© Franz Gertsch

Patti Smith IV, 1979
Courtesy Galerie Haas & Fuchs, Berlin


Franz Gertsch
Patti Smith



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Fünf Bilder, die der Schweizer Maler Franz Gertsch von der amerikanischen Rocksängerin Patti Smith zwischen 1978 und 1980 malte, stehen im Mittelpunkt der Ausstellung. Diese Serie ist nach über 25 Jahren erstmals wieder zusammen zu sehen.


Gezeigt wird Patti Smith in unspezifischer Umgebung. Dies ermöglicht eine direkte Konfrontation der Dargestellten mit dem Betrachter. Technisches Equipment suggeriert ein Bühnengeschehen vor einem nicht gezeigten Publikum. Die bewusst eingesetzte Leere, welche die Sängerin isoliert, darf ebenfalls als Zeichen ihrer öffentlichen Rolle interpretiert werden. Daneben gibt es aber auch Hinweise auf eine Sphäre des Individuellen und Privaten. Dieser "andere" Raum ist ein atmosphärischer, den sich die Figur durch Körperhaltung, Mimik und Gestik zu verschaffen sucht. Im ersten Bild der Werkgruppe findet diese Durchdringung von öffentlichem und privatem Raum am offensichtlichsten statt. Patti Smith dreht dem Betrachter den Rücken zu und erzeugt durch diese Wendung eine für den Betrachter nicht einsehbare, intime Zone, innerhalb derer sie sich konzentrieren kann. Diese Wahrnehmung einer Privatsphäre steht in spannungsvollem Kontrast mit der Monumentalität der Gesamtszene.


Die fotorealistisch gemalten Bilder wirken zum Teil unscharf, zeigen die schmutzige leere Wand im Zentrum und den Star an den Rand gerückt, aus dem Bild laufend, vom Mikrofon verdeckt, in Rückenansicht oder von Haaren verdeckt, mit zum Teil geschlossenen Augen oder abgeschnittenen Beinen. Gertsch macht augenscheinlich alles falsch um einen Star mediengerecht und werbewirksam in Szene zu setzen. Bei den vom Künstler selbst geschossenen Fotografien, welche die Basis für die Gemälde darstellen, geht es Franz Gertsch nie um "gute Fotos", sondern um "gute Bildvorlagen". Die Ästhetik dieser Fotos, die mit Mitteln scheinbarer Unprofessionalität, mit Unschärfe, willkürlichen Bildausschnitten, "unvorteilhaften" Ansichten, Sequenz statt Festlegung auf ein "gültiges" Einzelbild einen Eindruck von Unmittelbarkeit und Authentizität erzeugt, war seiner Zeit weit voraus. Erst in den 1980er und 90er Jahren setzen sich Nan Goldin oder Wolfgang Tillmans mit einer vergleichbaren Sicht auf die Wirklichkeit durch.


Die für Franz Gertsch charakteristische Maltechnik versperrt sich der Dynamik des dargestellten Motivs. Jeder der unendlich vielen, kleinen Pinselstriche beharrt auf dem verlängerten Stillstand einer konzentrierten Momentaufnahme. Gertschs künstlerische Haltung folgt damit nicht mehr der Anfang der sechziger Jahre ausgerufenen und bis Mitte der siebziger Jahre dominanten Kritik am fotografischen wie gemalten Bild: Andy Warhols Siebdruckfabrikation konterkariert die Forderung nach einer malerisch-gestischen bzw. subjektiven Handschrift. Die bis zur Unkenntlichkeit aufgerasterten "Zeitungs"-Bilder von Sigmar Polke entlarven ironisch deren Unzulänglichkeiten. Die unscharfen, grauen oder verspiegelten Gemälde von Gerhard Richter oder Imi Knoebel sind Ausdruck der Distanznahme und puren Verweigerung. Im Gegensatz dazu ist die Malerei von Franz Gertsch affirmativ. Gertsch geht es niemals um die subversive Vorführung des Mediums Malerei. Dennoch wachsen gerade durch die extreme Steigerung seines malerischen Illusionismus Zweifel an der "Echtheit" der Darstellung, und je mehr Gertsch auf der Malerei insistiert, desto deutlicher führt er die Paradoxie des Mediums vor Augen, mit Hilfe der Täuschung das Wahre enthüllen zu können.


Seit seinem Aufritt auf der legendären documenta V (1972) in Kassel zählt Gertsch zu den Protagonisten eines internationalen Fotorealismus. Aus dieser frühesten Werkphase stammt "At Luciano's House" von 1973, das in der gemeinsam mit dem Museum Franz Gertsch konzipierten Ausstellung die Patti-Smith-Serie ergänzt und zusammen mit dem "Selbstbildnis" von 1980 deren Bedeutung für das Gesamtschaffen des Künstlers deutlich macht.


Verantwortlicher Kurator der Ausstellung: Bernhart Schwenk


Ausstellungsdauer: 12.11.2003 - 6.1.2004
Oeffnungszeiten: Di/Mi/Sa/So 10 - 17 Uhr,
Do/Fr 10 - 20 Uhr
Montag geschlossen


Pinakothek der Moderne
Kunstareal München
Barer Strasse 40
D-80333 München
Telefon +49 (0)89 23805 360

www.pinakothek-der-moderne.de





Franz Gertsch
Patti Smith



Five paintings that Swiss painter Franz Gertsch made of rock singer Patti Smith between 1978 and 1980 are at the center of this exhibition. This series is shown together for the first time in more than 25 years.


Patti Smith is shown in unspecified surroundings. This makes it possible for the viewer to confront the portrayed person directly. Technical equipment suggests a performance on stage in front of an audience that is not shown. The conscious empty setting, which isolates the singer, can also be interpreted as a sign of her public role. In addition, the private and individual sphere is indicated. This "other" space that the figure tries to achieve through its pose, expression and gestures is more atmospheric. In the first painting of the work group this fusion of public and private space is the most obvious.


Patti Smith turns her back on the viewer and through this turning away creates an intimate zone, which is not visible to the viewer, in which she can concentrate herself. This consciousness of privacy stands in exciting contrast to the monumentality of the entire scene.


The photo-realistically painted pictures that seem in part blurred, place the dirty, empty wall in the center and push the star toward the edge of the canvass, running out of the picture, hidden by the microphone, viewed from the back or covered with hair, sometimes with her eyes closed or with her legs cut off. At first glance, Gertsch does everything wrong in portraying a star in a media-acceptable and effective way. In the photographs that Franz Gertsch himself made, his intention was never to make "good photos," rather to create "good models for his paintings." The aesthetics of these photos, which appear unprofessional with their blurred images, arbitrary cropping, "unflattering" views, sequence instead of commitment to a valid individual picture, create an impression of directness and authenticity that was far ahead of its time. Not until the 1980s and 90s would Nan Goldin or Wolfgang Tillmans, accomplished a similar view of reality.


Franz Gertsch's characteristic painting technique obstructs the dynamics of the depicted subject. Every one of the countless small brush strokes concentrates on the lengthened stopped action of a concentrated momentary photo.


Gertsch's artistic stance thus no longer follows the dominant critique of photographs and paintings that began in the 60s and lasted until the middle of the 70s. Andy Warhol's silk screen prints thwart the demand for a subjective artistic gesture and personal style. The "Newspaper" paintings ("Zeitungs"-Bilder) of Sigmar Polke, based on printing grids that make them barely recognizable, expose their ironic inadequacies. The blurred, gray or reflected paintings of Gerhard Richter or Imi Knoebel are expressions of distancing and protest.


In contrast the painting of Franz Gertsch is affirmative. Gertsch never attempts the subversive presentation of painting. And yet the extreme intensification of his painterly illusionism creates doubts of the reality of his portrayal, and the more Gertsch insists on the painting, the more clearly can the paradox of the medium be seen - with the help of deception he is able to expose the truth.


Since his appearance at the legendary Documenta V in 1972 in Kassel, Gertsch is recognized as one of the protagonists of international photo realism. "At Luciano's House" from 1973 stems from this early work phase, which together with his "Self-portrait" from 1980 and the Patti Smith series, underlines and complements the importance of the total oeuvre of the artist. The exhibition was jointly conceived with the Museum Franz Gertsch.


Curator responsible for the exhibition: Bernhart Schwenk


November 12, 2003 - January 6, 2004


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