© Loredana Sperini


Loredana Sperini
Handgestickte Zeichnungen



Während Rainier Lericolais in der Parallelausstellung mit seinen "Elégantes & Mariées", aus dem Anblick der Oberflächen Eleganz und Anmut herausfiltert und dabei die scheinbare Makellosigkeit einer illusionären (Mode-)welt auf seine ganz spezielle Weise bedient, sticht Loredana Sperini mit ihren gestickten Bildern in dicht gewebte Häute verletzter, vager Empfindungen und Gefühle ein. So als wollte sie diese unsichtbare Umgebung, in der jeder Mensch befangen ist, anstechen, zum Bluten, Überlaufen und zum Sprechen bringen.


Die Künstlerin zeichnet mit Nadel und Faden. Es geht nicht um eine Erneuerung von Textildesign oder traditioneller Handwerkskunst, sondern um den künstlerischen Ausdruck, der sich - dem zu zeigenden Gegenstand angepasst - eines extrem langsamen Mediums bedient. Die handgestickten Zeichnungen von Loredana Sperini sind wie Tätowierungen sichtbar gemachter, tiefliegender Befindlichkeiten, deren Konturen mit schwarzen Garnen oder Perlen in die Oberfläche blütend weisser, im Haushalt gebräuchlicher Stoffe eingelassen werden. Jeder Stich erfasst und verortet den Gegenstand mit der Präzision einer zur Nadel gespitzten Pupille, impft den Stoffen ein subtiles Eigenleben ein.


Die Motive der Stickereien werden in einem langwierigen Entwicklungsprozess gewonnen: Grundlage sind Fotografien, auf denen die Künstlerin zumeist ihr nahe stehende Personen porträtiert. Nach diesen Fotografien entstehen Zeichnungen, die schliesslich als Vorlage für die gestickten Zeichnungen dienen. Jeder dieser Vorgänge bringt Veränderungen durch Weglassen und Hinzufügen von Formen, Füllung und Konturen mit sich. Vor allem in der Konzentration des Stickvorgangs erhöht sich die Ausdruckskraft und Bedeutung des Motivs um ein Vielfaches.


Sperini zeichnet Umrisse von Personen, eingewoben in ihre unmittelbare Umgebung, in das worin sie augenblicklich verst(r)ickt sind. Sie verleiht der unsichtbaren Gestalt von Zuständen und Erinnerungen, von energetischen Vorgängen, Beziehungen, Gedanken und Gefühlen, aber auch den Spuren von Bewegungsabläufen, der "Konzentration auf" oder der "Beschäftigung mit" eine eigenständige, in Stickerei gezeichnete Bildsprache. Befindlichkeiten gestalten den Raum und die Umgebung, werden zu dicht versponnenen Aufenthaltsorten. Bisweilen prägen sie auch die Figuren selbst, durchlöchern den Grund, lassen Körperkonturen verschwinden oder ausufern.


Spuren, die der Atem, gedachte oder gesprochene Worte hinterlassen haben könnten. Spuren, die sich zu Fasern, Puppen, Flecken oder einem Blütenmeer verdichten oder sich wie Sprühregen, ausufernde Flammen oder ein Fliegenschwarm in Luft auflösen. Zu sehen sind Figuren, die in Landkarten verströmender oder aus dem Gleichgewicht gebrachter, verstörender Energie eingebunden sind. Gezeigt werden Höhepunkte unsichtbaren Geschehens, unwiderrufliche Momente des Ausbruchs, des Zerplatzens, der stärksten Energie. Umgebungslandkarten erfassen die Folgen von Handeln und Behandlung als zitternde, kaum zu beschreibende Linien, mit unvorhersehbarem Eigenleben. Durch die Intensität des Nachgestickten, wird dem zufällig, vage, unsichtbar und flüchtig Scheinenden, eine gestochen scharfe, verlangsamte Aufnahme in das Bewusstsein des Betrachters ermöglicht.


Sperini ist ihren Modellen so ganz nahe, so unendlich nahe. Sie bringt es auf den Punkt, treibt es auf die Spitze und verleiht dem Flüchtigen Präsenz und Permanenz. Der Betrachter muss zum Stickkünstler werden, um sich Stich für Stich einzulassen und aufzulösen, in diese langsamen Bilder, die sich vor seinen Augen zusammensetzen.


Cornelia Kleÿboldt, M.A.


Ausstellungsdauer: 11.9. - 16.10.2004
Öfffnungszeiten: Mi-Fr 12 - 19 Uhr, Sa 12 - 16 Uhr


Dina4 Projekte
Dina Renninger
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