© Jörg Immendorff

Ohne Titel, 2002
Öl auf Leinwand, 260 x 300 cm


Jörg Immendorff
Standort für Kritik



Die Ausstellung von 23 Gemälden Jörg Immendorffs gibt einen Überblick von der politisch agitatorischen Werkphase der ausgehenden 70er und frühen 80er Jahre bis zu den allegorisch verschlüsselten Gemälden der Jahre 1999 bis 2002.


In Jörg Immendorffs Werk hat die Befragung der Kunst nach ihrer gesellschaftlichen Funktion immer im Vordergrund gestanden. Er begreift seine künstlerische Aufgabe als Auftrag, in der Gesellschaft zu arbeiten, indem er deren Prozesse beobachtet während er gleichzeitig an ihrer Veränderung gestaltend teilnimmt. Ausgangspunkt seiner künstlerischen Entwicklung war also ein aktionistisches Selbstverständnis, in dem das Werk Funktion des politischen Handelns ist. Das Gemälde ist daher nicht nur Bild, sondern zugleich Plakat, Flugblatt, Comic, Schautafel, etc..


Die ideologische Rhetorik seiner Bildsprache, die dazu (ver)führte, die Betrachtung von Immendorffs Malerei auf die Beschreibung ihrer Darstellungen zu reduzieren, klärte sich Ende der 70er Jahre durch seine Entscheidung, vom Aktivismus zugunsten der Konzentration auf die Malerei abzulassen, ohne die politische Ausrichtung und Ambition aufzugeben. Diese Wendung vollzog er mit der Arbeit am "Café Deutschland" Zyklus, in dem sein Stil freier erscheint und die Farbigkeit expressiver wird. Immendorff bringt in diesen Bildern die Zeitgeschichte auf die Bühne eines fiktionalen deutsch-deutschen Theaterspiels, von dem nicht zu ahnen war, dass es zehn Jahre später von der Wirklichkeit eingeholt werden würde.


Demgegenüber ist die Entwicklung der letzten Jahre weniger biografisch fundiert als von einer bildsprachlichen "Lichtung" im Sinne einer malerischen Leichtigkeit, die Immendorff selbst einmal als "Befreiungsschlag" bezeichnet hat. Damit wird der unmittelbare Wirklichkeitsbezug der Motive verdrängt zugunsten einer individuell eigenen Emblematik, deren Entschlüsselung den Betrachter aus der Realität entführt, ohne das er dabei in eine vorgedachte Richtung gelenkt wird.


Der "Standort für Kritik" erscheint in der Ausstellung als architektonisches Element, eine Art Podest, auf dem die Besucherinnen und Besucher ihre persönlichen Anmerkungen zur Kunst und zur Welt im Allgemeinen sowie zu Jörg Immendorffs Bildern und der Ausstellung im Besonderen aufschreiben können. Dieser "Standort für Kritik" ist also nicht nur der Titel, sondern eine Funktion der Ausstellung, und geht zurück auf eine Gouache von 1976, in der Immendorff dieses Szenario skizziert hat, das jetzt erstmals als Aktionsraum in der Ausstellung aufgebaut wird. Von ihm aus können zudem nicht nur die anwesenden Bilder überschaut werden, mehr noch ist auch das abwesende Gesamtwerk, das in Form von Abbildungen vorgelegt wird, Gegenstand einer mehr oder minder kritischen Betrachtung.


Das Projekt einer Ausstellung mit Jörg Immendorff erfüllt einen sowohl vom Künstler als auch vom Museum lang gehegten Wunsch. Das Museum Ludwig ist im Besitz zweier wichtiger Arbeiten, zum einen aus seinem berühmten Zyklus "Café Deutschland I" von 1977-78 und zum anderen die "Lehmbruck Saga" aus dem Jahre 1987. Daran anknüpfend erscheint das Projekt als ein idealer Ansatz, die ebenso bewegte wie interessante Werkentwicklung Immendorffs der letzten Jahre mit ihren erstaunlichen Wendungen exemplarisch darzustellen.


Die Werkgruppe ist Teil der Sammlung "Rheingold", die ein umfangreiches Konvolut von Arbeiten international renommierter, zeitgenössischer Künstler umfasst. Sieben vermögende Privatsammler mit Beziehung zum Rheinland haben sich in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossen, unter ihnen die Viehoff Brüder aus Mönchengladbach und Helge Achenbach aus Düsseldorf als Geschäftsführer. "Rheingold" leiht regelmässig Teile seiner Sammlung an Museen in Nordrhein-Westfalen.


Ausstellungsdauer: 6.2. - 16.5.2004
Oeffnungszeiten: Di 10 - 20 Uhr, Mi-Fr 10 - 18 Uhr
Sa/So 11 - 18 Uhr, Mo geschlossen


Museum Ludwig
Bischofsgartenstrasse 1 (beim Dom/Hauptbahnhof)
D 50667 Köln
Telefon +49 221 221 26 165
Fax +49 221 221 24 114
E-Mail info@museum-ludwig.de

www.museenkoeln.de/museum-ludwig