© interpixel

interpixel: "interaction_17, headlines", 2004
in der Galerie & Edition Les Complices*, Zürich


HILFS WERK KUNST. Kunst im sozialen Raum

Markus Brenner
& Patienten der Klinik Reichenau, Interpixel (Philippe Sablonier und Eva-Maria Würth), Zeljka Marusic / Andreas Helbling, Nebojsa Milikic & Bewohner eines Belgrader Hochhauses, mit, ORGACOM, RELAX (chiarenza & hauser & co), Frank und Patrik Riklin (Atelier für Sonderaufgaben)


Die Stiftung Binz39 und das Kunstmuseum des Kantons Thurgau zeigen in den Räumen des Atelierhauses am Sihlquai 133 acht Positionen von Kunstschaffenden, die sich mit ihren Projekten ausserhalb des institutionellen Rahmens bewegen, deren Kunst sich gewissermassen "auf der Strasse" abspielt, oder an Orten, die "nichts mit der Kunst zu tun haben". Das Projekt steht in engem Zusammenhang mit dem gleichnamigen Symposium, dass am 23. Und 24. April im Kunstmuseum des Kantons Thurgau vonstatten geht und sich der Kunst im sozialen Raum widmet.


Die Stiftung Binz39 hat die Thematik des Symposiums zum Anlass genommen, mit Projekten von Kunstschaffenden, die sich in letzter Zeit auf diesem Feld betätigt haben, eine Ausstellung zusammenzustellen. Hanneke Frühauf (Kuratorin Binz39) und Dorothee Messmer (Kuratorin Kunstmuseum Thurgau) präsentieren Künstler und Künstlerinnen aus Holland, Österreich, Serbien und der Schweiz, die sich bei ihrer Tätigkeit im sozialen Raum zu Teams und Kollektiven zusammengetan haben.


Der Zusammenschluss zu Koalitionen ist eine Erscheinungsform, die gerade bei Kunstschaffenden, die sich ausserhalb des angestammten Systems betätigen, vermehrt auftritt - oft nur temporär und parallel zur selbstständigen künstlerischen Tätigkeit. Die Ausstellung versteht sich als ein "Dokumentations-Zentrum" von Prozessen, die bereits stattgefunden oder im Entstehen begriffen sind.


Markus Brenner & Patienten der Psychiatrischen Klinik Reichenau
Ursprünglich für eine traditonelle Ausstellung eingeladen, entschied sich der Videast Markus Brenner, mit Patienten der Klinik einen wöchigen Workshop durchzuführen. Ausgerüstet mit Videokameras und etlichen Hilfsmaterialien erkundeten sie die Umgebung der Klinik, loteten die Möglichkeiten des Mediums aus und entdeckten unerwartete An- und Einsichten in ihren Alltag. Anschliessend schnitt der Künstler die Aufnahmen zusammen und präsentierte "videoselbst" als gemeinsames Werk im Kunstraum.


interpixel (Eva Maria Würth & Philip Sablonier) sind seit einigen Jahren mit verschiedenen Arbeiten im öffentlichen Raum unterwegs und bedienen sich dabei der Kommunikation und Interaktion als künstlerische Mittel. Sie arbeiten vor allem im Bereich der neuen Medien und bauen auf das Zusammenspiel zwischen Kunstproduktion und Kunstrezeption. In ihren Installationen und Aktionen innerhalb und ausserhalb des Kunstsystems thematisieren sie gesellschaftliche Fragen und politische Prozesse. Das Publikum, das die beiden an ihrer Arbeit mitbeteiligen, beginnt dabei gewohnte Sehweisen und Haltungen zu hinterfragen. www.likeyou.com/interpixel


Zeljka Marusic/Andreas Helbling
Die beiden Manorpreisträger haben mit ihrer Arbeit "BalkanTV" eine künstlerische Handhabe entwickelt, die sie gekonnt in ihre jeweiligen Ausstellungsprojekte umsetzen. "BalkanTV" ist eine fiktive, mobile Fernsehstation. Auf Reisen ins Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens, der Schweiz, und der restlichen Welt sammeln sie mit Ihrer Videokamera eigene Bilder. Wo sie ankommen, bauen sie ein einfaches Haus aus Holzlatten und Plastikfolie, das Mobil-Studio von "BalkanTV". In diesem Haus wird diskutiert, gegessen und Kaffee getrunken: es entsteht ein Ort für Begegnung und Austausch. Die dabei entstehenden Videos fügen sie zu später räumlichen Installationen zusammen. www.likeyou.com/marusic.helbling


Nebojsa Milikic entwickelte mit Bewohnern eines Hochhauses in der Nähe von Belgrad eine Radioshow. Er schreibt dazu: "I started to make and broadcast the radio show "our bilding" in August 2001. Since I lived in the building, I established a tenants comittee to start managing activites dealing with the main problems in the building. For the "Radio Show I" made features out of dialogues, concerning the social and political issues of the community that inhabits any building. Wether as an influence of this broadcast or not, the things that enable a community to process is everyday or long-term needs appeared: solidarity, organisational efforts, budget increases, and finally the fulfilment of aesthetic needs".


mit
Die neun Frauen (Klodin Erb, Sabine Hagmann, Regula Michell, Eliane Rutishauser, Karolin Schreiber, Alessandra Taverini, Meret Wandeler, Agatha Zobrist und Hanna Züllig) veranstalten seit einiger Zeit Aktionen, die spielerisch geltende Regeln unterlaufen und typische Verhaltensmuster hinterfragen. Sie kreieren Modellsituationen, welche in die Kommunikation zwischen den BetrachterInnen eingreifen und ihr Verhalten gezielt beeinflussen. Kernpunkt der künstlerischen Auseinandersetzung ist die Untersuchung sozialer Verhaltensweisen. mit erarbeitet seit Februar 2000 gemeinsam Projekte. Alle Künstlerinnen sind neben der Arbeit im Team auch alleine tätig. www.likeyou.com/klodinerb / www.likeyou.com/sabinehagmann / www.likeyou.com/elianerutishauser


ORGACOM setzt sich aus den Begriffen "ORGAnization" und "COMmunication" zusammen. Teike Asselbergs und Elias Tieleman betätigen sich im Feld der Wirtschaft, zwischen Business und Non-Profit-Organisationen. In ihren Projekten, die sie aus eigenem Antrieb oder auf Anfrage realisieren, loggen sie sich in Firmen oder Institutionen ein und reagieren auf kulturelle Fragen und Probleme, die sich im Betrieb stellen, mit den Mitteln der zeitgenössischen Kunst. Sie selbst formulieren es so: "Orgacom introduced a new theme into the art world. This theme is related to how people in companies and organizations experience their group culture. Through creating images that express the specific culture in which participants are involved, Orgacom helps people realize the various roles art can play for them".


RELAX (chiarenza & hauser & co) alias Marie Antoinette Chiarenza und Daniel Hauser, fokussieren den öffentlichen Raum. Der rote Faden durch die vielfach interaktiven Projekte ist die immer wiederkehrende Frage nach Wertvorstellungen; finanzieller ebenso wie emotionaler Art. Bekannt geworden sind sie mit Aussagen wie "alleine denken ist kriminell" oder "artists are no flags". Seit 1997 werden sämtliche öffentlichen Räume von RELAX konsequent in ökonomische Räume umbenannt. Neben Dokumentationen ihrer Projekte zeigen sie ihre Arbeit "canard à l'orange", eine Brotwurfmaschine für die Enten des kleinen Schüsskanals in Biel, die sie im Rahmen von "transfert - art in urban space", realisiert hatten.


Frank und Patrik Riklin (Atelier für Sonderaufgaben) bewegen sich mit ihrem "Atelier für Sonderaufgaben" an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Kunst. Das Atelier basiert auf der Idee eines geschlossenen Systems, in dem Kunst und Dienstleistung zusammentreffen, aber klar voneinander getrennt sind. Das Atelier übernimmt einerseits Sonderaufgaben als Dienstleistungen, produziert andererseits unabhängige und kompromisslose Kunst. Sonderaufgaben sind Umstände des Alltags, die keiner Institution angehören, Probleme, die keiner Berufsgattung zugeordnet werden können. Das neueste Projekt der eineiigen Zwillinge ist ein für Juli geplantes "Gipfeltreffen" der kleinsten Gemeinden Europas.


Ausstellungsdauer: 3.4. - 1.5.2004
Oeffnungszeiten: Do-Sa 14 - 18 Uhr


Stiftung Binz39
Sihlquai 133
8005 Zürich
Telefon 01 271 18 71
Email levy-binz39@bluewin.ch