© Gilles Barbier

o.T. (Aaaah!), 2004 (Ausschnitt)
Gouache auf Papier, 4-teilig je 120 x 190 cm
Courtesy: Galerie Georges-Philippe & Nathalie Vallois, Paris


Gilles Barbier


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Die Frage danach, wie wir uns durch eine immer komplizierter erscheinende Realität bewegen können, verlangt nach Kriterien der Bewertung. Modelle, Strukturen und Systeme helfen uns dabei, die Orientierung nicht zu verlieren und die Flut der Informationen individuell zu nutzen: Auch die künstlerische Welt von Gilles Barbier ist komplex und basiert auf einer weit verzweigten und inhaltlich wie auch ästhetisch aufgeladenen Verknüpfung zwischen unterschiedlichen Systemen. Diese verbindet der französische Künstler zu einer Art gesamtkosmologischen Konzept, dessen Bereiche er in verschiedene Sphären und Zonen einteilt , die er u.a. als Pictosphäre, Infosphäre, Pornosphäre oder auch Megasphäre bezeichnet.


Im Zentrum von Barbiers Beschäftigung steht die Erforschung unserer Lebenswelten. Seine Auseinandersetzung mit den Naturwissenschaften, mit Linguistik, Psychologie oder auch Philosophie bietet ihm eine breite und humanistisch geprägte Grundlage, von der aus er weitere Themen behandelt, wie sie unsere Informations- und Kommunikationsgesellschaft generiert. Dabei interessieren ihn keine moralisierenden Haltungen und starren Systeme. Vielmehr geht es darum, Realität immer wieder neu zu interpretieren, sie zu korrigieren und dabei wieder neu zu definieren. Gilles Barbier arbeitet vielfältig: Mit seinen Installationen, Zeichnungen, Fotografien, Skulpturen oder auch Objekten inszeniert er komplexe Zusammenhänge, in denen er selbst als Alter Ego immer wieder auftaucht. Auf den ersten Blick erscheint diese unterschiedliche mediale Behandlung von starker Heterogenität und deutlichen Brüchen geprägt, doch erweisen sich diese bei näherer Betrachtung als notwendige Form, um einer besonderen Suche nach konstruktiver Widersprüchlichkeit gerecht zu werden.


Gilles Barbier zeigt in seiner bislang umfangreichsten Einzelausstellung in Deutschland ein breites Konvolut grossformatiger Gouachen - vierzig Arbeiten - und zudem die eindrückliche skulpturale Installation "L'Ivrogne", die durchaus als Schlüsselwerk im Zusammenhang seiner Arbeiten gesehen werden kann.


Barbiers Gouachen bieten einen einzigartigen Einblick in seine künstlerische Haltung, denn sie verbinden alltägliche Realitätsformen mit neuen, imaginären Welten. Stoss an Stoss ziehen sich die sepia-dunklen Bilder wie ein langes Band über die langen Wände im Kunstverein Freiburg. Wie Fliegenschwärme durchziehen Textfragmente die Arbeiten und legen sich um die einzelnen Bildobjekte: Texte in Sprechblasen oder als Untertitel kommentieren unterschiedliche Erzählstränge einzelner oder miteinander verwobener Motive und Momente. Haifische, arrangiert wie in einem Bestiarium, Surfer, die in einem Nichtraum auf imaginären Wellen reiten, Bomben, die durch ein dunkles und gleichzeitig kommentiertes Nichts fliegen oder Planetensysteme und molekülartige Gebilde, die wie kodierte Informationen erscheinen: Gilles Barbiers Gouachen ziehen uns in eine intensive Welt der Reflektion und Beobachtung hinein und verführen uns, Realität und Wirklichkeit neu zu entdecken.


Im Zentrum der Ausstellungshalle des Kunstvereins ist die sieben Meter hohe Arbeit "L'Ivrogne" plaziert: Das Alter Ego von Gilles Barbier kniet auf dem Boden und aus seinem Kopf steigen in einer Spirale die Gedanken empor: In den Arbeiten von Gilles Barbier geht es immer wieder um die grundsätzliche Notwendigkeit, konfektionierten Realitätsmustern zu misstrauen. Mit seiner präzisen Beobachtungsgabe, seinem entwaffnenden, ironischen Humor und einer starken Bildkraft hinterfragt Gilles Barbier Systeme, destabilisiert Sicherheiten und generiert dabei neue Realitätszusammenhänge.


Wir danken der Unterstützung: Stadt Freiburg, Land Baden-Württemberg, Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau. Unser herzlicher Dank bei der Vorbereitung der Ausstellung gilt der Galerie Georges-Philippe & Nathalie Vallois, Paris sowie dem Musée d'art contemporain Val-de-Marne, Vitry.


Ausstellungsdauer: 17.9. - 24.10.2004
Oeffnungszeiten: Di-So 11 - 17 Uhr, Mi 11 - 21 Uhr


Kunstverein
Dreisamstrasse 21
D-79098 Freiburg
Telefon +49 761 349 44
Fax +49 761 349 14
Email info@kunstvereinfreiburg.de

www.kunstvereinfreiburg.de




Gilles Barbier


In order to answer the question of how can we maneuvre through reality given its apparently ever-greater complexity, we need evaluation criteria. Models, structures and systems ensure that we do not lose our orientation, and help us to filter out from the flood of information those items that are of use to us as individuals. Gilles Barbier's artistic world is complex in structure and based on intricate links - charged with meaning and aestheticism - between different systems. Barbier combines all of this to form a general cosmological concept, which he then subdivides into various spheres and zones - described variously as pictosphere, infosphere, pornosphere and megasphere.


The primary focus of Barbier's work is an investigation of the different worlds we live in. Given his own study of the sciences, linguistics, psychology and philosophy, he has a broad humanistic base that provides the starting point for his exploration of various additional topics, all typical offshoots of our information and communication society. But he is not interested in moralizing attitudes or rigid systems. Rather, he is intent on redefining reality again and again, correcting it, and thus redefining it. Gilles Barbier works in a variety of mediums: With his installations, drawings, photographs, sculptures and objects he orchestrates complex settings in which he repeatedly features as an alter ego. At first sight, this multi-media approach seems to be characterized by strong heterogeneity and marked fragmentation but a closer examination reveals this to be the form best suited to a search for constructive inconsistency.


In his most comprehensive solo show in Germany to date, Gilles Barbier presents a varied collection of large-format gouaches - forty works in all - together with the impressive, sculptural installation "L'Ivrogne", which can arguably be viewed as pivotal in the context of his oeuvre.


Barbier's gouaches offer a unique insight into his artistic strategy, as they combine everyday forms of reality with new, imaginary worlds. Positioned right next to each other the dark, sepia pictures spread out like a long ribbon over the walls of the Kunstverein Freiburg. The drawings are threaded through with fragments of text resembling swarms of flies that settle around individual picture subjects: texts in speech balloons or as subtitles comment on various narrative strands of separate or interwoven subjects. Sharks arranged as in a bestiary, surfers riding on imaginary waves in non-space, bombs that hurtle through a dark void that is nonetheless defined or planetary systems and molecular structures that look like coded information: Gilles Barbier's gouaches draw us into an intensive world of reflection and observation, and entice us to rediscover reality.


At the center of the Kunstverein exhibition rooms stands, seven meters high, the sculptural work "L'Ivrogne": the alter ego of Gilles Barbier kneels on the floor, thoughts spiralling upward from his head. A recurring theme in Gilles Barbier's work is the need to mistrust orchestrated patterns of reality in principle. With his acute powers of observation, disarming, ironic humor and stark visual impact Gilles Barbier questions systems, undermines things that seemed certain, and in the process generates new reality contexts.


We would like to express our thanks for their support to: the town of Freiburg, the federal state of Baden-Württemberg and Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau. Furthermore, our sincere thanks to Galerie Georges-Philippe & Nathalie Vallois, Paris for preparing the exhibition, and finally the Musée d'art contemporain Val-de-Marne, Vitry.


September 17 - October 24, 2004