© Cora Piantoni

© Cora Piantoni


Bayerische Kunstförderpreise 2004

Karin Bergdolt
, Martin Fengel, Cora Piantoni, Marco Schuler, Wolfgang Stehle


Das Ausstellungsprogramm der Galerie der Künstler ist in besonderer Weise der Förderung junger Künstlerinnen und Künstler verpflichtet und so startet die Ausstellungssaison auch in diesem Jahr mit einer Präsentation der Preisträger der Bayerischen Kunstförderpreise 2004.


In der Sparte Bildende Kunst wurden Karin Bergdolt, Martin Fengel, Marco Schuler und Wolfgang Stehle ausgezeichnet. Cora Piantoni erhielt den Sonderpreis Fotografie. Die mit je 5000 Euro dotierten und am 1. Dezember in der Münchner Residenz verliehenen Förderpreise sind - so Staatsminister Thomas Goppel - Anerkennung für das bisher Erreichte, aber auch ideelle und finanzielle Unterstützung für kommende Projekte. Die Ausstellung in der Galerie bietet den Künstlerinnen und Künstlern darüber hinaus ein öffentliches Forum.


Die Auseinandersetzung mit kunstimmanenten Themen und deren Konfrontation mit dem Alltag stehen im Mittelpunkt der konzeptuellen Arbeiten von Karin Bergdolt. Jenseits der etablierten Orte für Kunst reflektiert sie die Bedingungen ihres Kunstschaffens und analysiert die Strukturen, die für die Menschen an dem gewählten Ort von Bedeutung sind. Die Kommunikation mit dem Publikum wird dabei selbst zum Gestaltungsmittel - Sprache, Worte, Schrift ersetzen Leinwand und Pinsel. Antworten und Fragen in der Auseinandersetzung mit Kunst und Öffentlichkeit sind Teil der Arbeit.

Das offene Projekt P.L.A.N. "organisiert Veranstaltungen, Aktionen, Vorträge und fördert Vernetzung". Hinzugezogen werden hierfür auch Künstlerinnen und Künstler der Nachbarkünste. Dokumentiert und in der Ausstellung nachvollziehbar sind die Ergebnisse im so genannten ARCHIV. Teil von P.L.A.N. ist das mobile Büro, ein umgebauter 60er Jahre Wohnwagen, der zur Vernissage als SALON-OUVERT geöffnet wird, und in dem jeweils maximal vier Personen gleichzeitig einer Lesung von Texten über Kunst von Susanne Wackerbauer folgen können. Darüber hinaus bietet die Künstlerin vom 4.2. - 5.2.2005 einen Workshop zum Thema "Zukunft = Zukunst? Eine öffentliche Kunst sucht den Dialog" an. Wie in anderen Projekten wird in Abkehr zum Autonomie- und Geniegedanken von Kunst und Künstler der gleichberechtigte und interdisziplinäre Austausch über künstlerisches und kulturell orientiertes Tätigsein im Vordergrund stehen.


Karin Bergdolt, geb. 1968 in Nördlingen, Stipendien und Preise 1998 Fanny-Carlita Stipendium, 2001 Sonderpreis der LfA Förderbank Bayern, 1. Preis der Mathias-Pschorr-Hackerbräu-Stiftung, München, 2002 Katalogförderung durch die Kunst- und Kulturstiftung der Sparkasse Nördlingen, Förderung durch die LfA Förderbank Bayern und der Künstlerseelsorge München & Freising, Danner-Preis, München, 2003 Arbeitsstipendium im "Salon Stahl", Trier, Projektförderung durch die Steiner-Stiftung, München, seit 2004 Atelierförderung Stadt München, 2004/05 Postgraduierten Stipendium, lebt und arbeitet in München und Kaufbeuren.


Martin Fengel zeigt Arbeiten aus der Serie "M". M deutet den Entstehungsort der Fotografien Mexiko an, wobei der geografische und kulturelle Hintergrund für die Betrachtung der Arbeiten kaum von Bedeutung ist. Fengel richtet seinen Blick auf Motive, die weltweit zu finden sind und die unspektakulär und alltäglich daher kommen: farbige Plastikeimer, ein Stück Vorhang vor einer schäbigen Wand, abgestellte Möbel, ein Graffiti an einer Brücke mit einer angelehnten Leiter, Farbe und Pinsel zum Markieren eines Weges... Die Dinge sind umgeben von Schmutz und Schimmel, sind abgestellt, vergessen oder warten auf ihre Fertigstellung.


Die Atmosphäre um seine "Protagonisten" ist gekennzeichnet von Tristesse und einer gewissen Melancholie. Sie deuten kleine Geschichten an, ohne konkreten Anfang und ohne konkretes Ende. Man glaubt, alles schon einmal gesehen zu haben und dennoch erscheint alles neu. Fengel nennt die Dinge bildlich gesprochen beim Namen - ein Tisch ist ein Tisch (Peter Bichsel) und ein Eimer ist ein Eimer. Die Motive werden gut ausgeleuchtet, nichts wird arrangiert oder nachträglich retouchiert, meist befindet sich die Kamera Fengels auf gleicher Höhe mit den Dingen, die sie fotografiert. Und so wirken diese in all ihrer Hässlichkeit und Schäbigkeit gleichzeitig sehr schön und ästhetisch, weil sie in ihrer Form, in ihrem Sein an sich ernst genommen werden - ein Plädoyer für einen offenen und unvoreingenommen Blick auf Dinge und letztendlich auf den Menschen.


Martin Fengel, geb. 1964 in München, Preise und Stipendien 1993 Projektstipendium der Mathias-Pschorr-Hackerbräu-Stiftung, 1994 Bayerischer Fotopreis der Danner-Stiftung, 2000 Auslandsstipendium der Stadt München für Edinburgh, lebt und arbeitet in München.


Cora Piantoni spürt in verschiedenen Werkzyklen dem Verhältnis von Individuen zu ihrer bebauten und unbebauten Umwelt nach. So bewegt sie sich in der Dia-Serie "Schöne Grüsse aus..." in der Rolle einer Touristin in Randgebieten von Städten, um sich in Posen zu fotografieren, die normalerweise vor den Sehenswürdigkeiten einer Stadt eingenommen werden. Schon im vergangenen Jahr hat die Künstlerin in der Galerie grossformatige Fotografien präsentieren können, die die Auseinandersetzung mit und die Aneignung von Raum zeigen.


In Fortsetzung hierzu zeigt sie neueste Arbeiten aus dieser Fotoserie: In öffentlich zugänglichen Orten arrangiert sich die Künstlerin selbst, ihren Körper als skulpturales Element innerhalb der vorhandenen Architektur. Während die typisch touristische Fotopose in der Dia-Serie die städtebaulichen Situationen der Vorstädte akzentuiert und thematisiert, ist es bei den neuen Fotoarbeiten gerade eine untypische und unnatürliche Körperhaltung, die zu einer Auseinandersetzung mit der abgebildeten Umgebung herausfordert.


Cora Piantoni beugt sich über Stühle und Mauern, liegt oder sitzt auf Brüstungen oder dem Boden, die individuellen Gesichtszüge vom Betrachter abgewandt. Der Körper wird ganz zu einem dreidimensionalen Skulpturelement, das auf Kanten, Linien und Rundungen antwortet, ohne jedoch in der Umgebung zu verschwinden. Der Körper bleibt ein irritierender Fremdkörper, der zu einer Auseinandersetzung mit der eigenen Körperlichkeit und mit dem eigenen Befinden innerhalb der umgebenden Architektur herausfordert.


Cora Piantoni, geb. 1975 in München, Stipendien 1998 Fanny-Carlita-Stiftung und Internationle Sommerakademie Salzburg,, seit 2000 kuratorische Projekte in München und Zürich, lebt und arbeitet in München und Zürich. www.likeyou.com/cora.piantoni


Die Arbeiten Marco Schulers sind gekennzeichnet von einem intensiven, häufig ausweglos erscheinenden Kampf - mit Gegenständen, mit Arbeitsmitteln und mit dem eigenen Körper. Immer wieder nimmt er das selbst gewählte Gefecht gegen Windmühlen auf, macht sich in einer Person zum Befehlsgeber und -empfänger für absurde Aufgaben, die er in Video- und Fotoarbeiten dokumentiert: Kopfsprung im Elf-Sekunden-Takt in ein Schwimmbecken, Heineingraben mit einer Schaufel in eine Wiese bis zum völligen Verschwinden, der nächtliche Ritt auf einem Traktor über einen Acker mit einer Art überdimensioniertem Ritterhelm, der kaum Sicht und somit sichere Fahrt in stockdunkler Nacht zulässt.


Die Nachtsichtkamera verwandelt durch das Vibrieren und Schütteln den Fahrer in eine Art Totenschädel - die Fahrt wird zum irrwitzigen "Totentanz". Plan und Zufall prallen aufeinander und lassen skurrile Situationen zwischen Komik und Ernst entstehen. Durch völlige körperliche Verausgabung bis zur Selbstentblössung wird die schützende Hülle des Ich aufgegeben und die nackte menschliche Existenz in all ihrer Komplexität nach aussen gekehrt.


Schutz und Panzer des Ich spielen auch in den plastischen Arbeiten Schulers eine grosse Rolle. "tankheads" blicken bedrohlich von ihren Sockeln herab, ein "Kämpfer" zielt mit Schwert oder Gewehr in den Raum, "Helmut" ist ein Stahlhelm, der auf einer Kiste sitzt, die Hundehütte, mittelalterliche Burg mit Zugbrücke und Tabernakel in einem sein könnte. Ernst und Komik, Tod und Leben liegen bei Schulers Arbeiten nahe beieinander, Diesseitiges verweist auf Transzendentes.


Marco Schuler, 1972 geb. in Bühl/Baden, Preise und Stipendien 2003 Atelierstipendium der Merian-Stiftung Basel in Rotterdam, Förderpreis der Stadt München, 2002 DAAD-Projektstipendium, Los Angeles, USA, 2000-2001 Projektstipendium Steiner-Stiftung, München, 1996 ZDF-Kleinplastikpreis, lebt und arbeitet in München.


Wolfgang Stehles Schaffen ist geprägt von Befragung und Hinterfragung der gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen menschlichen Zusammenlebens in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts. Als "Kulturarbeiter" im Sinne Bourdieus beobachtet er die verschiedenen Ordnungssysteme, die ein soziales Miteinander ausmachen und dokumentiert Verhaltensmuster und Gewohnheiten. Mit Mitteln der Wiederholung, Übertreibung und Kontextverschiebung zeigt er (Über-)Lebensmuster mit ihren Paradoxien, Unstimmigkeiten und Absurditäten.


In den gezeigten Arbeiten transformiert Stehle die Ordnungsstrategien wiederum in ein Ordnungssystem: ein zu einem floralen Ornament abstrahierter Salatkopf wird vervielfältigt und grossflächig als Tapetenmuster in der Galerie angebracht. Die fröhlich-poppige Atmosphäre wird durch eine gefrässige Raupe gestört. Mittels einer Projektion frisst sich die schwarze Raupe wie durch die Windungen des eignen Gehirns durch den Salatkopf, um ihn am Ende mit Stumpf und Stil zu vertilgen, die erstellte Ordnung ist zerstört.


Das rhythmische Wiegen und Schütteln des Kopfes in Rockkonzerten ist Ausgangspunkt für einen Videofries, bei dem sich aus den Haaren des Fans ebenfalls ein Ornament entwickelt, das sich mehr und mehr zu einer statischer werdenden Welle entwickelt. Der vermeintliche individuelle Ausdruck von Gefühlen beim Hören der Musik wird als Muster überführt.


Wolfgang Stehle, 1965 geboren in München, Preise und Stipendien 1997 Stipendium für die Sommerakademie in Salzburg, 1999 Projektstipendium der Erwin und Gisela von Steiner-Stiftung, Jubiläumsstipendium der Stadt München, DAAD-Stipendium für London, 2003 Projektstipendium der Stadt München, Debutantenförderung des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst, lebt und arbeitet in München.


Petra Renkel


Ausstellungsdauer: 29.1. - 27.2.2005
Öffnungszeiten: Di-So 11 - 18 Uhr


Galerie der Künstler
Maximilianstrasse 42
D-80538 München
Telefon +49 (0)89 220 463
Email bbk.muenchen.obb@t-online.de

www.likeyou.com/cora.piantoni


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