© Thomas Galler

Thomas Galler: Real Life Reel Life (Videostill), 2001
Video, Farbe, Stereoton, endlos


It's in our hands


Stefan Altenburger
, Mickry 3, Angela Bulloch, Jean-Claude Freymond-Guth, Atelier van Lieshout, Susann Walder, GRRRR, Nick Widmer, Thomas Galler, Andro Wekua, David Renggli, Rockmaster K.


"It's in our hands" vereinigt Werke der Sammlung des migros museum für gegenwartskunst mit aktuellen Positionen des Zürchers Kunstschaffens. "The lust for life" als unerschöpflicher Antrieb bildet den Grundgedanken für die Ausstellung.


Mit ihren übergrossen Skulpturen aus Karton und Unmengen von buntem Klebeband entführen Mickry 3, Christina Pfander (*1980), Dominique Vigne (*1981) und Nina von Meiss (*1978), die Besucher in eine Welt voller Glückseligkeit und anhaltend guter Laune. Bereits vor zwei Jahren sorgten sie mit ihrem "Supermarkt" für Furore, als die Sehnsüchte unseres Konsumverhaltens geweckt und kalkuliert angefixt wurden. Auch während der Vernissage und der Langen Nacht der Museen kann kräftig geshoppt werden - die M3-Sticker Kollektion wird zu sagenhaften Schnäppchenpreisen feilgeboten. Im Gegenzug verarbeitet Susann Walder (*1959) in ihrem Werk das Zuviel unserer Konsumgesellschaft - und schafft so Installationen, die aus wunderschönen Teppichen, vergilbten Zeitungsausschnitten, aus trashigen japanischen Plastikfigürchen und nostalgischen Holzschnitzereien akkumuliert werden. Für die Ausstellung "Freie Sicht aufs Mittelmeer" im Jahr 1998 sprang die Künstlerin aus einer Torte und setzte so Andy Warhols Diktum der "15 minutes of fame" um. Zur Erholung bietet sich die Installation "Flexible at Club Berlin" von Angela Bulloch (*1966) an, welche in Zusammenarbeit mit Stefan Altenburger entstanden ist. Drei "happy sacks" und eine Audio-CD laden zum Verweilen und Versinken in der Welt der "club culture" ein und erinnern an die Blütezeit des Technos. Den visuellen Soundtrack dazu liefert die Projektion "Atmosphere" von Stefan Altenburger (*1969) - eine Discokugel, die sich langsam dreht, einsam und allein im Raum. Jean-Claude Freymond-Guth (*1979) bedient sich oftmals Liedertexten und Zitaten, die sich im kollektiven Unterbewusstsein unserer Gesellschaft eingegraben haben und dort auf ihre Bewahrheitung harren. So wird "I wanna dance with somebody" auf eine alte zerschundene Plakatwand geschrieben - ein Schmachtfetzen emotional aufgeladen und milimetergenau aufgerastert.


Die Fotoarbeit "Safe from Harm" von Nick Widmer
(*1976) zeichnet ein Bild von Bristol, welches zwischen Verlorenheit und Geborgensein, Entfremdung und Zugehörigkeit pendelt. Bristol als eine heruntergekommene englische Kleinstadt, die durch Sklavenhandel reich geworden ist und heute in der postindustriellen Depression versunken ist. Fotografien von thatcheristischen Shoppingmalls und riesigen Wohnsilos werden durchmischt mit Porträts der Bewohner dieser Stadt. Anhand von Zeichnungen porträtiert GRRRR, alias Ingo Giezendanner (*1973), seine Sicht der urbanen Welt - ein Mikrokosmos in schwarz und weiss.


In den Videoarbeiten von Thomas Galler (*1970) werden Filmszenen aus ihrem ursprünglichen Kontext exportiert und verändert - er loopt, spiegelt und lässt die Szenen rückwärts laufen. So durchbricht Galler die ursprünglichen Dramaturgien, die linearen Erzählstränge werden gekappt. Bei der Arbeit "Real Life Reel Life", welche auf Dokumentationsmaterial der Dreharbeiten von Roman Polanskis Psycho-Film "Rosemary's Baby" (1968) basiert, werden die Grenzen zwischen Realität und Fiktion ineinander verwoben - eine Inszenierung des Inszenierten, eine Dekonstruktion der vermeintlich realen Fiktion. Andro Wekua (*1977) hingegen verwendet als Grundlage seiner Arbeiten alte s/w-Fotografien, die er mit eigenen Zeichnungen und Textfragmenten verdichtet. Er fingiert somit eine potentielle Biografie, die auch immer Elemente aus dem Leben des Künstlers selbst beinhaltet. Ebenfalls Biografien und Identitäten kreiert der in Zürich lebende Künstler Rockmaster K. anhand seines eigenen Abbilds - meistens umgeben von weiteren Menschen. Doch was für eine Identität hier gebaut wird und wohin diese gehört, bleibt immer im Ungewissen. Das Abbild verliert seine eindeutige Funktion des Erklärens - der Betrachter bleibt mit seiner Fantasie hilflos zurückgelassen.


Die minutiös vorbereiteten Stillleben mit alltäglichen, unspektakulären Gegenständen wie Zigaretten oder Plastikgabeln von David Renggli (*1974) bewegen sich zwischen Ernsthaftigkeit und Humor - eine unwiderstehliche Einladung in skurrile Bildwelten. 1995 wurde unter der Leitung von Joep van Lieshout das Atelier van Lieshout gegründet. Die Utopie des Künstlerkollektivs eine eigene, eine andere Gesellschaft aufzubauen - eine Gesellschaft mit neuem Regelsystem und gänzlich selbstversorgend - besteht bis heute und wird immer wieder aufs Neue ausprobiert. Angesiedelt zwischen Kunst und Kommerz, Design und Installation, befinden sich ihre Werke auf der Kante der Ernsthaftigkeit und des Humors, des Spielerischen und des Verbrauchten.


Kurator: Raphael Gygax


Das migros museum für gegenwartskunst ist eine Institution des Migros-Kulturprozents.


Ausstellungsdauer 23.8. - 2.11.2003

Oeffnungszeiten Di/Mi/Fr 12 - 18 Uhr, Do 12 - 20 Uhr,
Sa/So 11 - 17 Uhr


migros museum für gegenwartskunst
Limmatstrasse 270
8005 Zürich
Telefon +41 01 277 20 50
Fax +41 01 277 62 86
Email Arthur.Miranda@mgb.ch

www.migrosmuseum.ch
www.likeyou.com/jeanclaude JC Freymond-Guth
www.likeyou.com/thomasgaller Thomas Galler
www.likeyou.com/androwekua Andro Wekua