© Ursula Palla

Ursula Palla, Schmetterlinge, 2004
Video-Installation


Do The Foxtrott

Franz Gertsch
, Walter Pfeiffer, Lucia Coray, Ursula Palla, Pascale Wiedemann, Jason Klimatsas


Ganz bewusst stehen die sechs Positionen in dieser Reihenfolge aufgeführt: der älteste Vertreter wurde 1930 geboren, der jüngste zählt gerade mal vierundzwanzig Lenzen. Fünfzig Jahre in denen in fast regelmässigen Abständen die restlichen vier Kunstschaffenden ihr Geburtsjahr vermerken können. Wir haben es einerseits mit einer komprimierten Version einer "Generationenshow" zu tun, die auf den ersten Blick frei assoziativ aufeinander abgestimmte Arbeiten vereint. Bei einem näheren Blick aber offenbaren sich andererseits nicht unscheinbare gemeinsame Besonderheiten, welche die Werke jedoch nicht in ein vorgeschriebenes Erwartungsmuster pressen: formal ästhetisch wie auch arbeitstechnisch aber auch inhaltlich gesehen sind Begriffe wie Rhythmus/Rhythmisierung - wie bereits im Titel angekündigt - aber auch Experiment und Serieverschriebenheit, werkverbindend. Des weiteren lassen sich die präsentierten Arbeiten kunsthistorisch betrachtet in die wohl traditionellsten zwei Gattungen des Portraits und der Landschaft einordnen.


Franz Gertsch (*1930, Mörigen) ist mit einem in Technik und Format einzigartigen Holzschnitt vertreten. In einer bisher unbekannten Präzision der Ausführung und in Monumentalformaten, die an die Grenzen des Machbaren stossen, hat Gertsch diesem traditionellen Medium neue Dimensionen erschlossen und belegt mit einer graphischen Virtuosität programmatisch seine Autonomie gegenüber der Wirklichkeit.


Seit Jahrzehnten dem Experiment von Gross- und Nahaufnahmen von Porträts- und Landschaftsdarstellungen verschrieben, zeigt die Ausstellung zwar nur ein Bild, dieses jedoch lässt unmissverständlich an eine ganze Serie möglicher Exponate denken: zum Beispiel an die "Gräser I-III", welche an ein im Wind wogendes Feld erinnern, einen unaufhörlichen Rhythmus suggerierend. Kein Betrachter kann das Realistische aus dem Sinn verlieren, ebenso wenig wie er sich dem abstrakten "Allover" der Malerei entziehen kann. So stehen diese Bilder auf der nachvollziehbaren Schnittstelle zwischen Verismus und Abstraktion, denn in der Wiederholung des Motivs hebt sich das Gesamtbild auf und weicht einer rein malerischen Realität.


Walter Pfeiffer (*1946, Zürich), eben erst in einer Retrospektive im Centre Culturel Suisse in Paris gezeigt, präsentiert uns im Rahmen dieser Gruppenausstellung eine Serie neuerer Portraits, welche Frauen, Fräuleins und Musen abbilden. Ende der 70er Jahre war er schon mit einer Art von Fotografie vertreten, wie sie schliesslich erst die 90er Jahre in Gestalten wie Nan Goldin, Wolfgang Tillmans oder Jack Pierson als grosse Erfindung feierten. In seinen Stilleben, Landschaftsbildern und Portraits von schönen Jungs und frechen Frauen feiert Pfeiffer seine Suche und Sucht nach Schönheit und Glamour mit Ironie und Hintersinn. Sein Werk stellt ein inhaltliches Experiment dar, welches um Körper und Gesicht kreist; doch werden diese nicht psychologisch ausgelotet oder mit existenzieller Geste inszeniert. Er zeigt sie vielmehr als Stars, spielt mit ihrer erotischen Aura, verleiht ihnen schillernd vage Persönlichkeiten, losgelöst von ihrem Alltagsleben.


Lucia Corays (*1957, Zürich) Bedürfnis nach Wiederholung hat sich auch in ihren neueren und neuesten Arbeiten durchgesetzt und so schreibt sie weiter an der Formulierung und Festsetzung einer Norm des Repetitiven und Seriehaften. Bekannt geworden mit ihren in einer Reihe über- und nebeneinander stehenden, typisierten Köpfchen, wo eine Nahsicht der Bilder erst die anfänglich wie ein Ornament daherkommende Landschaft aus Gesichtern eröffnet, zeigt sie in dieser Ausstellung eine Weiterentwicklung dieser Kleinportraits. In ihren ursprünglichen Standorten etwas oder gar ganz verrückt, bewegen sich erneut in rhythmisch freierer Geste hingesetzte Gesichter auf der Blattvorlage. Es scheint fast so, als wäre die ursprüngliche Ordnung einem neuen Chaos gewichen, wobei das Bildmotiv weiter dem herkömmlichen Experimentierfeld verschrieben bleibt, in seiner darstellerischen Breite aber ausgelotet wird.


Ursula Palla zeigte anlässlich der Ausstellung "Draft/Durchzug - 20 Jahre Stiftung Binz39" in der Kunsthalle Zürich die interaktive Videoinstallation "flowers I": das projizierte Blumenstilleben wurde durch sich annähernde Betrachtende in die Luft gesprengt. Die kollektive Sehnsucht nach intakter Landschaft, Natur und Schönheit sind Themen ihrer Arbeiten, wobei der dialektische Aspekt der Zerstörung immer schon latent präsent ist. Palla arbeitet mit Elementen und Abbildern von Landschaften und setzt sie teilweise in repetitiver Form zusammen, sodass digitale Ornamente entstehen; dabei fliessen Natürlichkeit und Künstlichkeit immer ineinander über: so auch in der präsentierten Arbeit "Perserteppich", wo sie auf ein Stück natürlichen Rasens das Muster eines Perserteppichs gewalzt hat.


Ihre Videoinstallationen spielen mit konstruierter Schönheit, den gesellschaftlichen Vorstellungen von Natur, unseren Erwartungen nach Urtümlichkeit und Einzigartigkeit und illustrieren den verklärten und idealisierenden Blick. Die Arbeiten aus den Serien "landscapes", "flowers", "Schmetterlinge" und "Erdbeerinsel" zeigen diese Verschiebungen unserer Wahrnehmung, die durch das Vermengen von Realitätsebenen entstehen. Auch in dieser Ausstellung präsentiert sie eine "nature morte Installation" (Schmetterlinge) wo das Gute nur zu rasch ins Böse kippt.


Ähnlich wie in Pallas Arbeiten, markiert Pascale Wiedemann (*1966, Chur) in ihrem Schaffen präzise jene Schnittstellen unserer Lebenswelt, wo das Gute und das Böse, das Hässliche und das Schöne sich berühren. Wie ein roter Faden ziehen sich, subtil konstruiert, solch bitterböse Momente voll feinsinniger Ironie durch ihr Werk. Ob in Kunstharz eingelassene Fotos oder die gestickten Bilder auf Zellophanfolien, immer handeln die Arbeiten "von der Natur der Dinge"; dabei thematisiert sie Metamorphosen, Häutungen und die Unabwendbarkeit von Phänomenen wie Veränderung, Zerfall und Tod.


In "Do The Foxtrott" ist sie mit einer Serie von fünf in Kunstharz eingegossenen Fotografien vertreten ("Zustände eines Portraits"). Die dargestellten Figuren kommen dem Betrachter durch die verwendete Technik zwar näher, bleiben aber in ihrer verschlossenen Art fremd im Bild stehen: nie sieht man ein Gesicht, selten einen in seiner Ganzheit schlüssigen Körper. Jeder von uns kennt die Situation sich fotografieren lassen oder alltägliche Dinge des Lebens erledigen zu müssen, ohne sich dafür in Stimmung zu fühlen, geschweige denn diese Gemütsverfassung gegen aussen tragen zu wollen - man fühlt sich sad, sober, weak oder sincer.


Der noch sehr junge Multimedia-Künstler Jason Klimatsas (*1980, Aarau) präsentiert für diese Ausstellung eine Arbeit die sich im gesteckten Horizont von Landschaft und (Stadt-) Portrait nur zu gut einbetten lässt: seine Stadtansichten aus der Vogelperspektive zeichnen sich durch eine stark rhythmisierte Struktur aus, die repetitiv anmutet und die, wie in Gerhard Richters Stadtbildern, durch die Entfernung zwischen Betrachtenden und Bild als Abstraktionsgrad funktioniert, als Regulant zwischen Schärfe und Unschärfe. Ungewöhnliche Bildwelten faszinieren ihn: so zeigte er 2002 in der Galerie des Migros Kulturbüros in Zürich ein Billboard wo er die grosse Werbefläche für ein übergrosses Stilleben benutzte. Dieses Jahr war er im Zürcher Ausstellungsraum les complices* mit einer Serie malerischer Skulpturen, wo das Eindimensionale fast unsichtbar ins Zweidimensionale übergeht, vertreten.


Alexandra Blättler


Ausstellungsdauer: 9.10. - 13.11.2004
Oeffnungszeiten: Do-Sa 14 - 18 Uhr


Stiftung Binz39
Sihlquai 133
8005 Zürich
Telefon 01 271 18 71
Email levy-binz39@bluewin.ch

www.likyou.com/jason
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