© Jean Baudrillard

Saintines 1997


Jean Baudrillard und die Künste
Eine Hommage zu seinem 75. Geburtstag



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Jeder kennt ihn - den Apokalyptiker, den Abtrünnigen, den Melancholiker - Jean Baudrillard, französischer Denker, der sich ungern in allgemeine Charakterisierungen wie Soziologe oder Philosoph fügt. "Ich komme nicht von einer Disziplin her. Ich sage das nicht, um mich als Amateur oder Dilettant aufzuspielen, es fehlt mir schlicht an der nötigen Konstanz, um mich einer Disziplin zu unterwerfen. Ich hatte nie den Mut, die Semiotik gründlich zu studieren, mich systematisch mit der Psychoanalyse zu befassen. Ich beschäftige mich damit, aber auf eine frivole Art und Weise", erklärte er im Magazin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung 1989.


Die in Zusammenhang mit seinem Namen geläufigste Vokabel ist wohl das "Simulacrum" geworden, ein Wort, das der Merve Verlag in Berlin nie versäumte, in einem vorangestellten Glossar zu erklären.


Jean Baudrillard widersetzte sich stets der einfachen Wahrheit, so wenn er schreibt: "Die Mediatisierung löscht jeden Hinweis auf Referenz und Wahrheit aus. Deswegen erfasst die Ununterscheidbarkeit des Wahren und des Falschen alle Bereiche: den ästhetischen des Kunstwerks, den historischen des Ereignisses und des Gedächtnisses, den politischen der Handlungen und der Meinung und selbst den wissenschaftlichen Bereich des Experiments und des Beweises". Ideologien, Dogmen, Denkverboten sind Baudrillard fremd. Anlässlich der Verleihung des Siemens Medienpreis 1995 im Zentrum für Kunst und Medientechnologie präzisierte er im Hinblick auf die Kunst: "In der modernen Kunst beispielsweise stützt sich alles, da ästhetische Kriterien fehlen, auf die Authentizität, auf die Signatur der Werke, die an die Stelle des echten Wertes tritt".


Ausgehend von der allgemeinen Konzeption der Reihe Kunst und Philosophie soll in Ausstellung und Symposium der massgebliche Einfluss von Jean Baudrillard auf die gegenwärtige Kunst und Kultur veranschaulicht werden. Wie in den vorangegangenen Veranstaltungen über das Werk Michel Foucaults 2002 und das Gilles Deleuzes 2003 stammt auch in diesem Jahr das Konzept von Peter Gente, Mitbegründer des Merve Verlags in Berlin, der als einer der ersten die Schriften des französischen Denkers in sein Programm aufnahm. Gemeinsam mit Peter Weibel sprach er Einladungen an all diejenigen Personen aus, die ein besonderes Verhältnis zu den Schriften Baudrillards haben, sei es aus kritischer Distanz, sei es in theoretischer Übereinstimmung.


Am 29.Juli 1929 im französischen Reims geboren, begeht Jean Baudrillard in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag.


Er studierte unter anderem Germanistik und fertigte Übersetzungen von Werken Bertolt Brechts und Peter Weiss. Von 1968 an lehrte er viele Jahre an der Universität Paris-Nanterre das Fach Soziologie. Sein erstes Buch erschien just in diesem bewegten Jahr: "Le Système des Objets", Paris. Unter dem Titel "Das Ding und das Ich" erschien die deutsche Übersetzung sechs Jahre später.


Ausstellungsdauer: 17.7. - 12.9.2004
Oeffnungszeiten: Mi-Fr 10 - 18 Uhr, Sa/So 11 - 18 Uhr
Mo/Di geschlossen


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Lorenzstrasse 19
D-76135 Karlsruhe
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Jean Baudrillard and the Arts
A homage on his 75th Birthday



Everyone is familiar with the French thinker, Jean Baudrillard. An expert on apocalypse, a renegade and melancholic, he is not a man who likes to be pigeon-holed as a sociologist or philosopher. "I don't come from any particular discipline. I don't say that to act the amateur or dilettante. I simply don't have the requisite constancy to subject myself to a single discipline. I never had the courage to study semiotics in depth or to tackle psychoanalysis in any systematic way. I devote time to it but in a frivolous manner", he said in the Frankfurter Allgemeine Zeitung magazine in 1989.


The term most frequently associated with his name is "simulacrum", which the Berlin publishing house, Merve Verlag, never failed to explain in an accompanying glossary.


Jean Baudrillard regularly rejected simple truths, as was the case when he wrote: "Mediatisation obliterates any mention of reference and truth. The indistinguishability of truth and fiction therefore affects all spheres: the aestheticsphere of the artwork, the historical sphere of occurrences and the memory, the political sphere of activities and opinions and even the scientific sphere of experiments and proof". Ideologies, dogmas and the suppression of opinions are alien to Baudrillard. On being awarded the Siemens Media Prize in 1995 at the Centre for Art and Media he specified his views on art, saying: "In modern art, for example, the lack of aesthetic criteria means that everything rests on authenticity, on the artist's initials on the works, which replace the real value".


Taking the central idea of the Art and Philosophy series as a point of departure, the exhibition and symposium will illustrate the far-reaching influence that Jean Baudrillard has had on contemporary art and culture. As was the case in the previous events showcasing the work of Michel Foucault in 2002 and Gilles Deleuze in 2003, the concept this year again stems from Peter Gente, co-founder of the Merve Verlag in Berlin, which was one of the first publishing houses to include the writings of the French thinker in its programme. Together with Peter Weibel he has issued invitations to all those who enjoy a special relationship with the writings of Baudrillard, be it from a position of criticaldistance or one of theoretical agreement.


Born on 29 July 1929 in the French city of Rheims, Jean Baudrillard is celebrating his 75th birthday this year.


He studied German language and literature, amongst other things, and translated works by Bertolt Brecht und Peter Weiss. From 1968 he spent several years teaching sociology at the University of Paris-Nanterre. His first book entitled "Le Système des Objets" appeared in Paris in 1968. The German translation "Das Ding und das Ich" was published six years later.


July 17 - September 12, 2004