Never Look Back, 2007
3 Objekte, div. Materialien


Laurent Schmid & ZOUAVY
Eclipsing Binaries



Der Terminus technicus "Eclipsing Binaries" entstammt astrophysikalischer Literatur und beschreibt die Existenz von Doppelsternen, die nahe beieinander liegen und sich umeinander drehen. Mittels optischer Instrumente sind sie aber nur als ein einziger Lichtpunkt erkennbar. Einzig spektroskopische Untersuchungen zeigen, dass sich die Wellen des Lichtspektrums verändern, wenn der eine Stern bei der Rotation um den anderen mal vor, mal hinter jenem zu liegen kommt. "Eclipsing Binaries" ist also ein wissenschaftlich genau erklärbares Phänomen, das jedoch bloss eine theoretische Realität beschreibt. Eine spannende Ausgangslage für die aktuelle Ausstellung von Laurent Schmid & ZOUAVY.


Laurent Schmid ist ein Forscher und Entdecker. Von Anfang an operierte er an den Schnittstellen zwischen Kunst und Technologie. Sein Werk irritiert durch ein pseudowissenschaftliches Kokettieren und erlaubt stets mehrdeutige Aussagen, wobei das "Vielleicht" zum bestimmenden Prinzip erkoren wird. "Wahrheit" mutiert zur Projektion von Wünschen oder Erwartungen und kann vielschichtig ausgelegt werden. In diesem Spannungsfeld durchleuchtet er den Fundus von Geschichte nach interessanten Geschichten. So flicht er etwa absurde Verschwörungstheorien zu neuen Erzählsträngen und mischt  Wahrheiten mit Lügen. Die "gebastelten" Utopien werden jedoch immer wieder auf den Boden der Realität geholt, die digitalen Konzepte künstlerisch in eine analoge Form gebracht. Mit einem verblüffenden Virtualitätstransfer sprengt er vermeintliche Wahrheitssysteme, vordergründig vermittelte Klarheit zerbröckelt im Strudel aufgestellter Strategien und Methoden.


In der Ausstellung zeigt Laurent Schmid fünf Hauptarbeiten. "Strange Experiments" zeugen von seinem Interesse an kuriosen Experimenten. Mittels Internetrecherchen fand er afrikanische Tüftler, die aus Technikschrott der westlichen Welt komplexe Maschinen nachbauen - und auf beinahe magische Weise Eigenkonstruktionen zum Funktionieren bringen. In der Serie "Hail" bedient er sich der Steganografie, also der Lehre vom Verstecken von Inhalten, um Bilder mit politischen Texten "aufzuladen". So hat er Auszüge aus Manifesten der letzten 200 Jahre in unwichtige Passagen von digitalen Bildcodes eingefügt. Die Bilder, gefundene Abbildungen von Hagelkörnern, wurden dabei nur geringfügig in der Farbe verändert - bergen aber eigentlich ein explosives Textpotential. Ähnlich subversiv sind seine grossen "Schemata" zu lesen. Begriffe aus Philosophie, Musik oder Kulturgeschichte verknüpft er mühe- und problemlos in ein pseudowissenschaftliches Diagramm und führt uns so durch seine ganz persönliche Sichtweise der Welt - und auch ein bisschen an der Nase herum.


Mit gleichem ironisch-humorvollen Unterton sind sicher auch die drei schwebenden Figuren in blauen Overalls mit dem Titel "Never Look Back" zu verstehen. Das aufgemalte "IO" kann man als autobiographische Reminiszenz ans eigene Erforscherdasein oder als astronautisch-philosophischen Wunschflug zum Jupitermond mit demselben Namen auslegen. Bei der Arbeit "Revision" schliesslich empfängt er mit einem handelüblichen Radio kosmische, elektromagnetische Wellen und moduliert diese in ein visuelles Muster. Science Fiction wird so erlebbar gemacht; vielleicht sehen wir ja unverhofft Botschaften von anderen UniversumsbewohnerInnen.


ZOUAVY ist ein junges KünstlerInnenkollektiv aus Genf. Je nach Projekt vergrössert sich die Gruppe, so dass der harte Kern von fünf Mitgliedern auch mal aufs Doppelte anwachsen kann. Gemeinsames Interesse ist die Auseinandersetzung mit Soundphänomenen und das Einbringen von Klang in einen installativen Kunstkontext. Für "Eclipsing Binaries" haben ZOUAVY einen Soundturm mit dem mehrdeutigen Titel "AZ" geschaffen. Ist es ein Kürzel für "alle zusammen", "Autonomes Zentrum" - oder eine Anspielung an den Turm zu Babel mit seinem Sprachwirrwarr? ZOUAVY lässt die Antwort offen. Zu sehen ist eine aus Lautsprechern gebaute Struktur, die an einen Turm oder besser an eine Turmruine erinnert. Über die zahlreichen Lautsprecher wird der eigens produzierte Sound auch physisch erlebbar gemacht. Im Innern des festungsartigen Objektes laufen die Kabel zusammen zu verschiedenen Verstärkersystemen; es sieht beinahe aus wie in einem Bunker, wie in einer militärischen Schaltzentrale. Die Musik wird zur Skulptur und "AZ" so zum Monument für zeitgenössische Klangexperimente.


Bernhard Bischoff, Oktober 2007


Ausstellungsdauer 19.10. - 24.11.2007

Oeffnungszeiten Mi-Fr 14 - 18 Uhr, Sa 11 - 16 Uhr
und nach Verabredung


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