Harald Szeemann

Harald Szeemann beim Einrichten der "Platform of thought" im italienischen Pavillon der Biennale di Venezia, 2001
Harald Szeemann, arranging the "Platform of thought" in the Italian pavilion at Venice Biennale, 2001


with by through because towards despite
The catalogue of all exhibitions by Harald Szeemann and impronte di pennello n. 50 ripetute a intervalli regolari (30 cm) by Niele Toroni



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Die Kunsthalle Basel zeigt anlässlich der Publikation des Katalogs sämtlicher Ausstellungen von Harald Szeemann (1933-2005) in einer Ausstellung eine kleine Auswahl von Dokumenten aus dem Archiv des im ausgehenden 20. Jahrhundert namhaftesten unter den freien Kuratoren zusammen mit einer Intervention von Niele Toroni (*1937, lebt in Paris). Der von Tobia Bezzola und Roman Kurzmeyer erarbeitete Gesamtkatalog der Ausstellungen von Harald Szeemann steht im Zentrum der Ausstellung.


Harald Szeemann veränderte mit seinen zahlreichen Ausstellungen, die er seit 1957 zunächst in der Schweiz und später als international gefragter freier Kurator weltweit organisierte, nicht nur die Auffassung darüber, wie moderne und zeitgenössische Kunst auszustellen sei, sondern stellte auch die Institution Museum zur Debatte. Mit der Ausstellung "When attitudes become form" 1969 in der Kunsthalle Bern, die im Jahr nach den Studentenunruhen die Prozesshaftigkeit der zeitgenössischen Kunst als Ausstellung thematisierte, zieht Szeemann nicht nur wegen der beteiligten Künstlerinnen und Künstler die Aufmerksamkeit der internationalen Kunstszene auf sich, sondern auch wegen der Ausstellungskonzeption.


Szeemann versammelte in seiner Ausstellung europäische und amerikanische Künstlerinnen und Künstler der jüngsten Generation, neue Namen wie Richard Serra, Robert Morris, Michael Heizer, Eva Hesse, Bruce Nauman, Joseph Beuys, Mario Merz, Richard Artschwager und Lawrence Weiner, deren Arbeiten in Bern vor Ort entstanden. Szeemann erkannte, dass der Kunstbegriff dieser Generation, der Werkformen wie Konzeptkunst, Landart, Installation, Environment und Happening umfasst, nach neuen Ausstellungsformen verlangte. Schritt für Schritt im Einklang mit den Künstlerinnen und Künstlern seiner Generation entwickelte er parallel zur Erweiterung des Kunstbegriffs neue Präsentationsformen.


Nach dem Weggang von der Kunsthalle Bern 1969 als Folge der Diskussionen um die in Bern umstrittene Ausstellung "When attitudes become form" und einem damit zusammenhängenden Gefühl der Entfremdung gründete Harald Szeemann die "Agentur für geistige Gastarbeit" mit der Absicht, "etwas Neues zu finden und zu tun und mich gleichzeitig vom offiziellen Kunstbetrieb abzusetzen". Die ursprüngliche Leitidee der Agentur war: "Besitz durch freie Aktionen ersetzen". Die Agentur beauftragte ihren einzigen Mitarbeiter, Harald Szeemann, Konzepte für Ausstellungen zu entwickeln, zu recherchieren, die Ergebnisse im Archiv zu sichern, die Ausstellung zu organisieren und schliesslich an jeder Station bis zum letzten Nagel selbst einzurichten und an das Publikum zu vermitteln. 1970 wurde Szeemann zum Generalsekretär der documenta 5 (1972) gewählt, dieser bis heute wichtigsten Ausstellung internationaler Gegenwartskunst. Ab 1973 stellte er die Agentur in den Dienst seines "Museums der Obsessionen".


Szeemann selbst hat schon 1970 in einer Ausstellung in der Galerie Givaudan in Paris und mit der Publikation "Dokumente zur aktuellen Kunst 1967-1970" sein Archiv thematisiert und dabei die späten sechziger Jahre als Zäsur in seinem Selbstverständnis als Kurator wie auch in jenem der Künstler seiner Generation dargestellt. Die Ausstellung in der Kunsthalle Basel konzentriert sich bewusst auf jenen Zeitraum in den späten sechziger Jahren, in dem Harald Szeemann sich, wie man damals sagte, mit dem "Dreieck Atelier / Galerie / Museum" beschäftigte, sich als freier Ausstellungsmacher neu erfand und die "Agentur für geistige Gastarbeit" gründete. Die ausgestellten Dokumente stammen alle aus dieser Umbruchszeit. Nicht von ungefähr feiern wir deshalb die Publikation des Katalogs sämtlicher Ausstellungen von Harald Szeemann mit einer Intervention von Niele Toroni.


Niele Toroni malt seit 1966 nach der immer gleichen Arbeitsmethode: Er wiederholt Abdrücke des Pinsels Nr. 50 in regelmässigen Abständen von 30 cm auf unterschiedliche Bildträger, meistens jedoch direkt auf die Wand, und verwendet dazu ungemischte, wasserlösliche Acrylfarben. 1967 führte er seine neue Arbeitsmethode erstmals in einer Ausstellung der Künstlergruppe "BMPT" vor, der er zusammen mit Daniel Buren, Olivier Mosset und Michel Parmentier angehörte. Der Beschrieb seiner Methode ist seither zugleich auch Titel seiner Malerei: "Impronte di pennello n. 50 ripetute a intervalli regolari (30 cm)". Toroni konzentriert die Malerei auf eine einfache, elementare Tätigkeit, die ohne Erzählung und Erfindung auskommt. Es wurde gesagt, Toroni plädiere für das Schöne, Wahre und Nutzlose und somit für die Autonomie der Kunst. Toronis Schaffen wirkt durch die, wie Szeemann es einmal formulierte, "Zelebrierung des Totalen" weit und erhaben, ist aber zugleich fein, bescheiden, lyrisch und unspektakulär. Der Bestand an Werken ist schmal, denn die meisten Arbeiten sind für einen befristeten Zeitraum entstanden. Szeemann interessierte an Toroni genau dies, nämlich die temporäre Existenzform von dessen Malerei, die, wie eine Ausstellung auch, "als Situation für den, der sie gesehen hat", unvergesslich bleiben kann.


Der in Basel ausgestellte Katalog sämtlicher Ausstellungen ist ein Materialien- und Quellenband zum kuratorischen Schaffen von Harald Szeemann. Die Auswahl des Bildmaterials nahmen die Herausgeber Tobia Bezzola und Roman Kurzmeyer gemeinsam mit Harald Szeemann vor. Das in diesem Buch publizierte Material liegt im Archiv der "Agentur für geistige Gastarbeit". An diesem Ort, in einer ehemaligen Fabrik im Maggiatal (Tessin), liefen alle Fäden zusammen und von dort aus wurden die Ideen wieder in die Welt getragen. Der Katalog sämtlicher Ausstellungen ist ein Produkt dieses Ortes. Es zeigt die Ausstellungen anhand der Dokumente, die Szeemann aufbewahrte.


Kuratiert von Roman Kurzmeyer


Ausstellung anlässlich der Publikation: "Harald Szeemann, with by through because towards despite". Catalogue of all exhibitions 1957-2005, Hrsg. Tobia Bezzola / Roman Kurzmeyer, Edition Voldemeer Zürich / Springer Wien New York 2007.


Ausstellungsdauer 1.7. - 26.8.2007

Oeffnungszeiten Di/Mi/Fr 11 - 18 Uhr, Do 11 - 20.30 Uhr,
Sa/So 11 - 17 Uhr


Kunsthalle Basel
Steinenberg 7
4051 Basel
Telefon +41 61 206 99 00
Fax + 41 61 206 99 19
Email info@kunsthallebasel.ch

www.kunsthallebasel.ch






with by through because towards despite
The catalogue of all exhibitions by Harald Szeemann and impronte di pennello n. 50 ripetute a intervalli regolari (30 cm) by Niele Toroni



To mark the publication of the catalogue of all exhibitions by Harald Szeemann (1933-2005) the Kunsthalle Basel will be showing an exhibition of a small selection of documents from the archive of Harald Szeemann, the most prominent free-lance curator in the late 20th century, together with an intervention by Niele Toroni (*1937, lives in Paris). The focal point of the exhibition is the overall catalogue of all the exhibitions of Harald Szeemann, compiled by Tobia Bezzola and Roman Kurzmeyer.


In the numerous exhibitions which he curated after 1957, first in Switzerland and later worldwide as an internationally acknowledged free-lance curator, Harald Szeemann not only altered the concept of how modern and contemporary art should be exhibited, he also put the institution of the museum up for debate. In the exhibition "When attitudes become form" at the Kunsthalle Bern in 1969, which addressed the theme of the processual aspect of contemporary art in the year after the student unrest, Szeemann attracted the attention of the international art scene not only because of the participating artists, but also because of his exhibition concept.


For that exhibition, Szeemann gathered together European and American artists of the youngest generation, new names like Richard Serra, Robert Morris, Michael Heizer, Eva Hesse, Bruce Nauman, Joseph Beuys, Mario Merz, Richard Artschwager and Lawrence Weiner, whose works were produced on site, in Berne. Szeemann was fully aware that in order to embrace the diversity of new modes of production, presentation and distribution of artwork in concept art, land art, installation, environment and happening, an entirely new model of exhibition display was necessary. Step by step, and in agreement with the artists of his generation, Szeemann embarked upon new presentation forms parallel to the expanded new concept of art.


On leaving the Kunsthalle Bern in 1969, as a consequence of the discussions triggered by the controversial exhibition "When attitudes become form" and to counter a feeling of alienation, Harald Szeemann set up the "Agentur für geistige Gastarbeit" (Agency for intellectual guest labour), the intention being "to find and do something new and at the same time set myself off from the official art business". The agency's original guiding principle was: "to exchange possession for free actions". The agency commissioned its one and only employee, Harald Szeemann, to develop exhibition concepts, do the respective research, secure his findings in an archive, organise the exhibition and finally mount it himself, right down to the very last nail, and mediate between it and the public. In 1970 Szeemann was elected secretary general of documenta 5 (1972), the most important exhibition of international contemporary art to date. From 1973 onwards, he placed his Agency at the service of his "Museum of Obsessions".


Szeemann had already alluded to the theme of his archive in an exhibition at Galerie Givaudan in Paris in 1970 and in the publication "Dokumente zur aktuellen Kunst 1967-1970" (Documents on contemporary art 1967-1970), in which he presented the late 1960s as a caesura, both in his self-image as a curator and in the self-image of artists of his generation. The exhibition at the Kunsthalle Basel will deliberately focus on that period in the late 1960s, when Harald Szeemann was preoccupied with what was called at the time the "Studio / Gallery / Museum Triangle", reinvented himself as a free-lance exhibition curator, and founded the "Agentur für geistige Gastarbeit". The exhibited documents all date from that era of change. It is no coincidence therefore that the publication of the catalogue of all Harald Szeemann's exhibitions is being celebrated with an intervention by Niele Toroni.


Niele Toroni has been using the same method of painting since 1966: he repeats imprints of a certain kind of paint brush, no. 50, at regular intervals of 30 cm on various carriers, but usually directly onto a wall, using unmixed water-soluble acrylic paint. Toroni presented his new working method for the first time in 1967 at an exhibition by the artists group "BMPT", of which Daniel Buren, Olivier Mosset and Michel Parmentier were also members. Since then, the description of his method has also been part of the title of his works: "Impronte de pennello n. 50 ripetute a intervalli regolari (30 cm)". Toroni concentrates painting into a simple elementary action which does completely without narrative or invention. It has been said that Toroni is pleading the cause of the beautiful, the true and the useless, and thus of the autonomy of art. As a result of what Szeemann once called a "celebration of the total", the impact of Toroni's work is expansive and sublime, yet at the same time it is delicate, modest, lyrical and unspectacular. His extant works are small in number, as most of them were created for a limited space of time. What interested Szeemann about Toroni was just that, namely, the temporary existence of his painting, which, also like an exhibition, can be unforgettable "for whoever saw it".


The catalogue of all his exhibitions, on show in Basel, is a volume of materials and sources relating to Harald Szeemann's curatorial work. The pictures were selected by the editors, Tobia Bezzola and Roman Kurzmeyer together with Harald Szeemann. The material reproduced in this book is in the archive of the" Agentur für geistige Gastarbeit". It was there, in a former factory in the Maggia Valley (Ticino), that all the strands came together, and it was from there that the ideas were sent out into the world again. The catalogue of all the exhibitions is a product of that place. It shows the exhibitions by means of documents which Szeemann preserved.


Exhibition on the occasion of the publication: "Harald Szeemann, with by through because towards despite. Catalogue of all exhibitions 1957-2005", ed. by Tobia Bezzola & Roman Kurzmeyer, Edition Voldemeer Zürich / Springer Vienna New York 2007.


Exhibition 1 July - 26 August 2007

Opening hours Tues/Wed/Fri 11 am - 6 pm,
Thu 11 am - 8.30 pm, Sat/Sun 11 am - 5 pm