Lisa Schiess: Green March
GREEN MARCH (Video und Foto-Edition) entstand aus einer Folge von 12 Handzeichen, welche Broker an der "Open-outcry"-Terminbörse gebraucht haben oder immer noch brauchen, um sich quer durch den Börsensaal zu verständigen. Die Handzeichen entsprechen den 12 Monaten des Jahres. "Green March" ist ein Begriff aus einem Händlercode.

Lisa Schiess
GREEN MARCH

click here for english text

Geld regiert die Welt und um an dieser Macht teil zu haben, bedarf es differenzierter Kenntnisse der Finanzmärkte, deren wertbestimmendes Gremium die Börse ist. In Sekundenschnelle lassen ihre Bewegungen Reichtümer entstehen oder vergehen. Für Nichteingeweihte (und nicht nur für die) funktioniert ihr stürmischer oder ruhiger Verlauf so unvohersehbar wie das Wetter. "Medizinmann" hat Lisa Schiess die Börse genannt. Wie jener schaltet und waltet sie nach unerforschlichen Gesetzen.

Ein kleines Zeitungsfoto, das die New Yorker stock-exchange darstellt, diente als Vorlage. Vergrössert und spiegelbildlich aneinandergefügt entstand eine zentrifugal auseinanderdriftende Bildfigur, in der man einen Medizinmann oder diverse andere symmetrische Gestalten erkennen kann. Die Macht des Geldes wird zu einer magischen Kraft stilisiert.

Als geheimnisumwoben und nur Wenigen zugänglich stellen sich auch die inneren Abläufe des Börsengeschehens heraus. Eine DVD-Arbeit mit dem Titel "Green March" zeigt zwölf Handzeichen, welche von Brokern an der "Open-outcry"-Terminbörse gebraucht werden. Sie entsprechen den zwölf Monaten des Jahres. Man fühlt sich an Neros Tod- oder Leben verheissenden Daumen oder auch an die Taubstummen-Sprache erinnert. Explizit wird ein Zeichen-System vorgeführt, allerdings vermögen wir es nicht zu entziffern. Begleitet wird dieser Broker-Code von einer anderen, gleichfalls unverständlichen Sprache. Nachtigall, Pirol und Kuckuck lassen penetrante Gesangsfetzen erklingen. Vögel singen zumeist nur um das Brutgeschehen herum, wenn sie die biologische Vermehrung praktizieren. Folglich werden hier zwei unterschiedliche Terminologien, die auf Zuwachs, Gewinn und Vermehrung ausgerichtet sind, kombiniert.

Wie die Börse, das Casino für die Grossen, zum unerforschlichen Schicksal werden kann, ihr hochcodiertes System in Glück und Unglück mündet, so wird auch auf einer niedrigeren Stufe der Erwerb von Geld an Glück und Zufall gekoppelt. Sparschweine, neben diversen anderen Sparbüchsen auf einem Tisch zu "Die Sammlung" vereint, künden von dieser volkstümlichen Variante. Zugleich aber lehren sie Verzicht und Enthaltsamkeit. Das ist die restriktivere Komponente, die sich verschärft auf sechs - als Würfelaufrollung gehängten - Leinwänden findet. "wer kein Geld hat fliegt raus", wird da verkündet. "Wer nicht denken will, fliegt raus", ist als Zitat von Joseph Beuys bekannt. Im neuen Jahrtausend, im Zuge der globalen Kapitalisierung, hat das Geld die Oberhand gewonnen und seine Rituale bestimmen, wer ein- und wer ausgeschlossen wird.

Brita Polzer 2001 / erscheint im Kunstbulletin Nr.10

Ausstellungsdauer: 25.8. - 20.10.2001
Oeffnungszeiten: Di-Fr 14 - 18 Uhr, Sa 12 - 16 Uhr

Galerie Serge Ziegler
Limmatstrasse 275
8005 Zürich
Telefon: 01 440 42 95
Fax: 01 440 42 97
E-Mail: info@zieglergalerie.com

www.zieglergalerie.com


Lisa Schiess
GREEN MARCH


Money rules the world and to be able to be part of this power one needs distinguished knowledge of the financial markets of which the stock market is the value determining body.

In split seconds its movements let fortunes appear or dissappear. For non-insiders (and not just for them) its stormy or calm developments function as unpredictable as the weather. "Medicine Man" is the title Lisa Schiess chose for the stock market—it likewise rules by unfathomable laws.

A small photo taken from the newspaper depicting the New York stock exchange was used as a pattern. Enlargened and joined together in mirror image a centrifugally diverging image was created, in which one can perceive a medicine man or other symmetrical forms. The power of money is stylized into a magical force.

The course of the stock market seems mystical and is only open to few. A (DVD) work with the title "Green March" shows twelve hand gestures which are used by brokers at the "open-outcry" stock exchange to comunicate. They correspond with the twelve months of the year. It reminds of Nero's thumb—up for life, down for death—or also of sign language. A sign system is explicitly shown but we are unable to decode it. This brokers' code is accompanied by another also unintelligible language. Nightingale, Golden Oriole and cuckoo let penetrating snatches of song resound. Birds often only sing around breeding time. Thus two different terminologies keyed to growth, profit and propagation are combined. Just as the stock market can become inscrutable fate, its highly coded system ending in happiness and unhappiness, the acquisition of money on the lower level is tied to luck and chance. Piggybanks join other money-boxes on a table forming "Die Sammlung" (The Collection), depicting this popular variant.

At the same time they teach sacrifice and moderation. These more restrictive componants are found on six pieces (six-piece-surface of a dice) of canvas. "Wer kein Geld hat, fliegt raus" ("Who does not have money, gets kicked out") is proclaimed. "Who does not want to think, gets kicked out" is known as a quotation of Joseph Beuys. In the new milenium, in the progress of global capitalization, money rules and its rituals determine who is included and who is excluded.

Translation by Sarah Mehler