Jahre geleistet. In ihren Bildern beleuchten sie die Widersprüche der Zeit: Weltoffenheit neben Heimatidylle, Temporausch neben Rückständigkeit, Dolce Vita neben Arbeitermisere. Die Ausstellung verbindet die Wiederentdeckung ihrer Fotografien mit einer Würdigung der Zeitschrift "Die Woche" (1951-1973), die einen Grossteil ihrer Reportagen publizierte. Die im Walter-Verlag, Olten, erschienene Illustrierte brachte den Fotojournalismus zu einer eindrucksvollen Blüte vor dem Beginn des TV-Zeitalters.


Die fünfziger Jahre gelten als harmonische, eher unspektakuläre Epoche des 20. Jahrhunderts. Sensible Zeitgenossen haben aber schon damals tiefgreifende Umwälzungen und Brüche unter der gesellschaftlichen Oberfläche registriert: Im Bereich von Konsum und Freizeit, im Umgang mit Energie und Ressourcen sowie in der zunehmend von Medien beeinflussten Öffentlichkeit entwickelten sich ganz neue Lebensstile – prägend für die nachfolgenden Jahrzehnte. In den Werken von Yvan Dalain (geb. 1927) und Rob Gnant (geb. 1932) spiegeln sich die unterschwelligen Spannungen der Zeit.


Sowohl Dalain als auch Gnant sind der Tradition der Schweizer Reportagefotografie der Vorkriegszeit verpflichtet, geprägt von Vorbildern und Mentoren wie Arnold Kübler und Gotthard Schuh. Aber mit der neuen Plattform, welche die Zeitschrift "Die Woche" ab 1951 bot, wurden sie bald zu führenden Vertretern eines neuen fotojournalistischen Stils in der Schweiz. Ähnlich wie die "Zürcher Illustrierte" in den dreissiger Jahren setzte die vom Walter-Verlag, Olten, herausgegebene "Die Woche" unter der Leitung des Bildredaktors Jacques Plancherel neue Massstäbe im Umgang mit Fotoreportagen. Vor allem in den fünfziger Jahren gelang es ihr, hohe Aktualität, informative Berichte, erzählerische Qualitäten, soziales Engagement und gestalterische Ansprüche miteinander zu verbinden. So wurde sie auch zu einem attraktiven Forum für die Publikation und Verbreitung von Autorenfotografie.


Werner Bischofs berühmte Reportage über die Hungersnot in Indien (1951) erschien zum Beispiel fast gleichzeitig in der Woche und im amerikanischen "Life". René Burri veröffentlichte eine seiner ersten Reportagen in der Woche, und zu den regelmässigen Woche-Mitarbeitern gehörten Fotografen wie Fernand Rausser, Fred Mayer, Georg Gerster oder Bernhard Moosbrugger. Dank einem Abkommen mit Magnum (Paris) waren in diesem Medium aber auch illustre Namen der internationalen Fotoszene vertreten (Henri Cartier-Bresson, Ernst Haas, Frank Horvat u.a.). In der Woche blühte die klassische Fotoreportage nochmals auf, bevor die Einführung des Fernsehens und neuer Boulevardmedien den Fotojournalismus in eine Krise stürzten und zu einer Neuorientierung zwangen. "Die Woche" wurde schliesslich 1973 eingestellt.


Es ist denn auch bezeichnend, dass sich sowohl Rob Gnant als auch Yvan Dalain – wie viele andere gute Fotografen – in den sechziger Jahren von der Reportagefotografie entfernten und vor allem im Film oder im Fernsehen neue Ausdrucksmöglichkeiten erkannten. Während sich Gnant mit dem Filmer Alexander J. Seiler zusammentat und im dokumentarischen Autorenfilm Hervorragendes leistete (Goldene Palme in Cannes 1963 für den Kurzfilm "In wechselndem Gefälle"), vermochte Dalain das Medium des Fernsehens in innovativer Weise zu nutzen, um visuell und dramaturgisch attraktive Geschichten zu erzählen (und zu erfinden). Beide Fotografen konnten auf diese Weise ihr Talent für bildhaft vermittelte Botschaften in einer neuen, filmischen Form zum Ausdruck bringen, wobei sie ihrem Bedürfnis nach gesellschaftskritischer Aufklärung (Gnant) bzw. nach dem Durchleuchten sozialer und individueller Rollenspiele (Dalain) durchaus treu blieben. Durch die Verlagerung ihrer beruflichen Schwerpunkte geriet ihr fotografisches Werk aber zunehmend in Vergessenheit.


In den vergangenen Jahren hat die Fotostiftung Schweiz das kaum mehr bekannte Bildmaterial in enger Zusammenarbeit mit den Autoren Yvan Dalain und Rob Gnant aufgearbeitet. Dazu boten sich günstige Voraussetzungen: Dalains gesamtes Positiv- und Negativarchiv konnte bereits im Jahr 2000 in die Bestände der Stiftung integriert werden, während Gnant ein eigenes Archivprojekt (Sichtung und Inventarisierung) durchführte, um sein fotografisches Werk demnächst der Fotostiftung Schweiz zu übergeben. Im Fall von Dalain konnten überdies dank Unterstützung des Vereins Memoriav umfangreiche Restaurierungen an den gefährdeten Beständen durchgeführt werden, so dass sich wichtige Teile seines Werks heute wieder in gutem Zustand präsentieren.


Peter Pfrunder, Direktor


Ausstellungsdauer: 15.11.2003 - 8.2.2004
Oeffnungszeiten: täglich 11 - 18 Uhr, Mi 11 - 20 Uhr
Montag geschlossen


Fotostiftung Schweiz
Grüzenstrasse 45
8400 Winterthur
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