Hans Josephsohn bei Bob van Orsouw

Hans Josephsohn

Der Bildhauer Hans Josephsohn (*1920, Königsberg, heute Kaliningrad) lebt und arbeitet seit über sechzig Jahren in Zürich, wo er im Mai seinen achtzigsten Geburtstag feiern wird. Seit der Mitte der fünfziger Jahre hat sich Josephsohn mit bewundernswerter Geradlinigkeit ausschliesslich mit der menschlichen Figur auseinandergesetzt.

Bekannt geworden ist er mit seinen Einzelfiguren, Büsten und Reliefs aus Bronze oder Englischzement, die aus markanten Volumen geformt sind und zumeist eine brüchige, krustige Oberfläche besitzen. In ihrer elementaren Schlichtheit strahlen diese im Stehen, Liegen oder Sitzen festgehaltenen Figuren eine nahezu archaische Wirkung aus. Der Schaffensvorgang bleibt im vollendeten Werk insofern präsent, als Josephsohn die Spuren der manuellen Bearbeitung im Ton oder Gips belässt, die dann auch in der dauerhaften Form des Bronze- oder Englischzementgusses sichtbar bleiben und somit stets auf die suchende Hand des Künstlers verweisen.

Seine Bildhauerarbeit entkleidet Josephsohn vom Individuellen oder Narrativen und strebt nach einer unverwechselbaren, überzeitlichen Formulierung. Josephsohns Strategie ist die der Selbstbeschränkung: Sein Schaffen zeugt von unermüdlichem Arbeiten am festgelegten Motiv und von einer unablässig sich differenzierenden Formensprache.

Seine Arbeit gleicht einem Freilegen der Möglichkeiten, die der Materie innewohnen. So entstehen zur Allgemeingültigkeit tendierende Figuren wie die Frau, das Liebespaar oder der Arbeiter – Skulpturen, die der Gegenwart entrückt scheinen. In seinen mehrfigurigen Reliefs thematisiert er Beziehungskonstellationen, häufig das Spannungsfeld zwischen Mann und Frau. Seine späten Bronzearbeiten - diese wirken in der heutigen Kunstlandschaft wie erratische Blöcke - rücken das Abbilden des Anatomischen vollends in den Hintergrund und gelangen mit den Mitteln der Reduktion zu einer unerhörten Präsenz und Dichte.

Josephsohns Figuren und Reliefs mit ihren blockhaften Volumina und tektonischem Aufbau lassen unmittelbar an Architektur denken. Seit 1992 werden seine Arbeiten denn auch in einem eigens von Peter Märkli entworfenen und durch die Stiftung La Congiunta errichteten Bau in Giornico gezeigt. Mit den Mitteln äusserster Kargheit bildet dieser einzigartige Bau ein fast sakrales Ambiente für die Konfrontation mit Josephsohns Bronzefiguren und -reliefs.

Diese Präsentation von Werken Josephsohns der letzten fünfzig Jahre bildet den Auftakt zu einer lockeren Reihe von Ausstellungen, die als Kontrapunkt zum bestehenden Profil der Galerie zu verstehen sind. Gezeigt werden sollen solch klassische Positionen wie diejenige Josephsohns, die jedoch noch stets ihre Aktualität einfordern. Dass Josephsohns eigenständiges Oeuvre zwischen Figuration und Abstrahierung noch stets relevant ist, beweist das Interesse, das ihm auch jüngere Künstler entgegenbringen.

(Peter Stohler)

(For our english readers please find text in English here)


Ausstellungsdauer: 6.5. - 10.6.2000
Oeffnungszeiten: Di-Fr 12-18 Uhr, Sa 11-16 Uhr

Galerie Bob van Orsouw
Löwenbräum-Areal
Limmatstrasse 270
8005 Zürich
Telefon: 01 273 11 00
Fax: 01 273 11 02
E-Mail: mail@bobvanorsouw.ch


Hans Josephsohn

For over sixty years the sculptor Hans Josephsohn (*1920, Königsberg, now Kaliningrad) has lived and worked in Zürich, where he will celebrate his eightieth birthday in May. Since the mid-1950s he has worked exclusively, and with rare persistence, on the human form.

He has become known for his individual figures – busts and reliefs in bronze or cement – striking forms, generally with a friable, crusty surface. In their elemental simplicity, these figures caught standing, recumbent, or seated are almost archaic in their effect – and the manner of their making is palpable in the completed work for Josephsohn leaves traces of his manual labour on the clay or the plaster, which then still show on the final bronze or cement cast, a permanent reminder of the searching hand of the artist.

Josephsohn strips his sculptural activity of individual or narrative traits, striving for a formulation that is unmistakable, timeless. His strategy is one of self-restraint: his output bears witness to tireless engagement with a fixed motif and to indefatigable differentiation in his formal language.

It is as though his work were laying bare the possibilities that are inherent in his materials. Thus his figures tend towards universality – the woman, for instance, the lovers, the worker – sculptures that seem detached from reality. In his reliefs with more than one figure he focuses on inter-personal relationships, often on the tensions between man and woman. His late bronze works – like erratic blocks on the art landscape today – relegate anatomical accuracy far into the background and, using reduced forms, achieve a hitherto unmatched presence and intensity.

Josephsohn’s figures and reliefs, with their block-like shapes and tectonic structures, are immediately reminiscent of architecture. Since 1992 his works have been housed in a purpose-built museum in Giornico designed by Peter Märkli (built with assistance from the Stiftung La Congiunta). With the most sparing of means this unique building creates an almost sacred ambience for the confrontation with Josephsohn’s bronze figures and reliefs.

The current presentation of works by Josephsohn, made during the last fifty years, marks the start of an occasional series of exhibitions which may be seen as a counterpoint to the gallery’s existing profile. These exhibitions will show work such as that of Josephsohn: classic yet still entirely up-to-date. The fact that Josephsohn’s œuvre – holding its own somewhere between figuration and abstraction – still continues to be relevant is amply demonstrated by the interest that his work generates amongst younger artists.

(Peter Stohler)


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