© Stefano Ricci

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Lorenzo Mattotti, Caroline Sury, Stefano Ricci, Dominique Goblet


Fumetto: Internationales Comic-Schaffen



Comic-Zeichner und bildende Künstler verbindet eine rund hundertjährige Beziehung der Faszination und Verachtung, des Gebens und Nehmens, der Annäherungen und Abgrenzungen und vor allem: Der Missverständnisse. Diese Geschichte fand in Lyonel Feininger ihren ersten Grenzüberschreiter - die Kunstwelt indessen hat den Umstand, dass der als kubistischer Maler und Bauhausmeister bekannte Feininger seine Laufbahn 1894 als begnadeter und erfolgreicher Cartoonist und Comic-Zeichner begann, lange geflissentlich verdrängt. An Picassos Ausspruch, er bereue nur eines: Keine Comics gezeichnet zu haben, erinnert sich vor allem die durch des Maestros Bekenntnis gebauchpinselte Comic-Szene. Dann gibt es noch Roy Lichtenstein: Indem der Pop-Artist Einzelbilder aus trashigen Sixties-Comics grossformatig abmalte und mit neuen Sprechblasentexten versehen zu Kunstwerken adelte, gelangte er zu Weltrum - von wem aber die bunten Vorlagen stammten, interessierte niemanden. Warum auch? Comics sind ja keine Kunst.


Lange haben bildende Künstler die Comics als einen unerschöpflichen Fundus brauchbarer Ikonen betrachtet, in welchem sie sich frei bedienen konnten: Die Comics boten den Ruch des Niederen und Verbotenen, ihre Vitalität belebte Galerie- und Museumswände, und ihre Popularität garantierte Realitätshaftung durch Wiedererkennung. Die Comics selber hingegen hatten, ausserhalb Frankreichs jedenfalls, im Museum nichts zu suchen. Die meisten Versuche wiederum von Comic-Zeichnern (die, zumindest in den ersten Jahrzehnten der Comic-Geschichte, nicht selten verhinderte Maler waren - als Beispiel soll hier nur der Globi-Zeichner Robert Lips erwähnt werden), in der Kunstwelt Fuss zu fassen, scheiterten zugegebenermassen an der mangelnden Qualität ihrer Arbeiten. Ein vergrössertes Comic-Panel ist kein Bild, bildende Kunst und Comics sind zwei unterschiedliche Ausdrucksformen mit eigenen Gesetzen, Möglichkeiten und Beschränkungen.


Zum Glück sind sowohl die Kunst-, als auch die Comic-Szene in Bewegung: Seit den siebziger Jahren setzen sich immer mehr Künstler durch, die die letztlich künstliche Abgrenzung zwischen hoher und niederer Kultur unterlaufen und sich in beiden Welten gleichermassen wohlfühlen. Einer der ersten und bis heute konsequentesten Grenzgänger ist Gary Panter (Gast am Fumetto 2003), der eine ordentliche Karriere im Kunstbetrieb zugunsten eines anarchischen Vorwärtsgehens in alle Richtungen (Comics, Kunst, Illustration, Bühnenbilder, Webanimationen, Multimediaperformances, Werbung, Musik etc.) geopfert hat und heute das grosse Vorbild zahlloser ähnlich gesinnter Künstler auf der ganzen Welt ist. In der Schweiz ist M.S. Bastian (der dieses Jahr die "Le Pulp"-Fumetto-Bar dekoriert hat) das erfolgreichste Beispiel eines Künstlers, der sich unbekümmert zwischen Comic und Kunst tummelt. Eine ähnlich offene und eigenwillige Haltung prägt auch die Arbeit und das Vorgehen der im Kunstmuseum präsentierten Lorenzo Mattotti, Dominique Goblet, Stefano Ricci und Caroline Sury.


Es ist kein Zufall, dass alle diese Künstler bereits am Luzerner Comix-Festival Fumetto ausgestellt wurden. In der Tat ist Fumetto das vermutlich einzige Comic-Festival, das sich seit seinen Anfängen dermassen bewusst und konsequent mit den Schnittstellen zwischen Comics und Kunst auseinandersetzt. Dabei war es nie die Absicht, die Comics durch etwelche Konzepte und Dogmen "aufzuwerten" und zu "hoher Kunst" zu stilisieren - Fumetto wollte und will ganz einfach zeigen, wie interessant die in diesem weit offenen Brachland entstehenden Arbeiten sind.


Als Gast im Kunstmuseum nutzt Fumetto die Chance, in einer Gruppenausstellung zwei Künstlerinnen und zwei Künstler zu zeigen, für die die Comic-Panels immer wieder zu eng sind. Dominique Goblet, Caroline Sury, Stefano Ricci und Lorenzo Mattotti haben sich ihre Freiräume geschaffen, um die für das jeweilige Projekt adäquate Form zu finden - das können Comics oder Bilder sein, aber auch Zeichnungen, Siebdrucke, Objekte oder Installationen. Bei aller Individualität ist ihnen aber etwas gemein: Sie leugnen ihre Comic-Wurzeln nicht, sondern bekennen sich im Gegenteil stolz zu ihrer künstlerischen Herkunft. Deshalb ist in allen ihren Arbeiten - in ihren Comics ebenso wie in ihren Einzelbildern - eine narrative Ebene vorhanden.


Ausstellungsdauer: 1.5. - 25.7.2004
Öffnungszeiten: Di-So 10 - 17 Uhr, Mi/Do 10 - 20 Uhr


Kunstmuseum Luzern
Europaplatz 1
6002 Luzern
Telefon 041 226 78 00
Fax 041 226 78 01
Email kml@kunstmuseumluzern.ch

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