© Centrik Isler

Davix - eingeladen von Esther Eppstein, message salon:
Installationsansicht im Helmhaus Zürich, 2005 (Detail)
Photo: Centrik Isler, Likeyou.com


Lokale Aufhellungen
Esther Eppstein und Martin Senn laden ein



Off-Spaces, alternative Räume, oder wie immer man die unabhängigen, unkommerziellen, häufig von Künstler(kollektiven) organisierten Kunsträume nennt, haben in der Stadtzürcher Kunstlandschaft seit den späten Achtzigerjahren eine Tradition entwickelt. Das Helmhaus Zürich hat zwei Pioniere dieser Szene, Esther Eppstein und Martin Senn, gebeten, je eine Ausstellungsidee zu realisieren. In ihrer Nähe zur überwiegend jungen Kunstproduktion bewegten und bewegen sie sich nah am Puls der Zeit. Was sich in diesen Freiräumen, in denen auch das künstlerische Experiment noch Spielraum hat, erstmals zeigt, ist hinterher oft von der institutionalisierten und der kommerziellen Kunstszene abgeschöpft worden. Insofern kommt den Off-Spaces eine Pionierrolle zu, die sie unter finanziell bedrängten Bedingungen mit viel Idealismus wahrnehmen.


Die Aktivitäten in den Off-Spaces findet in den Medien Beachtung, und verschiedene Veranstaltungen (Symposium zur BINZ 39-Ausstellung in der Kunsthalle Zürich; Kunsthaus Örlikon Remake im Mediacampus; "CART - Off-Space Rendez vous Nr. 1" in der Kunstmesse "Kunst 04 Zürich" in Zürich-Oerlikon) haben auf die Bedeutung der Off-Spaces hingewiesen. Das Präsidialdepartement der Stadt Zürich seinerseits fördert in Zusammenarbeit mit der Kommission für Bildende Kunst der Stadt Zürich unabhängige Künstlerinitiativen, wie zum Beispiel den Betrieb von Off-Spaces, seit 1999 mit dem so genannten "Freien Kredit" (ursprünglich mit CHF 80'000.- pro Jahr dotiert, seit 2004 auf CHF 100'000.- erhöht).


Unsere eigene Wertschätzung der Off-Spaces und die genannte Aufmerksamkeit, die ihnen geschenkt wird, haben uns dazu bewogen, zwei pionierhaften Persönlichkeiten der Zürcher Off-Space-Szene im Helmhaus Zürich ein Forum zu geben. Diese Ausstellung entspricht somit auch einer Anerkennung und Würdigung für die Aufbauarbeit an künstlerischem Potential, die in der beeindruckenden Zürcher Off-Space-Szene in den vergangenen nahezu zwanzig Jahren mit grossem Engagement geleistet wurde.


Von Beginn weg waren wir uns bewusst, dass ein solches Unterfangen nicht ohne Tücken ist: Das angesprochene "Abschöpfen" des Off-Space-Underground durch Institutionen hat diesem Underground zu oft nicht nur genützt, sondern ihm auch geschadet. Überdies sind wir uns bewusst, dass man die Off-Spaces am besten dort belässt, wo sie sich angesiedelt haben, und dass ein Off-Space nicht einfach eins zu eins in eine Institution verpflanzt werden kann: Deshalb nicht, weil Off-Spaces von ihrer Verwurzelung im Quartier, von der Atmosphäre und Ausstrahlung der BetreiberInnen und der Räumlichkeiten leben, in der die Kunst sich auf eine andere Art entwickelt, als sie das in den neutralen, repräsentativen, aber auch blossstellenden With Cubes der Institutionen tut.


Wir haben uns deshalb entschlossen, Esther Eppstein und Martin Senn zu bitten, auf dem Hintergrund ihrer bisherigen Tätigkeit ein Konzept für eine Ausstellung auf je einem Stockwerk des Helmhauses zu entwerfen.


Esther Eppstein (*1967 in Zürich) betreibt seit 1996 den "message salon", eine Tätigkeit, die sie als künstlerische Arbeit versteht. Zunächst zwischen Anker- und Zweierstrasse lokalisiert, dann seit 2001 an der Universitätsstrasse beim Rigiplatz, hat sich der "message salon" als erstklassiger Trendsetter-Space einen Namen gemacht. Mehrmals ist er auch ausserhalb der Schweiz in Galerien, Institutionen, Messen und zu Repräsentationen anderer Off-Spaces eingeladen worden.


Martin Senn (*1960 in Zürich) war 1986 - zusammen mit Martin Kaufmann, Oliver Wehrli, Andreas Niederhauser, Aurel Hofmann und anderen - Mitbegründer des Kunsthaus Örlikon, des im Rückblick ersten Zürcher Off Space. Das Kunsthaus Örlikon ist mehrfach umgezogen: von Örlikon an die Langstrasse, ins Tramdepot Tiefenbrunnen und schliesslich an die Konradstrasse, wo es sich bis 1996 (dem Jahr, in dem Esther Eppsteins message salon eröffnet wurde) niedergelassen hat.


Wir haben von Esther Eppstein nicht eine temporäre, "institutionelle Depandance" des message salons erwartet. Und von Martin Senn nicht ein Remake des Kunsthaus Örlikon. Wir haben beide gebeten, ein Konzept zu erstellen, das mit den Möglichkeiten - und den Unmöglichkeiten - eines Ausstellungsorts wie des Helmhauses vereinbar ist. Wir freuen uns, dass die beiden Konzepte so unterschiedlich ausgefallen sind.


Der Titel der Ausstellung, "Lokale Aufhellungen", ist ein Bild für eine vorübergehend stationäre, kulturelle Belebung von Quartieren, die mit Kultur zuvor nicht überschüttet wurden. Und somit auch ein Bild für gesellschaftliche Verdienste der Off-Spaces.


Die folgenden Texte über ihre beiden Ausstellungsprojekte stammen von Esther Eppstein und von Martin Senn:


Davix, Franziska Koch, Saskja Rosset und Alexis Saile, eingeladen von Esther Eppstein:


Die Künstlerinnen Franziska Koch und Saskja Rosset, sowie die Künstler Davix und Alexis Saile sind seit vielen Jahren in meinem Umfeld aktiv. Die vier Schweizer KünstlerInnen haben im "message salon" wiederholt eine Plattform erhalten, wobei ich ihre Arbeitsweise, ihre Auffassung von Kunst und Raum, sowie die Herangehensweise an gestellte Probleme kennen und schätzen lernte. Langjährig freundschaftlich verbunden, vertraut mit ihren künstlerischen Positionen und ihrer Experimentierfreudigkeit, habe ich diese vier sehr unterschiedlichen Künstlerinnen und Künstler zusammengebracht und sie mit der Aufgabe betraut, gemeinsam im zweiten Stock des Helmhauses eine Ausstellung zu gestalten.


Für die Ausstellung "Lokale Aufhellungen" werden die vier KünstlerInnen in einem gemeinsamen Atelier und in intensiver Zusammenarbeit eine Ausstellung von Grund auf neu konzipieren. Durch die gemeinsame Arbeit an der Ausstellung entstehen Verflechtungen, Reibungen, Parallelen und Abgrenzungen. Die einzelnen Positionen sollen durchlässig werden, die Ausstellung für die Besucher als ganzheitliches Werk im Raum erlebbar sein. Die meisten Arbeiten werden für diese Ausstellung neu produziert, es werden keine gemeinsamen thematischen Inhalte verfolgt. Der Inhalt der Ausstellung ist die Zusammenarbeit der KünstlerInnen, der Prozess ihrer Annäherung aber auch der Abgrenzung. Die einzelnen Positionen in den Medien Malerei, Video, Audio, Zeichnung und Objekt, werden von den KünstlerInnen zu einer gemeinsamen Installation verdichtet.


Zum Thema "Kopf" - ausgewählt und arrangiert von Martin Senn:


33 KünstlerInnen, in deren Werk sich das Thema "Kopf" auf unterschiedlichste Weise manifestiert.


Hannes Bossert, Anton Bruhin, Jan Czerwinski, Lucia Coray, Marilou Délèze, Ercan, Paolo Foletti, Christian Frey, Fanny Geisler, Emil Gut, Lilian Hasler, Pascal Häusermann, Manù Hophan, Heinz Ita, Verena Kälin-Squaratti, Martin Kaufmann, Erwin Knoblauch, Johanna Lier, Marco Morgenthaler, Andrea Muheim, Otto Müller, Severin Müller, Olivia Laurent Possa, Armando Rearte, Rudolf Maria Rempfler, Barbara Roth, Alexander Schumow, Samuel Schütz, Thomas Schweizer, Regula Stücheli, Hans Witschi, Alex Zwahlen


Im ersten Stock des durch den weiss glänzenden Boden leicht überbelichteten Helmhauses liefern sich Bilder, Skulpturen und Plastiken, Zeichnungen und Radierungen sowie Fotografie ein sinnliches und ebenso kopflastiges Stelldichein. Auf einem gemeinsamen, elfmeter langen, keilförmigen Korpus kreuzen sich die Blicke der Skulpturen mit denen auf den Bildern an den Wänden. Empfindliches gibt sich preis, auch ein Gedicht beginnt im Kopf, Politik, Religion, Philosophie und das eigentliche Selbst. Jeder Künstler, jede Künstlerin wurde zusätzlich gebeten, eine bevorzugte Musik mitzubringen, der interessierte Gast darf sich an die Garderobière wenden, welche für diesmal neben der kleinen Cafeteria auch noch die Musikanlage bedient. Viel Vergnügen.


Eva Wagner und Simon Maurer


Ausstellungsdauer: 11.2. - 3.4.2005
Öffnungszeiten: Di-So 10 - 18 Uhr, Do 10 - 20 Uhr


Helmhaus Zürich
Limmatquai 31
8001 Zürich
Telefon 01 251 61 77
Fax 01 261 56 72

www.helmhaus.org
www.likeyou.com/messagesalon
www.likeyou.com/andreamuheim
www.likeyou.com/ph73 (Pascal Häusermann)
www.likeyou.com/andreasniederhauser


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