© Herbert Hinteregger


Herbert Hinteregger
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Geht man davon aus, was einmal der amerikanische Maler James McNeil Whistler zu der Frage nach Einfluss von Erbgut, Umgebung, politischen Umständen etc. auf die Künstler gesagt haben soll, nämlich dass die Kunst passiert ("Art happens"), dass es keine Kunst gäbe, sondern diese stattfinden würde, und zwar im Moment der Auseinandersetzung mit ihr. Jorge Luis Borges erzählt diese Geschichte von Whistler in seinen Vorträgen zur Poetologie ("Das Handwerk des Dichters"). In einer Welt physischer Objekte ist das Kunstwerk auch nur physisches Objekt. Und im Moment der Auseinandersetzung wird aus dem toten Gegenstand ein Gegenstand des Verständnisses, des Begreifens.


Die Gegenständlichkeit der Bilder und Objekte von Herbert Hinteregger und die Ungegenständlichkeit unserer Vorstellungen sind denn auch Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen.


Entlang dem Rand der Bilder von Hinteregger ist der Farbauftrag deutlich abgehoben. Die grundierte Leinwand ist als ein meist weisser Streifen, der sich um das Bild zieht, vorne sichtbar. Somit ist dem Illusionismus vorgebeugt, ein Bild sei an sich schon ein Bild. Nein, da sind Keilrahmen und Leinwand, da ist der Gegenstand, der Bildträger. Auch der Farbauftrag bekommt dadurch eine andere Gewichtung. Durch diese bewusste Anordnung wird die Farbe selbst zum Objekt der Betrachtung.


Die Farben, die Herbert Hinteregger verwendet, sind Kugelschreibertinten verschiedenster Art. Es gibt sie in allen Farben und Dichten. Sie können zart wie Lasur wirken oder dicht und fest. Der Auftrag geschieht meist mittels Schwämmen. Es entstehen Strukturen und Überlagerungen, es gibt pastosen Auftrag und lasurartigen. Die Oberfläche ist in ihrer Farbigkeit leicht changierend, jeder Standpunkt ergibt einen etwas anderen Blick. Mal erscheinen die Farben samtig und weich, mal hart wie Glasur auf Keramik.


Die Bilder Hintereggers rufen Vertrautes wach, mögen es Gestaltungen der fünfziger Jahre sein, ornamentales Design, architektonische Strukturen usw. All dies und doch nicht eindeutig. Der stetige Wechsel im Erscheinungsbild lässt nichts Eindeutiges zu. Unser Umgang mit Bedienungsoberflächen, mit "Fenstern" auf dem Bildschirm, mit der Illusion von hinten und vorne beim Wechsel zwischen Programmen, macht mittlerweile skeptisch. Der Wunsch des Betrachters nach einem Bild und der Verweis auf die Dinglichkeit des Bildes holt den Betrachter immer wieder ein.


Die Strukturen die auf den Bildern sichtbar sind, setzen sich über das einzelne Bild fort, oder kommen in ein Bild von aussen hinein. Ein einzelnes Bild könnte somit auch als Manifest eines Zeitpunktes und Ortes innerhalb eines viel grösser angelegten Vorgangs gelesen werden. Eine Reihe von Bildern ergibt somit ein Bild von Zeit und Raumstruktur, von einem künstlerischen Vorgang der andauert, fortdauert. Die kleineren Bilder wirken daher "schneller", die grösseren "langsamer". Immer kann man sie in einem Zusammenhang lesen.


Zeichnung und Wandmalerei ergänzen das Spektrum. Wieder sind die Bezugspunkte ausserhalb des "Bildes". Ob typografische Zeichen, vorgefundenes Bildmaterial oder Linien, eine Fortsetzung findet im Kopf statt. An Strassenkarten erinnernde Linienführungen sind hart abgegrenzt, während sich der Farbauftrag sonst weicher, organischer zeigt. Diese rational wirkende Linienführungen legen sich wiederum als Strukturen über andere. In den Gemälden wirken sie wie eine zusätzliche Ebene, die ins Bild kommt.


Dass Keilrahmen und Leinwand nur eine Möglichkeit darstellen als Bildträger zu fungieren, ein Gemälde zu erzeugen, zeigt sich bei Herbert Hinteregger auch darin, dass Malerei als künstlerische Tätigkeit sich auch auf andere Bildträger anwenden lässt. Eine kaum radikaler zu denkende Möglichkeit ist sein von ihm als "liquid painting" bezeichneter Swimmingpool bzw. dessen gefärbter Inhalt. Wo ist das Bild? Das gefärbte Wasser, der Pool, die spiegelnde Oberfläche? Oder eine Kugel aus Kugelschreibern, deren Farbe bereits verbraucht ist. Wo ist das Bild, das diese erzeugt haben. Abwesende Bilder als Möglichkeit weiterzudenken.


Text: Axel Jablonski


Ausstellungsdauer: 16.1. - 26.2.2004
Oeffnungszeiten: Di-Fr 13 - 19 Uhr, Do 13 - 20 Uhr
Sa 11 - 15 Uhr


Georg Kargl Fine Arts
Schleifmühlgasse 5
A-1040 Wien
Telefon +43 1 585 41 99
Fax +43 1 585 41 99-9
Email georg.kargl@sil.at




Herbert Hinteregger
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Starting from the assumption of what the American painter James Abbott McNeal Whistler, according to tradition, has stated about the question of the influence of genetic material, environment, political circumstances etc. on artists, namely that "art happens", that art does not exist but happens in the moment of perception. Jorge Luis Borges tells this story about Whistler in his lectures about poetology ("The handicraft of the poet"). In a world of physical objects the art work is also only a physical object. And in the moment of perception the dead item changes into an object of comprehension, of realization.


The concreteness of Herbert Hinteregger's paintings and objects and the non-concreteness of our perception are the initial point of the following thoughts:


Along the edge of Hinteregger's paintings the colour application is clearly withdrawn. On the face side the grounded canvas remains visible as a white frame along the picture. Therewith the illusion is prevented that a painting per se is already a painting - no, there are the stretcher bars, the canvas, there is the object, the image carrier. Thus also the coloration gets a different emphasis. With this deliberate setting the colour itself becomes the main object of the perspective.


The paints Herbert Hinteregger is using are different kinds of ball-pen ink. They are available in all colours and densities. They can appear delicate like a glaze or dense and strong. The application of the paint, both paste-like and subtle like glaze, usually is effected with sponges, creating structures and overlays. The coloured surface is iridescent, each position allows a different impression.


Sometimes the colours appear velvety and soft, sometimes hard like the glaze on ceramics. The paintings of Hinteregger seem familiar like designs of the 1950s, ornamental designs, architectural structures, but yet they are not. The steady change of appearance does not allow unambiguousness. Our use of graphical interfaces, of "windows" on the screen, the illusion of foreground and background while changing between programs makes us sceptical. The viewer consistently demands a picture and the reference to its materiality.


The immanent visible structures go beyond the painting or enter from outside. A single painting could also be seen as a manifesto of a certain time and place within a process of bigger dimension. Thus a series of paintings produces an image of time and spatial structure, of an artistic process that continues. Therefore the smaller paintings seem to be "faster", the bigger ones "slower". They can always be read in a context.


Drawing and wall-painting complete the spectrum. Again the centre of reference is outside the "picture". No matter if typographic signs, existent pictorial material or lines, a continuation takes place in the head. The lines, reminding of roadmaps, are strictly delimited while the coloration appears softer, more organic. These seemingly rational delineations, being structure, overlay other structures. In the painting they act as an additional dimension.


Herbert Hinteregger proves that stretcher frame and canvas are only one possibility to act as an image carrier for a painting and that painting as an artistic act is also applicable on other media. A hardly more radically thought possibility is the artist's swimming pool, termed "liquid painting", and its coloured content. Where is the picture? The coloured water, the pool, the reflective surface? Or a ball made of ball-pens whose ink is already spent. Where is the picture that these ball-pens have produced? Absent pictures as a possibility to continue thinking.


Text by Axel Jablonski.


January 16 - February 26, 2004