© Centrik Isler

The Donner Party, 2004
Ausstellungsansicht (Detail)
Foto: Centrik Isler


Jim Shaw
O
O-istisch inspirierte Werke



Jim Shaw (*1952 in Michigan, lebt in Los Angeles) gehört zu den wichtigsten West Coast Künstlern seiner Generation. In der Ausstellung mit dem Titel "O", seine bisher wichtigste Einzelausstellung im deutschsprachigen Raum, zeigt Jim Shaw eine grosse Anzahl Arbeiten aus der Serie der o-istisch inspirierten Werke sowie die monumentale Installation "The Donner Party", die eigens dafür geschaffen wurde.


Seit den 70er Jahren arbeitet Shaw an ausufernden, stilistisch heterogenen Werkserien, wie z.B. "My Mirage" (1986-1990), welche in rund 170 Werken den Werdegang und die abenteuerlichen Missgeschicke der Figur Billy, einem überdrehten Teenager der psychedelischen 60er Jahre, erzählt oder "Dreams" (1991-2000), eine Serie Bleistiftzeichnungen, die das Inventar seiner unterbewussten, nächtlichen Visionen darstellt. In seinen untereinander komplex vernetzten Arbeiten schöpft er aus dem ästhetischen Papierkorb der westlichen Konsumkultur, bedient sich mit Vorliebe bei Comic, Illustration und Werbung, macht sich die Grafik von esoterischen Handzetteln und religiösen Broschüren zu eigen und kokettiert nicht zuletzt mit der Amateurkunst.


Vor einigen Jahren begann Jim Shaw den O-ismus zu erfinden, eine Religion, die angeblich Mitte des 18. Jahrhunderts in der Region von Lake Finger (im Staat New York) entstanden sein soll. Später stark verbreitet in den Avantgarde-Zirkeln der Nachkriegszeit, soll diese spirituelle Bewegung, getragen durch starke Anhänger in den Kreisen der Subkultur, während der 60er Jahre unvergleichliche Beliebtheit erlangt haben. Jim Shaw, der mit dieser Werkserie seine kritische, anthropologisch-halluzinatorische Untersuchung der amerikanischen Kultur und deren Werte fortsetzt, war nicht zuletzt daran interessiert zu untersuchen, welchen Einfluss eine andere Geisteshaltung auf die Ästhetik haben könnte. Inspiriert von seinen Recherchen zur Entstehung von religiösen Gruppierungen und Sekten im Amerika des 19. Jahrhunderts und den religiösen Dogmen, die heute in den USA zu beobachten sind, schuf Jim Shaw Werke – Zeichnungen, Gemälde, Fotografien, Objekte, Installationen und ein Video –, die von den Vorstellungen und Regeln des O-ismus geprägt sind: Seine Anhänger sollen dem Kult einer weiblichen Gottheit (symbolisiert durch den Buchstaben "O") huldigen, an Reinkarnation und an das Rückwärtslaufen der Zeit glauben. Zudem sei den O-isten jegliche figürliche Darstellung streng untersagt.


So zeigt "The Goodman Image File and Study" im Seitenlichtsaal eine Installation bestehend aus abstrakten runden Bildern (im Stile von Rothko und Pollock) und einem Bildarchiv von "verbotenen figurativen Darstellungen", welche die fiktive Künstlerfigur Adam O. Goodman angeblich während seines ganzen Lebens insgeheim gesammelt haben soll. Das Video "The Rite of the 360 Degrees" zeigt einen seltsamen, geheimen Initiationsritus, bei dem mit Uniformen bekleidete Männer, Instrumente in Form von Körperorganen spielend, in einen exklusiv männlichen, o-istischen Orden aufgenommen werden. Während die "Oist Student Paintings" Bilder eines Kunststudenten darstellen, der gegen seine religiöse und künstlerische Erziehung rebelliert, sind die "Paintings Found in Oist Thrift Stores" eine Sammlung von Amateurbildern, die Jim Shaw angeblich auf seinen Reisen durch Iowa und Nebraska in Brockenhäusern zusammengetragen hat – eine Anspielung auf seine real existierende Sammlung der "Thrift Store Paintings". Das zentrale Werk der Ausstellung "The Donner Party", eine monumentale Installation im grossen Oberlichtsaal, bezieht sich einerseits auf Judy Chicagos paradigmatisch feministisches Werk "The Dinner Party" aus den 70er Jahren und spielt andererseits auf eine der dunkelsten Episoden in der Geschichte der Kolonialisierung Kaliforniens an, wo eine Gemeinschaft von Pionieren, in einem Tal isoliert, begannen sich gegenseitig zu verzehren...


Alle Arbeiten von Jim Shaw stehen in einem komplexen Referenzsystem, welches viele Bedeutungsebenen einbeziehen kann. Sie werden aus den unterschiedlichsten Quellen destilliert und vereinen in sich Momente einer persönlichen Lebensgeschichte sowie Fragmente einer kollektiven, politischen und kulturellen Geschichte. Wie so oft in der Arbeit Jim Shaws werden auch in der Werkserie "O" Aspekte des amerikanischen Unterbewusstseins aufgedeckt und kritisch in Frage gestellt, wobei letztendlich dem Betrachter/der Betrachterin die Aufgabe zukommt, die Elemente des fragmentarischen Szenarios zu ergänzen und der ideologischen Bedeutung auf die Spur zu kommen.


Die Ausstellung O von Jim Shaw entstand in Kooperation mit dem MAGASIN, Centre National d'Art Contemporain, in Grenoble.


Ausstellungsdauer: 1.2. - 2.5.2004
Oeffnungszeiten: Di - Fr 14 - 18 Uhr, Sa/So 11 - 17 Uhr


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